Roman
Eine Aufarbeitung des Völkermords in Ruanda
Heute steht fest, es waren eine Millionvierundsiebzigtausend undsiebzehn Menschen, Tutsis und gemäßigte Hutus, die während des Völkermords 1994 in Ruanda getötet worden sind. Zehntausend an jedem Tag. So war das. Vierhundert in jeder Stunde. So war das. Sieben Ermordete in jeder Minute. Während einhundert Tagen." Die Bilanz des Grauens ist erschütternd.
Es sind jedoch nicht nur die Zahlen die aufhorchen lassen, sondern auch weitere Details, die Rainer Wochele in seinem Roman "Der General und der Clown" über das dunkelste Kapitel der jüngsten afrikanischen Geschichte zu erzählen weiß. Sei es über das blutrünstige Abschlachten, die Berge von Toten oder die Hilflosigkeit der UN-Blauhelmsoldaten. Die Bilder lassen sich nicht einfach aus dem Kopf verbannen. Das muss der Leser ebenso unzweifelhaft erfahren, wie die Hauptfigur Generalleutnant John F. Geisreiter.
"Afrika hat uns kaputt gemacht", sagt er einmal. Und so findet der schwer traumatisierte Mitfünfziger nach seiner Rückkehr aus dem ruandischen "Schlachthaus" nicht mehr ins normale Leben zurück. "Unmotivierte Aggressivität" und das "ewige Gerede von aufgeschichteten Leichen, zerhackten Leibern" lassen seine Ehe scheitern. Schließlich reist der Kanadier mit deutschen Wurzeln ins badische Markgräflerland.
Dort stellt er sich den Dämonen in seinem Kopf und schreibt die schrecklichen Erlebnisse nieder. Doch die Schuldgefühle, versagt zu haben, lassen ihn nicht los. Völlig unvermittelt naht mit der jungen, humorvollen Lissy Brändle, einer resoluten Friedensaktivistin, Rettung. Der Anfang einer zarten Liebesgeschichte, die ein überraschendes Ende findet.
Bei den Schilderungen der Geschehnisse in Afrika stützt sich der Stuttgarter Autor größtenteils auf den Tatsachenbericht "Handschlag mit dem Teufel" des ehemaligen kanadischen Befehlshabers der UN-Mission Roméo Dallaire. Knallhart recherchierte Fakten stehen so neben frei erfunden Charakteren oder Handlungssträngen. Das macht den Reiz der Erzählung aus, ebenso wie die erfrischende, weil eigentümliche Sprache.
Wochele hat ein bewegendes Buch über den ruandischen Völkermord und die seelischen Narben der zum Zuschauen verdammten Blauhelme geschrieben. Er thematisiert das Unbegreifliche, die abgrundtiefe Bösartigkeit des Menschen, ebenso wie das Versagen der internationalen Gemeinschaft. Ein Verzeihen und Vergessen kann es nicht geben, nur ein Lindern der Schuldgefühle durch die Kraft der Liebe.
Der General und der Clown. Roman.
Klöpfer & Meyer, Tübingen 2008; 403 S., 22,50 ¤