Seit dem 12. Jahrhundert wird mit dem Begriff
„Andacht” das Denken an Gott assoziiert. Welchen Namen
der trägt, danach wird in einer aufgeschlossenen Welt nicht
gefragt. Im Deutschen Bundestag geben von 612 Abgeordneten 208 an,
katholisch zu sein, 183 evangelisch, vier gehören dem
islamischen Glauben an, 26 schreiben „konfessionslos”,
eine bezeichnet sich als Atheistin und 190 schweigen zu dieser
Frage.
Der Raum im Reichstagsgebäude ist für alle da. Wer sich
sammeln, besinnen, trösten, ermutigen, vergewissern,
stärken will, kann hierherkommen und Zwiesprache halten.
Dafür ist dieser Platz geschaffen. So ruhig, dass man
erhört werden, so schön, dass man im Frieden sein kann.
Ein Andachtsraum eben. Gäbe es ihn nicht, wäre es zu
laut.
Viele, die ihn das erste Mal betreten, ahnen plötzlich, dass
genau dieser Kontrast zur anstrengenden, aufreibenden Welt ringsum
die Möglichkeit gibt, sich zu erinnern: Das Leben ist kostbar
und endlich. Es muss bedacht werden.
Text: Kathrin Gerlof
Erschienen am 19. November 2008