Thema
Erich Rathfelder
BOSNIEN
Hatidza Mehmedovic kämpft gegen das Vergessen
Wenn sie den Raum betritt, richten
sich alle Blicke auf sie. Dabei ist Hatidza Mehmedovic eigentlich
nicht charismatisch, schon gar keine Agitatorin. Die
57-jährige Frau strahlt eine natürliche Würde und
Entschlossenheit aus. Die Haare sind streng nach hinten gebunden.
Die Warmherzigkeit der Stimme ...
Robert Luchs
KAMBODSCHA
Vann Nath kann Tuol Sleng nicht vergessen
Wenn die Sonne hinter den
Dächern von Phnom Penh versinkt, kommt leichter Wind auf. Das
ist die Zeit für Vann Nath, die steilen Außentreppen
seines Hauses emporzusteigen, um auf der Dachterrasse die
kühleren Abendstunden zu verbringen. Der 65-Jährige macht
es sich in einer zerschlissenen Hängematte ...
Natascha Zupan
tRANSITIONAL JUSTICE
Plädoyer für ein umfassendes Verständnis von
Gerechtigkeit
Im Frühjahr 1992 entstand bei
den Vorbereitungen einer Konferenz zum Thema "Gerechtigkeit in
Zeiten des Umbruchs" ein Begriff, der wenige Jahre später
seinen Siegeszug um die Welt antreten sollte - "Transitional
Justice". Hinter diesem Begriff verbarg sich eigentlich nichts
Neues: Die kleine Gruppe ...
Alkimos Sartoros
GEDENKEN
In mehr als 500 deutschen Städten erinnern
»Stolpersteine« an die Opfer des
Nationalsozialismus
"Ein Mensch ist erst vergessen,
wenn sein Name vergessen ist." Dieses Credo hat den Künstler
Gunter Demnig dazu bewogen, im Jahr 2000 die sogenannten
Stolpersteine zu entwerfen, die er in seiner Heimatstadt Köln
und im Berliner Stadtteil Kreuzberg in Gehwegen verlegte. Zu lesen
sind auf den ...
Nicole Tepasse
ZENTRALE STELLE
NS-Verbrechern auf der Spur
Vor einem Jahr stand er noch auf
der Liste des Simon-Wiesenthal-Zentrums mit den zehn meistgesuchten
Kriegsverbrechern des Nationalsozialismus. Nun wird in drei Wochen,
am 30. November, vor dem Amtsgericht München der Prozess gegen
ihn beginnen: John Demjanjuk. Dass der 89-Jährige sich mehr
als 65 ...
Alkimos Sartoros
Prozesse nach dem Zweiten Weltkrieg
Der Prozess gegen 22 Hauptkriegsverbrecher vom 20. November 1945
bis zum 1. Oktober 1946 ist der bedeutenste der insgesamt 13
Nürnberger Prozesse nach dem Zweiten Weltkrieg. Der im
Nürnberger Justizpalast tagende Internationale
Militärgerichtshof war von den USA, ...
Alkimos Sartoros
Strafverfolgung Die Strafverfolgung
von Kriegsverbrechen durch internationale, nationale oder
sogenannte gemischte Strafkammern stellt den harten Kern des
Transitional Justice-Konzepts dar. Gerechtigkeit nach
innerstaatlichen Konflikten und Unrecht kann jedoch nicht allein
juristisch hergestellt ...
Annette Weinke
VÖLKERRECHT
Die Nürnberger Prozesse setzen bis heute geltende
Maßstäbe für die internationale
Strafgerichtsbarkeit
Als im Nürnberger Justizpalast
am 30. September und 1. Oktober 1946 die Urteile gegen die
deutschen "Hauptkriegsverbrecher" verkündet wurden, bedeutete
dies für alle Prozessbeteiligten ein Wechselbad der
Gefühle. Am ersten Sitzungstag hatte noch die deutsche
Verteidigung bejubelt, dass das alliierte ...
Interview
INTERVIEW
Der Regisseur Hans-Christian Schmid (»Der Sturm«)
über die schwierige juristische Aufarbeitung von
Kriegsverbrechen im früheren Jugoslawien durch das Den Haager
Tribunal
Herr Schmid, Ihr Film "Der Sturm"
läuft seit 10. September in den deutschen Kinos. Darin geht es
um einen fiktiven Prozess vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den
Haag. Wie haben Sie sich auf diesen Film vorbereitet? Mein
Drehbuchautor Bernd Lange und ich wussten vorher nur wenig
über das, was am ...
Nicole Tepasse
DEN HAAG
Der erste ständige Internationale Strafgerichtshof hat 2002
mit seiner Arbeit begonnen
Sie kamen am 29. September 2007
nach Sonnenuntergang. Rund eintausend Männer fielen in das
kleine Dorf Haskanita in der sudanesischen Krisenregion Darfur ein.
