Wer Beate Bork ans Telefon bekommen will, hat die Wahl: Er kann eine Nummer in Berlin anrufen - oder eine in Wiesbaden. In beiden Fällen bekommt er dieselbe Frau ans Telefon, die in beiden Fällen im siebten Stock des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses in Berlin sitzt. Dort arbeitet Bork für den Deutschen Bundestag - ohne jedoch Parlamentarierin oder Bundestagsmitarbeiterin zu sein. Ihr Arbeitgeber sitzt in der hessischen Landeshauptstadt und kann etwas, worauf Parlamentarier tagein, tagaus angewiesen sind: Solide und zuverlässige Daten und Fakten liefern, und zwar fix.
Beate Bork arbeitet in der Berliner Außenstelle des Statistischen Bundesamtes: dem "i-punkt Berlin". Dort ist sie für den Bundestagsservice zuständig: mit einem Büro inmitten des parlamentarischen Betriebs und nur zwei Türen entfernt von der wissenschaftlichen Hotline. Die Hotline W steht den Abgeordneten und Ausschüssen das ganze Jahr für wissenschaftlich fundierte Informationen zur Verfügung. Betreffen diese die amtliche Statistik, reichen die Mitarbeiter die Frage weiter - an Beate Bork. Das ist aber nicht alles. Rund jedes dritte der gut 600 Abgeordnetenbüros ruft regelmäßig bei ihr an. Mit Fragen, deren Bandbreite kaum größer sein könnte. Der eine will von ihr wissen, wie viele Kinder unter drei in welchem Bundesland in eine Kita gehen; der nächste möchte eine Kurve von der Entwicklung der Renten in den vergangenen 50 Jahren; der dritte fragt, wie viele Haushalte in Deutschland einen Internetzugang haben. In jedem Fall wird Bork aktiv, und zwar schnell. "Halbe Stunde, Stunde", sagt sie, "länger sollte es nicht dauern, bis ich die Antwort parat habe."
Wenn sie Glück hat, genügt ein Blick in die hauseigene Datenbank. Die Mitarbeiter des Bundesamtes und der 14 Landesämter erstellen jährlich mehrere hundert Statistiken, die für Politik und Gesellschaft von Bedeutung sind. In komplexeren Fällen greift Beate Bork zum Telefonhörer und bittet ihre Kollegen in Wiesbaden und Bonn um schnelle Amtshilfe. Die greifen dann zwar auch auf Zahlenwerke zurück, werten sie im Zweifel aber neu aus. Zum Beispiel dann, wenn jemand wissen möchte, wie viele alleinerziehende Mütter von Kindern unter 12 Jahren in Deutschland in Teilzeit arbeiten. "Unsere Statistiken unterscheiden zwischen Kindern unter sechs und unter 18 Jahren", erklärt Beate Bork, "würden Informationen über ein anderes Alter gewünscht, würden wir aber sofort überprüfen, ob wir sie dennoch liefern können, indem wir zum Beispiel das, was wir an Daten haben, neu kombinieren." Wer aus dem Eiltempo der studierten Statistikerin schließt, dass der Bundestag bevorzugt behandelt wird, liegt richtig. "In ihrer Rolle als Gesetzgeber sind die gewählten Vertreter des Volkes unsere wichtigsten Kunden", erklärt Thomas Krebs, Referatsleiter des Statistischen Bundesamtes in Berlin und der Vorgesetzte von Beate Bork. Auch er verbringt einen Teil seiner Arbeitszeit im Bundestag. Daneben arbeitet er im mit rund 20 Mitarbeitern besetzten "i-Punkt Berlin-Büro", dem Ansprechpartner für die Bundesregierung, für Ministerien und ausländische Botschaften, Verbände und Organisationen. Der i-Punkt ist auch die amtliche bundesweite Informationsstelle für europäische und internationale Statistik. Sie ist für jeden Bürger da: Wer sich für die Statistiken des Bundesamtes interessiert oder Fragen dazu hat, findet Informationen und Ansprechpartner auf der Internetseite www.destatis.de
Begonnen hat der Einzug der Statistiker in den Bundestag mit gelegentlichen Besuchen. Seit den 1970er Jahren sammelte eine Mitarbeiterin des Bundesamtes lange Zeit nur einmal wöchentlich im Parlament Aufträge ein. Ein Büro im Bundestag bezog das Amt erst nach dem Umzug nach Berlin. Währenddessen zogen die meisten Statistiker, die zu Mauerzeiten hier ansässig waren, im Zuge des Bonn-Berlin-Ausgleichs in die alte Hauptstadt um. Beate Bork hatte Glück: Mit der Einrichtung des "i-Punktes-Berlin" konnte sie dort bleiben, wo sie lebte.