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Informationen über dieses Dokument: Seitentitel: Kulturnation Deutschland
Gültig ab: 05.08.2008 10:19
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Kulturnation Deutschland

Bremer Stadtmusikant in Hamburg: Theatermacher Michael A. Wenz auf dem Bürgerfest
Bremer Stadtmusikant in Hamburg: Theatermacher Michael A. Wenz auf dem Bürgerfest
© DBT/Werner Schüring

Im Parlamentsviertel an der Elbe

550.000 Menschen strömten in die Elb-Metropole, die die Feier zur Deutschen Einheit erstmals mit einem Motto versah – „Kulturnation Deutschland”. Der Bundestag war mit einem Pavillon und Veranstaltungen dabei. Ein Streifzug durch das Parlamentsviertel an der Elbe.

Drei Tage lang hatte das Berliner Parlamentsviertel einen Ableger an der Elbe. In der Hamburger Speicherstadt wurde das traditionelle Bürgerfest zum Tag der Deutschen Einheit gefeiert. Etwa 550.000 neugierige Menschen und alle staatlichen Institutionen aus Berlin waren dabei. Bei ihren Auftritten ging es oft um die Kultur. Denn die Hansestadt hatte dem Fest erstmals ein Motto gegeben. Das lautete „Kulturnation Deutschland”.

Einigen Trägern dieser Kulturnation läuft man an diesen Tagen über den Weg. Zum Beispiel Michael A. Wenz, der mit schwarzem Zylinder und roter Frackjacke für eine Aufführung seines „Theaters 62” aus Bremen wirbt. Wenz erzählt, er habe das Theater 1962 als 15-jähriger Schüler „mit null Mark” gegründet. Wie auf jedem Bürgerfest spielt die Truppe wieder „Die Bremer Stadtmusikanten”. Wenz hat das grimmsche Märchen bearbeitet, er führt Regie, sorgt für die Maske und hat sich Bühnenbild und Kostüme ausgedacht. Die Stadtmusikanten sind ihm zufolge das weltweit bekannteste Märchen. In Russland müssten es die Kinder der zweiten Klasse sogar auswendig lernen. Er sei mit seiner Truppe schon oft in Russland gewesen, zuletzt am Baikalsee. Wenz ist stolz darauf, dass sein Theater keine Staatsgelder erhält. Er nimmt nicht, sondern gibt noch: Ehrenamtlich organisiert er Hilfsgütersendungen nach Osteuropa.

Deutschland ist für ausländische Künstler attraktiv, meint die Journalistin Mely Kiyak
Deutschland ist für ausländische Künstler attraktiv, meint die Journalistin Mely Kiyak
© DBT/Werner Schüring
Kulturnation Deutschland?

Um staatliche Förderung geht es auch im Pavillon des Bundestages. Bei einer Matinee sitzen Vertreter der „Kulturnation Deutschland” auf dem Podium: eine freie Journalistin, ein Politiker, Intendanten von staatlichen und privaten Bühnen, ein Liedermacher, ein Direktor eines öffentlich- rechtlichen Senders. Ähnlich wie Wenz betont Theaterintendant Corny Littmann, seine beiden Bühnen auf der Reeperbahn erhielten keine Subventionen. „Wir möchten kein Staatsgeld. Damit sind wir auch sehr glücklich.” Er bemängelt, dass in Deutschland kaum noch eigentliche Kulturförderung stattfinde, sondern dass vor allem die Institutionen mit ihren Beamten finanziert würden.

Das alles seien „polemische Gerüchte”, kontert Littmanns Kollege Peter Spuhler. Es gebe an deutschen Theatern überhaupt keine Beamten. Der Heidelberger Intendant nennt ein paar bemerkenswerte Zahlen: Das Anfangsgehalt eines deutschen Künstlers nach einem Eliteabschluss betrage 1.550 Euro brutto. Er habe sechs freie Sonntage im Jahr, müsse Sonntags- und Feiertagsarbeit ohne Zuschläge leisten. Trotzdem ist Deutschland für ausländische Künstler sehr attraktiv, wie die türkischstämmige Journalistin Mely Kiyak berichtet. Viele Menschen anderer Nationalität arbeiteten an deutschen Opernhäusern und Theatern. Kiyak vergleicht das mit Lebensmitteln, von denen die meisten auch importiert seien. „Obst und Gemüse mit Migrationshintergrund” nennt sie das.

