Viele Politiker sind in ihrer Laufbahn gestolpert - über Affären, schwarze Kassen oder ihre Vergangenheit. Selten aber ist das Bild so stimmig wie bei Gerhard Stoltenberg (CDU): Der damalige Verteidigungsminister stolperte am 31. März 1991 bildhaft über mehrere Panzer, die sein Ministerium gegen das ausdrückliche Votum des Haushaltsausschusses im Bundestag an die Türkei hatte liefern lassen. Stoltenberg trat deshalb am 31. März 1992 zurück.
Die kostenlose Lieferung mehrerer hundert Spähpanzer der ehemaligen DDR-Volksarmee (NVA) war im Jahr 1991 zwischen den Regierungen Deutschlands und der Türkei vereinbart worden. Außerdem sollte der Nato-Partner Türkei Kampfpanzer vom Typ Leopard-1 aus Deutschland bekommen - gemäß dem nordatlantischen Verteidigungspakt zur "Verteidigung der Außengrenzen". Soweit, so unproblematisch.
Zum Eklat kam es am 19. Oktober 1991 nach einem Bericht des ZDF-Magazins "Frontal 21". Die Fernsehaufnahmen zeigten, dass türkische Polizisten Schützenpanzer aus Deutschland beim Kampf gegen die Kurden einsetzten. Wegen der besonderen typisch deutschen Nachtmarschausrüstung dieser Panzer war man sich sicher, dass es sich "zweifelsfrei" um Fahrzeuge der ehemaligen NVA handelte und nicht um ansonsten baugleiche Gefechtsfahrzeuge aus Russland oder anderen Warschauer-Pakt-Staaten - wie die Bundesregierung behauptete.
Stoltenbergs politischem Ansehen schadete der Rücktritt indes kaum. Altbundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) bezeichnete ihn in seinem Nachruf 2002 als in "all den Jahren zuverlässig, standfest und anständig". Friedrich Merz (CDU) würdigte ihn noch 2005 als "den Mann, der als Finanzminister den Bundeshaushalt 1989 in die Nähe der Schuldenfreiheit geführt" hatte.