VERFASSUNG
Nach dem Bundestag billigt auch der Bundesrat die Verankerung neuer Haushaltsregeln im Grundgesetz
Zwei Jahre lang, vom März 2007 bis März 2009, hat die von Bundestag und Bundesrat eingesetzte Föderalismuskommission II unter Vorsitz von SPD-Fraktionschef Peter Struck und Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) über eine Neuordnung der Finanzbeziehungen von Bund und Ländern beraten; am 12. Juni nun hievte die Länderkammer das Reformpaket über die letzte parlamentarische Hürde: Mit 58 von insgesamt 69 Stimmen stimmte der Bundesrat für die Verankerung neuer Haushaltsregeln in das Grundgesetz und übertraf damit deutlich die erforderliche Zweidrittelmehrheit von 46 Stimmen. Der Bundestag hatte die Neuregelungen bereits Ende Mai beschlossen.
Lediglich drei Länder versagten der Föderalismusreform II im Bundesrat ihre Zustimmung. Dazu zählen mit Berlin und Schleswig-Holstein zwei der Profiteure der in dem Paket enthaltenen Altschuldenhilfen. Zusammen mit Bremen, dem Saarland und Sachsen-Anhalt sollen sie von 2011 bis 2019 Finanzhilfen in Höhe von insgesamt 800 Millionen Euro pro Jahr zum Altschuldenabbau erhalten. Die Kosten dafür tragen Bund und Länder je zur Hälfte - zum Verdruss von Mecklenburg-Vorpommerns Regierungschef Erwin Sellering (SPD), der diese Konsolidierungshilfen in der Debatte als "ungerecht" brandmarkte. Sein Land habe in den vergangenen Jahren einen "sehr harten und erfolgreichen Sparkurs" verfolgt, betonte Sellering und beklagte, sich nun in der Rolle eines Geberlandes wiederzufinden: "Bestraft werden diejenigen, die unter schwierigsten Bedingungen gute Sparerfolge erreicht haben", begründete der Schweriner Ministerpräsident die ablehnende Haltung seines Landes, das sich ebenfalls enthielt.
Mehr noch als die Altschuldenhilfen steht indes die vieldiskutierte "Schuldenbremse" im Mittelpunkt des Reformpaketes. Während dem Bund danach noch ein strukturelles Defizit von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zugestanden wird, wird den Ländern eine strukturelle Verschuldung untersagt. Dabei sollen die neuen Regeln für den Bund vollständig ab 2016 gelten und für die Länder ab 2020.
Bei Sellering, der in der Schlussdebatte des Bundesrates als einziger Vertreter der nicht zustimmenden Länder das Wort ergriff, stieß auch diese Schuldenbremse auf Einwände. Die Festlegung einer solchen Bremse für die Länder im Grundgesetz "beschneidet die Kompetenz der Landesparlamente und ist deshalb verfassungsrechtlich bedenklich", bemängelte er mit Blick auf die vom schleswig-holsteinischen Landtag angekündigte Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gegen diese Regelung.
Einem solchen Schritt blickt Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) schon "mit Neugier" entgegen. Er verwies darauf, dass die Karlsruher Richter bereits in vier Entscheidungen "eine grundsätzliche Einstandspflicht des Bündnisses als bündisches Prinzip festgelegt" habe. Wenn aber ein Bündnis verpflichtet sei, "im Notfall dem einzelnen Mitglied dieses Bündnisses zu helfen, dann muss es aus meiner Sicht auch das Recht haben, sich für dieses Bündnis Regeln zu geben, damit ein solcher Notfall möglichst nicht eintritt", argumentierte Böhmer.
Für Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) berührt die Schuldenregelung nicht das Budgetrecht der Länder, und so versicherte er, "möglichen Verfassungsklagen völlig entspannt" entgegenzusehen. Zugleich bekräftigte er, dass nicht der Bund vorgeschlagen habe, den Ländern "eine strukturelle Verschuldung von Null für 2020 vorzuschreiben". Über diese Regelung hatte es kurz vor der Bundestagsabstimmung im Mai erneute Diskussionen gegeben, als sich das SPD-Präsidium hinter einen Vorstoß von Brandenburgs Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) gestellt hatte, Ländern und Kommunen doch eine Verschuldung bis zu 0,15 Prozent des BIP zuzubilligen. Davon war nun keine Rede mehr; auch Brandenburg stimmte dem unveränderten Bundestagsbeschluss zu.
Steinbrück wertete die Verabschiedung der Reform als wichtiges Signal an die Kapitalmärkte und an die Bürger, gerade weil man "in der größten Wirtschafts- und Finanzkrise der letzten Jahrzehnte" stecke - ein Signal, "nach Überwindung dieser Krise auf den notwendigen Konsolidierungspfad im Umgang mit den öffentlichen Mitteln zurückzukehren". Parteiübergreifend, monierte der Finanzminister, würden die Ansprüche der Bürger unterschätzt, "mit dem öffentlichen Geld solide umzugehen".
Als richtig, notwendig und überfällig bezeichnete Niedersachsens Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) eine Schuldenbremse. Und Bremens Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne), deren Parteifreunde im Bundestag die Reform fast geschlossen abgelehnt hatten, sprach von einem "Meilenstein in der Finanz- und Wirtschaftspolitik Deutschlands" und zeigte sich "froh" über die Schuldenbremse.
Wie Steinbrück sah auch Günther Oettinger "gerade jetzt, in der Krise, den richtigen Zeitpunkt für eine langfristige Schuldenregel". Er verwies darauf, dass allein die Zinszahlungen für aufgelaufene Altschulden beim Bund im vergangenen Jahr bereits 15 Prozent des Bundeshaushaltes ausgemacht hätten. Bei der Reform habe man sich auf das Machbare konzentriert und lege nun ein mehrheitsfähiges Gesamtpaket vor. Damit sei "rechtzeitig vor Ende der Legislaturperiode eine Punktlandung erreicht" worden, freute sich der baden-württembergische Ministerpräsident und betonte mit Blick auf die Große Koalition, "dass vergleichbare Entscheidungen nach der Bundestagswahl keine Chance auf Mehrheitsfähigkeit im Bundestag oder Bundesrat" hätten. "Etwas Besseres zur Gesamtthematik" als das vorliegende Paket sei "in den nächsten Jahren nicht zu erwarten", sagte Oettinger.