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Fassade ohne Funktion

Polizisten im abgebrannten Plenarsaal des Reichstagsgebäudes am 28. Februar 1933
Der abgebrannte Plenarsaal am 28. Februar 1933
© Picture-Alliance/IMAGNO/Austri

Vom Brand bis zum Zusammenbruch

Es ist wie ein Fanal, als am Abend des 27. Februar 1933 der Reichstag in Flammen steht — die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten liegt knapp vier Wochen zurück. Das als Instrument für den Weg zur Macht genutzte, aber in seiner Funktion von den nazionalsozialistischen Abgeordneten stets bekämpfte Parlament hat nun auch äußerlich sichtbar großen Schaden genommen. Am Tatort wird der niederländische Kommunist Marinus van der Lubbe festgenommen. Er will den Brand „aus Protest” gelegt haben. Die neuen Machthaber konstruieren die Theorie einer kommunistischen Verschwörung. Schon am nächsten Tag wird die sogenannte Reichstagsbrandverordnung erlassen, die die Grundrechte der Weimarer Verfassung außer Kraft setzt und der Willkürherrschaft der Nationalsozialisten Tür und Tor öffnet. Innerhalb von wenigen Wochen werden rund 40.000 politische Gegner verhaftet oder ermordet.

Trotz der beispiellosen Welle von Verhaftungen und obwohl kommunistische und sozialdemokratische Zeitungen nicht mehr erscheinen dürfen, verfehlen die Nationalsozialisten bei den Reichstagswahlen im März 1933 mit 43,9 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit. Doch der Fahrplan zur Zerstörung der Demokratie läuft weiter. In der Krolloper, die dem ausgebrannten Reichstagsgebäude gegenüber liegt, besiegeln die nationalsozialistischen Abgeordneten mit den Stimmen der bürgerlichen Parteien (unter anderem DNVP, Zentrum und BVP) das Ende der Demokratie: Unter massivsten Einschüchterungen, gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und unter Ausschluss der untergetauchten, verhafteten oder ermordeten kommunistischen Abgeordneten beschließt der Reichstag das „Ermächtigungsgesetz”, jenes „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich”, das es Reichskanzler Adolf Hitler ermöglicht, neue Gesetze, Gesetzes und Verfassungsänderungen ohne Zustimmung des Parlaments zu beschließen.

Sowjetische Soldaten mit roter Fahne auf dem Reichstagsgebäude Anfang Mai 1945
Sowjetische Soldaten auf dem Reichstagsgebäude Anfang Mai 1945
© Picture-alliance/akg-images
Der in der Krolloper tagende Reichstag wird zum Akklamationsinstrument, das dem Reichskanzler nach Belieben die Kulisse für bejubelte Auftritte bietet. Im Plenum die uniformierten NS-Abgeordneten, hinter dem Rednerpult das Hakenkreuz und dazwischen der „Führer”, der an dieser Stelle den Anschluss Österreichs verkündet oder den USA den Krieg erklärt. Das Parlament ist zur bloßen Staffage verkommen. Es wird einberufen, wenn die Verfassung wieder ein Stück weiter ausgehöhlt werden soll. Etwa dann, als sich Hitler außer Gesetzgebung und Exekutive auch die letztentscheidende Rechtsprechung („oberster Gerichtsherr”) einverleibt. Oder wenn es in die Parteitagsdramaturgie passt, so zum Beispiel 1935 in Nürnberg, als die sogenannten Rassengesetze „verabschiedet” wurden. Um so mehr verwundert es, dass die siegreichen Rotarmisten in den letzten Kriegstagen ausgerechnet das Reichstagsgebäude für das Symbol der NS-Herrschaft halten: Nicht auf der Reichskanzlei, nicht auf der Krolloper, dem Sitz des „Parlaments” in der NS-Diktatur, hissen sie Ende April 1945 die Sowjetfahne zum Zeichen des Sieges — sondern auf dem verwaisten Reichstagsgebäude. Von den 1.104 im Jahr 1933 lebenden Reichstagsabgeordneten, die nicht der NSDAP angehören, werden während der NS-Herrschaft 774 verfolgt, mehr als hundert kommen ums Leben. So steht der Reichstag bereits 1945 symbolisch für das deutsche Volk, das vernichtend geschlagen und besiegt ist. 

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Erschienen am 24. September 2008

Weitere Informationen:

Nationalsozialismus
Informationen zum Reichstagsbrand und zur Zeit des NS-Regimes unter:
www.dhm.de/lemo/html/nazi


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