TORNADO-EINSATZ
Karlsruher Richter entscheiden am 18. April über Klage der Linksfraktion
57 Seiten hatte der Schriftsatz, den Rechtsprofessor Dietrich Murswiek für die Bundestagsabgeordneten Peter Gauweiler (CSU) und Willy Wimmer (CDU) ans Bundesverfassungsgericht (BVG) geschickt hatte. Doch nach einem kurzen Achtungserfolg in den Medien schien die Organklage gegen den deutschen Tornado-Einsatz in Afghanis-
tan der Vergeblichkeit anheim zu fallen - einzelne Abgeordnete sind in solchen Fällen nicht klageberechtigt. Nun befassen sich die Karlsruher Richter doch noch mit dem Anliegen, da jetzt auch ein anderer Kläger dahinter steht: Am 18. April verhandelt der Zweite Senat über eine weitgehend inhaltsgleiche Klage der Linksfraktion im Bundestag. Der Tornado-Einsatz ist dabei eher Anlass denn Ursache der Klage. Die Linkspartei möchte in Karlsruhe eine Entwicklung zur Debatte stellen, die einen tief greifenden Wandel der Nato zur Folge hat.
Seit vor gut anderthalb Jahrzehnten der Kalte Krieg zu Ende ging, sucht die Nato nach neuen Zielen. Dabei hat sie sich - so meint die Linksfraktion - still und leise vom traditionellen Verteidigungsbündnis zu einer offensiven Organisation für weltweite Krisenintervention entwickelt. Politisch ist die Neuorientierung der Nato nicht zu übersehen. Schon 1991 redeten die Staats- und Regierungschefs über "Krisenbewältigung und Konfliktverhütung", und in der Erklärung von Washington im Jahr 1999 bekräftigten die Nato-Partner im neuen "Strategischen Konzept" ihre Bereitschaft zur Krisenreaktion. Die Frage ist nur: Gibt das Anlass zum verfassungsrechtlichen Einschreiten? Aus Sicht der Linkspartei hat die Nato ihre vertragliche Grundlage von 1949, in der bis heute lediglich von individueller und kollektiver Selbstverteidigung die Rede ist, derart überdehnt, dass das deutsche Zustimmungsgesetz von 1955 nicht mehr trägt: Es müsse eine neue Grundsatzentscheidung des Bundestags her.
Tatsächlich hat sich das Bundesverfassungsgericht schon zwei Mal mit dieser Frage befasst. Vier Richter des Zweiten Senats - die sich damals wegen Stimmengleichheit nicht durchsetzen konnten - formulierten in der Entscheidung über das Luftraumaufklärungssystem AWACS im Jahr 1994: "Die Übernahme von friedenssichernden und friedensschaffenden Maßnahmen in Drittländern unter der Ägide der Vereinten Nationen ist nicht als Aufgabe im Vertragstext angelegt."
Auch im Jahr 2001, als Karlsruhe über eine PDS-Klage zu entscheiden hatte, diagnostizierten die Richter im "Strategische Konzept" von 1999 eine bedeutsame, im ursprünglichen Nato-Vertrag nicht angelegte Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten - die sie aber noch für hinnehmbar hielten.
Mit dem Afghanistan-Einsatz, so argumentiert die Linksfraktion, habe die Nato nun endgültig den im Vertrag festgeschriebenen Bezug zum "euro-atlantischen Raum" aufgegeben. Ob der Zweite Senat dem folgt, ist ungewiss, denn bisher hat sich das Gericht in außenpolitischen Dingen eher zurückgehalten. Allerdings: Mit der Terminierung der mündlichen Verhandlungen haben die Richter keine Minute gezögert.
Der Bundestag hatte den Tornadoeinsatz am 9. März gebilligt. Damit kam Deutschland einer Bitte der Nato nach deutschen Aufklärungsflugzeugen nach, die seit Anfang April im afghanischen Mazar-i-Sharif stationiert sind.