Ein Dorf, das unter dem Schutz einer Friedenstruppe der
Afrikanischen Union stand und in das sich mehrere tausend Menschen
geflüchtet hatten. ...
Sandra Ketterer
POSITIONEN
Die Fraktionen sind sich über die Bedeutung des
Internationalen Strafgerichtshofes einig. Sie wünschen ihm
mehr Durchsetzungskraft und Unterstützung
Die Bundesregierung hat an der
Ausarbeitung des Römischen Statuts, der völkerrechtlichen
Grundlage des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH), aktiv
mitgewirkt. Deutschland gehörte zu den ersten 60 Staaten, die
es ratifziert haben, sodass es 2002 in Kraft treten konnte.
Bundestag und Bundesrat ...
Holger Haibach (CDU) Der
Internationale Strafgerichtshof stellt eine wichtige Errungenschaft
im Umgang mit der Straflosigkeit schwerster Verbrechen dar, die die
"internationale Gemeinschaft als Ganzes" betreffen. Mit der
Errichtung des IStGH ist es den Vertragsstaaten gelungen,
Verbrechen gegen die ...
Christoph Strässer (SPD) Der
Internationale Strafgerichtshof steht für eine klare
Botschaft: Wer Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit
und Kriegsverbrechen begangen hat, muss bestraft werden. Selbst
amtierende Staatsoberhäupter dürfen bei solch schweren
Verbrechen nicht durch Immunität und ...
Burkhard Müller-Sönksen
(FDP) Der Internationale Strafgerichtshof ist das erste
ständige internationale Strafgericht zur Ahndung schwerster
Menschenrechtsverletzungen. Auch wenn sich Ermittlungen aufgrund
beschränkter Ressourcen auf politische Führungspersonen
beschränken müssen, entfaltet die ...
Michael Leutert (Die Linke)
Für das Bedürfnis nach der Ahndung schwerer
Verstöße gegen das Völkerrecht sind die
NS-Verbrechen nur das augenfälligste Beispiel. Der
Internationale Strafgerichtshof ist daher ein rechtlicher
Fortschritt, der weitreichende Folgen haben kann. Zum einen kann
die ...
Volker Beck (Bündnis 90/Die
Grünen) Der IStGH ist ein Meilenstein, um den universalen
Geltungsanspruch der Menschenrechte tatsächlich durchzusetzen
und die schwersten Verbrechen gegen die Menschenrechte zu
verfolgen. Bündnis 90/Die Grünen haben sich
frühzeitig für die Einrichtung und später für
die ...
Interview
RICHARD GOLDSTONE
Die Reaktion der USA und Israels auf seinen UN-Bericht zum
Gaza-Krieg haben den Juristen enttäuscht. Er fordert
gerichtliche Schritte gegen die Kriegsverbrecher auf beiden
Seiten
Am 26. Oktober hat vor dem
Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien mit Sitz in Den
Haag der Prozess gegen Radovan Karadzic begonnen. Hätten Sie
das noch für möglich gehalten, nachdem Sie bereits 1995
als erster Chefankläger des Jugoslawientribunals Karadzic
zusammen mit Ratko Mladic angeklagt ...
Marc Engelhardt
RUANDA
Fast 9.000 Gerichte arbeiten den Völkermord auf
traditionelle Weise auf
In Kanyampereri haben sich gut 150
Schaulustige versammelt. In dem kleinen Bergdorf im Norden Ruandas
hat ein Laienrichter seinen Verhandlungstisch mitten auf dem Rasen
aufgestellt. Daneben grasen Ziegen, einige Hühner laufen
aufgeregt gackernd umher. Vor den Augen der jungen Mütter, der
Bauern, ...
Carsten Stormer
UGANDA
Der Internationale Strafgerichtshof fahndet nach Joseph Kony.
Währenddessen kämpfen seine Opfer für ihre
Wiedereingliederung in die Gesellschaft
Okumu Francis war neun, als er zum
ersten Mal tötete. Barfuss, rosa Hemd, dunkle, kurze Hose
sitzt er in einer verlassenen Lehmhütte in der kleinen
Ortschaft Kitgum, im Norden Ugandas. Es riecht nach Exkrementen und
verfaulendem Müll. Die Mittagshitze lässt die Luft
flirren. Halbnackte Kinder ...
Susann Kreutzmann
SÜDAMERIKA
Mit Wahrheitkommissionen sollen die Verbrechen der
Militärdiktaturen aufgeklärt werden
In einer ruhigen Seitenstraße
im Zentrum von Paraguays Hauptstadt Asunción steht das
weiß gestrichene Haus im spanischen Kolonialstil. Das Tor
steht offen und eine Bank im Vorgarten lädt zum Verweilen ein.