Kiyak spricht die Rolle der deutschen Sprache an. Obwohl es immer noch ein Bedürfnis nach nationalen Identitäten gebe, „werden wir im Radio zugeballert mit englischen Texten”. NDR-Hörfunkdirektor Joachim Knuth widerspricht. Die deutsche Sprache spiele in den Hörfunkprogrammen des NDR eine große Rolle. Allerdings sei für ihn Kultur weit mehr als die Betrachtung deutscher Kunstwerke oder deutscher Dramen. Heinz Rudolf Kunze, Musiker und Literat, erinnert sich. Als er vor 30 Jahren mit seinem Beruf angefangen habe, sei Englisch die Sprache der Popmusik gewesen. Mit seinen deutschen Texten seier damals fast allein gewesen.

Podiumsdiskussion 'Kulturnation – zwischen Vision und Wirklichkeit' (von links): Peter Spuhler, Mely Kiyak, Hans-Joachim Otto, Joachim Knuth, Heinz Rudolf Kunze und Corny Littmann
Podiumsdiskussion 'Kulturnation – zwischen Vision und Wirklichkeit' (von links): Peter Spuhler, Mely Kiyak, Hans-Joachim Otto, Joachim Knuth, Heinz Rudolf Kunze und Corny Littmann
© DBT/Werner Schüring
Keine Kultur ohne Geld

Die Bedeutung der Kultur für den Zusammenhalt von Menschen unterstreicht Hans-Joachim Otto (FDP), Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Kultur und Medien. Schon vor der Einigung des Deutschen Reiches 1871 habe die Kultur die Menschen verbunden, nicht die politische Macht. „Der Gedanke der kulturellen Einheit über Staatsgrenzen hinweg ist älter als der Kalte Krieg.”

Unter den Zuhörern ist auch Elke Foertsch aus Soltau, die von ihrer Schwiegertochter Mely Kiyak hierher eingeladen wurde. Sie sagt: „Ich fand es entsetzlich, dass so viel über Geld geredet wurde.” Natürlich sei es unsere Wirklichkeit, dass vieles vom Geld abhängig sei. Aber Kultur wachse doch aus der Gemeinsamkeit, zum Beispiel auf Festen. Etwas anders sieht das Rika Schultz aus Bremerhaven. Die Erzieherin arbeitet in einem sozialen Brennpunkt. Um die Kinder dort an Bildung und Kultur heranzuführen, sei zweierlei nötig: erstens gute Pädagogen – und zweitens Geld. 

Text: Klaus Lantermann
Erschienen am 19. November 2008


Schauspieler in historischer Kleidung auf Stelzen vor einem Backsteinhaus in der Hamburger Speicherstadt

© DBT/Werner Schüring

Den besten Überblick
über die Attraktionen des Bürgerfests zum Tag der Deutschen Einheit 2008 hatte sicher diese Gruppe von Schauspielern auf Stelzen, die sich bei dem dreitägigen Fest in der Hamburger Speicherstadt unter das Volk mischte. Für die rund 550.000 Besucher gab es einiges zu erleben, zum Beispiel im Pavillon des Bundestages: Im „Forum Plenarsaal” schlüpften die Gäste für eine halbe Stunde in die Rolle der Abgeordneten und erfuhren, wie die Volksvertreter arbeiten, wie Gesetze entstehen und wie eine Abstimmung funktioniert. Außerdem standen Bundestagsabgeordnete auf der Bühne Rede und Antwort, ein Quiz sorgte für Spannung, und im „Kommunikationsforum” konnten sich die Besucher umfassend informieren – während die Kinder in der eigens eingerichteten Spielecke tobten.


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