Berlin: (hib/SUK) Für heftige Diskussionen im Umweltausschuss sorgte am Mittwochmorgen ein Bericht des Bundesumweltministers Sigmar Gabriel (SPD) zum Störfall im schwedischen Atomkraftwerk Forsmark im vergangenen Juli und der Frage, ob ein ähnlicher Störfall auch in einem deutschen Atomkraftwerk möglich ist. Gabriel hatte zunächst erläutert, wie es zu dem Störfall in Forsmark gekommen war: Nach einem Kurzschluss in einem externen Stromnetz sei es zu einer "Verkettung mehrerer Fehler" gekommen, die letztlich eine Schnellabschaltung des Atomkraftwerkes (AKWs) nötig gemacht hätten, bei der zwei von vier Notstromaggregaten ausgefallen seien, weil so genannte Wechselrichter ausgefallen seien.
Wie nahe man in Forsmark einem "Kernschmelzunfall" gekommen sei, sei nicht vollständig geklärt. Der Störfall in Forsmark habe die Frage nach einer "Übertragbarkeit auf deutsche Kraftwerke" aufgeworfen. Das Bundesumweltministerium (BMU) sei zu der Überzeugung gelangt, dass alle Anlagen sicherheitsüberprüft werden müssten und habe im August dieses Jahres gemeinsam mit den Aufsichtsbehörden der Länder die Betreiber der deutschen Atomkraftwerke dazu aufgefordert, "eine detaillierte und geschlossene Dokumentation" über ihre Systeme der Notstromversorgung vorzulegen. Ebenfalls im August habe sich herausgestellt, dass das AKW Brunsbüttel anders als von der Betreiberin Vattenfall zunächst dargelegt, wie Forsmark Wechselrichter einsetzt. Vattenfall habe erklärt, dass die Gleichstromversorgung in Forsmark nicht auf Brunsbüttel übertragbar sei, ein vollständiger technischer Nachweis sei jedoch noch nicht erbracht. Gabriel betonte, die Bundesaufsichtbehörde "bestehe" auf einem solchen Nachweis und habe dafür eine Frist bis zum 20. September gesetzt. Gutachter und Aufsichtsbehörden seien aber zu dem Schluss gekommen, es gebe derzeit in Brunsbüttel keinen "Zustand, aus dem sich Gefahren ergeben".
Dieser Einschätzung widersprach die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vehement: Zum Schutz der Bevölkerung müsse das AKW Brunsbüttel abgeschaltet werden. In den vergangenen Wochen habe sich gezeigt, dass es bei den Informationen durch Vattenfall "Defizite, Falschinformationen und scheibchenweise Informationen" gegeben habe. Damit seien Zweifel angebracht, ob Vattenfall überhaupt in der Lage sei, vollständige Sicherheitsüberprüfungen vorzunehmen. Die Betreiberin habe die Aufsichtsbehörden "an der Nase herumgeführt". Die Reaktion des BMU darauf sei "nicht angemessen". Auch die Linksfraktion betonte, Vattenfall habe schon im Jahr 2002 bei Problemen mit einer Rohrleitung "nicht die volle Wahrheit gesagt". Das Atomgesetz sehe vor, einem Antragsteller die Genehmigung zum Betrieb eines AKWs nicht zu erteilen, wenn es Bedenken bezüglich seiner Zuverlässigkeit gebe. Dies sei hier der Fall. Zudem gelte, dass Atomkraftwerke weder heute noch in der Vergangenheit sicher gewesen seien.
Gabriel widersprach diesen Einlassungen vehement: Man sei nicht an der Nase herumgeführt worden. Dass Vattenfall seine falschen Aussagen korrigiert habe, sei Beweis dafür, dass das Bestehen der Behörden auf umfassenden Darstellungen funktioniere. Sollten die Bündnisgrünen die Diskussion in dieser Art und Weise fortführen, könne und werde er "dutzende Beispiele" dafür anführen, dass auch der ehemalige grüne Umweltminister Jürgen Trittin trotz bestehender Mängel den Weiterbetrieb verschiedener AKWs genehmigt und sich damit "rechtskonform" verhalten habe. Wer den Atomausstieg wolle, müsse absolute Seriosität im Handeln der Atombehörden sicherstellen. Forderungen nach einem Abschalten des AKWs seien "rechtswidriges Verhalten" und provozierten Schadenersatzklagen.
Deutscher Bundestag, PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
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