Doch die Idylle trügt. Hinter der schmucken Fassade hatte sich
fast 40 Jahre eines der ...
Thomas Brey
EHEMALIGES JUGOSLAWIEN
Aufarbeitung und Versöhnung spielen kaum eine Rolle
Zehn Jahre liegt der Kosovo-Krieg
zurück, der Bosnien-Krieg 15 Jahre. Das Schweigen der Waffen
hat aber bis heute keinen echten Frieden, keine Versöhnung in
der Region gebracht. In der Tagespolitik spielt das Thema
Versöhnung kaum eine Rolle. "Von Generation zu Generation wird
der Hass übertragen", ...
Interview mit Biljana Kovacevic-Vuco,
Präsidentin des Juristen-Komitees für Menschenrechte,
Belgrad
Frau Kovacevic-Vuco, warum hat sich
bei der Aufarbeitung der Kriege der 1990er Jahre im ehemaligen
Jugoslawien bisher so wenig getan? Weil es keinen Konsens über
den Charakter der Kriege gibt. Für Serbien heißt das
konkret, dass die Mehrheit weiter meint, sie sei Opfer des Zerfalls
von Jugoslawien ...
Kata Kottra
MITTELEUROPA
Die Akten der kommunistischen Geheimdienste werden geöffnet
- und instrumentalisiert
Im Essay "Der fremde Blick"
schildert die Nobelpreisträgerin Herta Müller eine
Episode aus ihrer Studentenzeit in der rumänischen Stadt
Temeswar. Damals verfolgte sie schon der kommunistische
Geheimdienst der Ceausescu-Diktatur als Oppositionelle. Sie
schildert: "Nach langem Überlegen kaufte ich mir ...
Sandra Ketterer
ENQUETE-KOMMISSIONEN
Ihre Arbeit sollte zur Rehabilitierung der Opfer beitragen
Sechs Jahre dauerte sie; hunderte
von Zeitzeugen wurden gehört - die Enquete-Kommissionen des
Bundestages, die sich mit der Aufarbeitung von Geschichte und
Folgen der SED-Herrschaft und mit deren Überwindung im Prozess
der deutschen Einheit beschäftigten. Das am 12. März 1992
einstimmig beschlossene ...
Interview mit Richard Wagner,
Schriftsteller
Als Angehöriger der deutschen
Minderheit und als oppositioneller Schriftsteller wurden Sie
während des Ceaucescu-Regimes verfolgt. Wie haben Sie die
Repressionen der Securitate persönlich erlebt? Wir hatten in
den 1980er Jahren einen Literaturkreis. Die Securitate ist gegen
uns vorgegangen und hat ...
Birgit Svensson
IRAK
Unter Saddam Hussein wurden Kurden und Schiiten
unterdrückt, verfolgt, ermordet. Diese Zeit wird nun
aufgearbeitet
Schon vor dem Abflug aus dem
kurdischen Erbil herrscht nervöse Anspannung, die sich
steigert, je mehr sich das Flugzeug der südirakischen Stadt
Nadjaf nähert. Besonders die weiblichen Passagiere entwickeln
eine rege Geschäftigkeit, probieren Tücher an,
verschleiern sich. Manche hüllen sich gar in ...
Gisela Dachs
GAZA-KRIEG
Die israelische Nichtregierungsorganisation Showrim Shtika
veröffentlicht Aussagen von israelischen Soldaten über
ihren Einsatz in den Palästinensergebieten
Yehuda Shaul wirkt älter als
er ist. Das mag an seinem Vollbart liegen, dem massiven
Körperbau und dem eher beschwertem Gang. Es ist drückend
schwül an diesem Tag Anfang Juli 2009, als er sich von
Jerusalem mit dem Bus nach Tel Aviv aufmacht, um auf den
jüngsten Bericht seiner Organisation "Showrim ...
Claudia Blecker/Lukas Vogel
Kurden und Schiiten im Irak 1982:
Massaker an Schiiten im Dorf Dudschail mit mehr als 140
Getöteten; Frauen und Kinder werden deportiert und jahrelang
in einem Internierungslager in der Wüste festgehalten. 1983:
Ermordung tausender Mitglieder des kurdischen Stammes Barasin.
Februar bis September ...
Julica Jungehülsing
AUSTRALIEN
Nach und nach erhalten die Aborigines
Rechte an dem Land zurück, das sie ursprünglich
besiedelten
Jede politisch korrekte
Veranstaltung in Sydney - ob Filmfest oder Parlamentsrede - beginnt
derzeit mit dem Satz "Ich anerkenne das Gadigal-Volk als
traditionelle Besitzer im Land der Eora-Nation …" . Erst
dann geht man zur Tagesordnung über. Ein symbolischer Akt, der
die Landrechte der indigenen ...
