Buntes Treiben herrscht auf dem Rathausvorplatz in Witten. Es ist zehn Uhr morgens, heute ist Markt. Obst- und Gemüsestände reihen sich aneinander, Fleisch, Wurst und Käse werden verkauft. Während die Marktfrauen eifrig die Taschen ihrer Kunden füllen, bereitet sich André Riemer auf die ersten Besucher vor: Die Treppe des Infomobils ist schon ausgeklappt, drinnen stehen die blauen Stühle bereit, und an der Infotheke hat er die Broschüren und CD-ROMs über den Deutschen Bundestag schon ausgelegt.
Jedes Jahr von März bis Oktober ist das Infomobil des Bundestages unterwegs. Dieses Jahr tourt es durch Nordrhein-Westfalen. Nach Lüdenscheid und Hagen macht es heute in der Ruhrgebietsstadt Witten Halt. Die Route des Infomobils legt das Referat Öffentlichkeitsarbeit fest. Mit auf Reise gehen drei freie Mitarbeiter. Einer von ihnen ist André Riemer. Er erklärt den Menschen, was die Aufgaben von Parlament und Parlamentariern sind, und bringt ihnen den Arbeitsalltag der Abgeordneten in Berlin näher. Der 23 Tonnen schwere Truck ist dafür optimal ausgerüstet: Er verfügt nicht nur über eine überdachte Bühne und einen separaten Besprechungsraum, sondern auch über einen Großbildschirm für Filmvorführungen.
Seit sechs Jahren ist Riemer für den Bundestag unterwegs. Er weiß auf fast jede Frage eine Antwort, kann die Feinheiten der Gesetzgebung erklären, nennt Daten und Fakten aus dem Kopf, ohne einmal auf die Schautafeln an der Wand blicken zu müssen. Bald kommen die ersten Passanten herein: Eine Dame erkundigt sich, wie man die Kuppel des Reichstagsgebäudes besichtigen kann. Andere blättern in den Infomaterialien, freuen sich über Bundestags-Mousepads, Bonbons und Anstecknadeln. Für viele Bürgerinnen und Bürger ist natürlich die Politik ein Thema: Ein älterer Herr etwa ist nicht mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer einverstanden.
Raum für Diskussionen
Das Infomobil bietet bei jeder Station die Möglichkeit für Austausch und Diskussion: So kommt gegen 10 Uhr 30 eine 25-köpfige Gruppe zu Besuch. Medizinische Fachangestellte im ersten Lehrjahr nehmen auf den blauen Stühlen Platz. Inzwischen ist Irmingard Schewe-Gerigk eingetroffen, Bundestagsabgeordnete und Parlamentarische Geschäftsführerin von Bündnis 90/Die Grünen. Sie will den Menschen aus ihrem Wahlkreis an diesem Tag Rede und Antwort stehen. Fast täglich ist ein Mitglied des Bundestages beim Infomobil zu Gast. Zwanglos und aufmerksam spricht die Abgeordnete mit den weiblichen Auszubildenden über Frauenpolitik und die Rentenproblematik. Es geht auch um Politikverdrossenheit. „Ich denke, dass man nicht viel beeinflussen kann“, klagt eine der jungen Berufstätigen. Und bei einer Gruppe von Gesamtschülern, die direkt im Anschluss die Stühle besetzen, meint einer: „Was sollen wir in unserem Alter denn schon machen?“ Er hätte gern ein eigenes Jugendzentrum im Ort. „Schließen Sie sich mit Gleichgesinnten zusammen, und wenden Sie sich an eine Ratsfraktion“, rät Schewe-Gerigk.
Die Sonne blitzt durch die Regenwolken. Noch eine Hauptschulklasse steht auf dem Programm. Dieses Mal leitet André Riemer das Gespräch. Die Schüler erfahren von ihm, wie man selbst Politiker werden kann. Anhand der Schautafeln im Inneren des Trucks erklärt er, wie das Parlament aufgebaut ist und funktioniert und was ein Klassensprecher mit dem Bundestagspräsidenten gemeinsam hat. „Man muss die Themen eben herunterbrechen“, sagt Riemer. Dann könne man auch Grundschülern den Unterschied zwischen Diktatur und Demokratie erklären.
Text: Susanne Sitzler
Fotos: Susanne Sitzler
Erschienen am 25. September 2006
Infomobil des Bundestages Telefonische
Auskünfte: (0 30) 2 27-3 51 96
Welche Städte das Infomobil voraussichtlich 2006 noch
anfährt, erfahren Sie unter:
www.bundestag.de/interakt (Bundestag
unterwegs)