EHEMALIGES JUGOSLAWIEN
Aufarbeitung und Versöhnung spielen kaum eine Rolle
Zehn Jahre liegt der Kosovo-Krieg zurück, der Bosnien-Krieg 15 Jahre. Das Schweigen der Waffen hat aber bis heute keinen echten Frieden, keine Versöhnung in der Region gebracht. In der Tagespolitik spielt das Thema Versöhnung kaum eine Rolle. "Von Generation zu Generation wird der Hass übertragen", sagte Ivo Josipovic, Kandidat der Sozialdemokraten (SDP) für die bevorstehenden Präsidentenwahlen in Kroatien.
Doch es gibt eine Gegenbewegung, die dem etwas entgegen setzen will. Vor fast vier Jahren haben drei Nichtregierungsorganisationen aus Serbien, Kroatien und Bosnien-Herzegowina die Initiative "Rekom", eine Art Wahrheitskommission, ins Leben gerufen. "Wir sind auf gutem Wege", sagt die bekannte Belgrader Menschenrechtlerin Natasa Kandic heute als eine der Hauptorganisatoren. Ziel der länderübergreifenden Initiative sei die Erstellung einer "Landkarte der Kriegsverbrechen als Lektion für die nachfolgenden Generationen".
Vor allem ein Vorhaben von Rekom wird kritisiert. So will die Organisation bis zum 10. Dezember 2010, dem Tag der Menschenrechte, eine Million Unterschriften sammeln, um die Parlamente und Regierungen der einzelnen Länder dazu zu zwingen, staatliche Wahrheitskommissionen einzurichten. Das ist vor allem wegen der finanziellen Ausstattung solcher Kommissionen wichtig. Rekom hat die Mittel dafür nicht. Die einflussreiche Menschenrechtsaktivistin und Präsidentin des Helsinki-Komitees in Serbien, Sonja Biserko bezeichnete den Plan nicht nur deshalb als aussichtslos. "Das Projekt des serbischen Nationalismus ist quicklebendig". In Serbien und Kroatien sei die Taktik der Täter auch heute noch, die "eigenen Verbrechen klein und die der anderen Seite gross zu reden". Erst einmal müsse in den jeweiligen Ländern die Vergangenheitsbewältigung beginnen.
Auch der kroatische Politikwissenschaftler Drazen Lalic ist skeptisch. Zwar müsse man Rekom unterstützen. "Aber das Sammeln von Unterschriften könnte sich als kontraproduktiv erweisen. Wir brauchen keine Massenaktionen. Die ganzen Kriege haben mit Massenaufläufen begonnen und die Menschen widersetzen sich heute solchen Aktionen." Die Kraft der Zivilgesellschaft auf dem Balkan sei sehr begrenzt.
Dragan Popovic, Direktor der "Initiative der Jugend für Menschenrechte" in Belgrad, verweist dagegen auf die schlechten Erfahrungen nach dem Zweiten Weltkrieg, als "alles unter den Teppich gekehrt wurde". "Das ist dann in den Bürgerkriegen der 1990er Jahre explodiert. Das darf uns nicht noch einmal passieren."