Martin Dahms
SPANIEN
Zehntausende Franco-Opfer liegen irgendwo verscharrt - die
Regierung tut nichts
1936 stürzten
aufständische Militärs um den General Francisco Franco in
Spanien die Zweite Republik in einen Bürgerkrieg, den sie mit
Hilfe des faschistischen Italiens und Hitler-Deutschlands drei
Jahre später gewannen. In den ersten Jahren nach seinem Sieg
führte Franco ein Terrorregiment, dem ...
Malte Arnsperger
SKLAVEREI
Eine Aufarbeitung des Unrechts hat in den USA bis heute nicht
stattgefunden
Es war ein historisches Ereignis:
Am 18. Juni 2009, rund 150 Jahre nach Ende der Sklaverei,
entschuldigte sich der US-Senat erstmals offiziell bei der
schwarzen Bevölkerung für das damals geschehene Unrecht.
"Wir sind stolz auf diese Resolution. Sie ist
überfällig", sagte US-Senator Tom Karkin nach ...
Alkimos Sartoros
TÜRKEI/ARMENIEN Mehr als
hundert Jahre lang standen sie sich feindselig gegenüber, doch
in den vergangenen Monaten haben sich Armenien und die Türkei
langsam angehnähert. Am 10. Oktober unterzeichneten beide
Seiten auf neutralem Boden in Zürich zwei Protokolle zur
Normalisierung der Beziehungen. ...
Sanfra Ketterer
KANA Wenn am 12. Februar 2010 die
Olympischen Winterspiele im kanadischen Vancouver beginnen, dann
wird die Welt auch auf Tewanee Joseph blicken. Denn der ehemalige
leidenschaftliche Lacrosse-Spieler - eine Ballsportart aus
Kampftraining und einer Zeremonie der Ureinwohner - ist
Repräsentant der ...
Matthias Knecht
TEIL-AMneSTIE
Die kolumbianische Jusitz geht gegen die Verantwortlichen des
Bürgerkriegs vor
Auf den ersten Blick ist Mario
Iguarán keiner, dem man zutraut, ein ganzes Land
aufzuwühlen und selbst den Präsidenten in Bedrängnis
zu bringen. Der kolumbianische Spitzenjurist besticht durch
ausgesuchte Höflichkeit und freundlichen Blick. Ende Juli
schied er turnusgemäß aus dem Amt des ...
Manfred Öhm
PRO
Amnestie kann neue Gewalt verhindern und politische
Stabilität schaffen
Nach gewalttätigen Konflikten
sind Amnestieregelungen oft das Gebot der Stunde, um Frieden zu
sichern. Allerdings ist eine Amnestierung von Verantwortlichen
für schwere Menschenrechtsverletzungen immer kontrovers und
geht immer zulasten von Opfern und Angehörigen. Warum also
amnestieren? Nach dem ...
Leonie von Braun
CONTRA
Eine strafrechtliche Verfolgung macht Frieden überhaupt
erst möglich
Obwohl das Völkerrecht
mittlerweile eine Pflicht zur Strafverfolgung schwerster
Menschenrechtsverletzungen vorschreibt, wird bis heute nur ein
Bruchteil der Verbrechen, die als Völkermord, Verbrechen gegen
die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen gelten, tatsächlich
auch geahndet. Das römische Statut ...
Andrea Jeska
RUANDA
Dem Völkermord vor 15 Jahren fielen einst eine Million
Menschen zum Opfer. Ein Radioprojekt kämpft gegen
alte Vorurteile und versucht, Opfer und Täter miteinander
zu versöhnen
Im Redaktionsraum von Radio Heza
hält Furaha Hakizimana die Hände über die
Kopfhörer auf ihren Ohren. Die 23-Jährige hört sich
ein Interview an, das sie am Morgen mit Jugendlichen zum Thema "Die
Zukunft Ruandas" geführt hat. Draußen auf dem Sportplatz
schreien die Anhänger zweier Fußballteams, im ...
Arnfrid Schenk
SCHULBUCH
Israelis und Palästinenser haben an einem gemeinsamen
Lehrbuch gearbeitet. Die unterschiedlichen Sichtweisen historischer
Ereignisse stehen darin nebeneinander
Dass die Wende in seinem Leben
ausgerechnet in einem israelischen Gefängnis beginnt, ist eine
ganz besondere Pointe an dieser Geschichte. Sami Adwan, Professor
für Erziehungswissenschaften der Universität Bethlehem,
erzählt oft davon. Geboren 1954 in einem Dorf nahe Hebron im
Westjordanland, ...