BUNDESWEHRTRADITION
Neue Dokumente entzerren das Bild des Jagdfliegers Mölders
Über kaum einen Angehörigen der Wehrmacht gehen die Meinungen heute so auseinander wie über den Jagdflieger Werner Mölders. Für den Bundeswehr-Offizier Jürgen Rose gehört Mölders zu den "Söldnertypen, reinen Handwerkern des Krieges und Auftragskillern". Der frühere Luftwaffen-Inspekteur Johannes Steinhoff charakterisierte Mölders dagegen als einen "bis zu seinem Tode gradlinigen und aufrichtigen Offizier, der jederzeit Vorbild für seine Untergebenen war". Das Verteidigungsministerium zog 2005 die Konsequenzen aus einem sieben Jahre zuvor gefassten Bundestagsbeschluss und einem Gutachten des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes (MGFA) und tilgte den Namen Mölders aus der Bundeswehr. Das Luftwaffen-Jagdgeschwader Mölders wurde entnamt und heißt heute nur noch "JG 74".
Die Entscheidung löste einen Sturm der Empörung in Truppe und Öffentlichkeit aus. In dem erbitterten Streit wurden auch neue Fakten über den 1941 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommenen Mölders bekannt. Der Völkerrechtler, ehemalige Jet-Pilot und frühere stellvertretende Kommandeur der Führungsakademie der Bundeswehr, Hermann Hagena, hat Vorwürfe, Theorien und Fakten im Streit um Mölders zusammengetragen und dabei viel in der Öffentlichkeit noch nicht bekanntes Material über den Flieger zu Tage befördert.
Der Bundestag hatte aus Anlass des 60. Jahrestages der Bombardierung der Stadt Guernica gefordert, Angehörigen der im spanischen Bürgerkrieg kämpfenden deutschen "Legion Condor" kein ehrendes Andenken mehr zu erweisen. Mölders gehörte zu Legion, war aber nicht an dem Angriff auf Guernica beteiligt.
Über Mölders wurde jedoch regelmäßig auch vom Verteidigungsministerium in Berlin verbreitet, er sei an Luftangriffen auf Zivilisten beteiligt gewesen. Besonders oft war von der Zerstörung der Stadt Corbera durch die "Legion Condor" die Rede. Hagena weist in seiner umfangreichen tagebuchähnlichen Darstellung der Schlacht um den Ebrobogen nach, dass Corbera von Artillerie zerstört war, als die Flugzeuge der Legion dort kämpften. Er zog Unterlagen des Auswärtigen Amtes und die Untersuchungsberichte des Völkerbundes hinzu und kommt zu dem Ergebnis, "dass die Legion Condor ihren Bombenluftkrieg während der Ebroschlacht auf ,legitime' Ziele (Häfen, Bahnhöhe, Brücken) konzentrierte".
Eine besondere Rolle im Mölders-Streit spielte das MGFA-Gutachten, das angeblich neue Erkenntnisse brachte, die zur Entnamung des Geschwaders führten. Hagana weist dem MGFA oberflächliche Recherche, falsche Angaben und lediglich eine Umbewertung längst bekannter Quellen zu Lasten von Mölders nach. Wie schlampig beim MGFA gearbeitet wurde, zeigt sich an der Angabe, über Spanien seien 21 Millionen Tonnen Bomben abgeworfen worden. Das wären drei Mal so viele Bomben wie im gesamten Zweiten Weltkrieg gewesen.
Hagena legt darüber hinaus neue Dokumente über Mölders' katholischen Glauben und seine Unterstützung für Juden in Magdeburg, wo der Flieger zur Schule gegangen war, vor. Wenn das Gutachten davon spricht, Mölders sei durch "Gehorsam, Pflichtbewusstsein und Opferwilligkeit" veranlasst worden, wie "die deutschen Katholiken" für Hitler zur Waffe zu greifen, so beschreibt Hagena Mölders als Menschen, der eng mit dem Münsteraner Bischof von Galen, einem entschiedenen Gegner des Nazi-Regimes, verbunden war. So belegt das 2006 aufgefundene Tagebuch eines Kaplans, der bei von Galen arbeitete, den Einsatz des Fliegers bei Hitler für den Bischof, der im Volk den Namen "Der Löwe von Münster" trug.
Hagenas Absicht war eine Widerlegung des MGFA-Gutachtens. Herausgekommen ist weit mehr: eine Biografie mit wichtigen neuen Dokumenten und im Endergebnis auch die innenpolitische Rehabilitation des Jagdfliegers.
Jagdflieger Werner Mölders. Die Würde des Men-schen reicht über den Tod hinaus.
Helios Verlag, Aachen 2008; 229 S., 19,90 ¤