MEXIKO
Bei der Parlamentswahl hat die konservative Partei (PAN) von Präsident Felipe Calderón unerwartet deutliche Verluste erlitten. Stärkste Kraft ist die einst regierende PRI
Rund 74 Millionen Wahlberechtigte waren am 5. Juli in Mexiko aufgerufen, die 500 Abgeordneten für die untere Kammer, das Abgeordnetenhaus, zu wählen. Als stärkste Partei ging daraus überraschend die oppositionelle PRI ("Partei der Institutionalisierten Revolution") hervor. Sie verfügt vomBeginn der neuen Legislatur im September an über 241 Mandate (bisher: 103), so die noch vorläufigen Berechnungen vom 9. Juli. In der Wählergunst eingebrochen ist die bisher stärkste Partei, die PAN ("Partei der Nationalen Aktion"). Sie verfügt nun über 147 Mandate (bisher 206).
Die Abgeordnetenkammer wird alle drei Jahre neu gewählt. Unverändert blieb die obere Kammer, der Senat. Er wird alle sechs Jahre neu bestimmt, zusammen mit dem Präsidenten. Im Senat hat die PAN weiter die einfache Mehrheit, mit 54 der 128 Sitze, weit vor allen anderen Parteien. "Das ist ein schwerer Rückschlag für die PAN, der den Präsidenten schwächt und ihn dazu zwingt, sich seinen Gegnern anzunähern", sagte der Politologe Pablo Javier Becerra. Die Opposition wird in den verbleibenden dreieinhalb Amtsjahren Calderóns von ihm gewünschte Reformvorhaben erschweren. Dazu zählt die Teilprivatisierung des unproduktiven staatlichen Ölmonopolisten Pemex, der nahezu zur Hälfte die Staatskasse Mexikos speist. Analysten führten Calderóns Schlappe auf drei Ursachen zurück. Erstens wusste er der schlechten Wirtschaftslage nichts entgegenzusetzen, nachdem die US-Rezession Mexiko besonders hart traf. Zweitens gelang es Calderón nicht, die Sicherheitslage in Mexiko zu verbessern. Drittens zeigt Calderón parteiintern dieselben autoritären Tendenzen, die die PRI einst in Verruf brachten. Er ließ ihm genehme Kandidaten nominieren und degradierte die Parlamentsfraktion zum Statisten. "Wenn es einmal ein Projekt der Transition in Mexiko gab, dann ist es gescheitert", fasste der linksgerichtete Kommentator Marco Rascón die Wahl zusammen. Im Jahr 2000 beendete die PAN mit der Wahl von Vicente Fox zum Präsidenten die zuvor 71 Jahre währende Herrschaft der PRI. Sie war von Kritikern als "perfekte Diktatur"" gebrandmarkt worden, denn die PRI hielt sich zuletzt mit autoritären Maßnahmen und Wahlbetrug über Wasser. Doch die von der PAN angestrebte Modernisierung des Landes gelang nicht. "In ihren neun Jahren an der Macht haben die Präsidenten Fox und Calderón aus der PAN eine schlechte Kopie der PRI gemacht", schrieb der konservative Politkommentator Ricardo Alemán.
Die Rückkehr der Wähler zur PRI kam einem Erdrutsch gleich. Auf breiter Front gewann sie auch bei den gleichzeitig abgehaltenen Teilwahlen für mehr als 1.000 politische Ämter auf Ebene der 32 Bundesstaaten und 2.438 Kommunen. Unfreiwillig zum Triumph der PRI beigetragen hat die bisher zweitstärkste Kraft im Parlament, die PRD ("Partei der Demokratischen Revolution"). Sie verfügt nur noch über 72 Mandate (bisher 160). "Mexikos Linke ist am Punkt des Ruins", schrieb Alemán. Noch 2006 hätte die PRD fast die Präsidentschaft gewonnen. Ihr Kandidat Andrés Manuel López Obrador unterlag um Haaresbreite Calderón. Doch Obrador räumte seine Niederlage nie ein, verbot der Parlamentsfraktion konstruktive Arbeit und verlegte die Opposition auf die Straße, zum Unmut von Partei und Bürgern. Alemáns Fazit: "López Obrador ermordete die PRD. Und auf ihrem Kadaver bereitete er den Weg für die Rückkehr der PRI." Dass viele mexikanische Wähler mit keiner der insgesamt zehn aktiven politischen Parteien des Landes zufrieden sind, zeigte der große Anteil der ungültigen Stimmen. Er lag mit rund sechs Prozent fast doppelt so hoch wie sonst üblich.