Darf eine Stadt eine Brücke bauen, eine Stadtverwaltung einen Bürgerentscheid umsetzen? Wer glaubt, das wären simple Fragen, kennt unser Dresden nicht. Dort setzte die Rechte einen Brü-ckenbau per Bürgerentscheid gegen den Stadtrat sowie die Linke durch, und die sieht in direkter Demokratie nun nicht mehr der Weisheit letzten Schluss, sondern bloß noch ein Problem: Der Wähler habe nicht geahnt, dass der Brückenbau das Dresdner Elbtal den Unesco-Status als Weltkulturerbe kosten könne.
Welch schöne Pointe: Jenes Lager zieht die globale Unesco als Vetospieler ins Dresdner Drama, in dem sich sonst Globalisierungsgegner zusammenfinden und eine Aushebelung lokaler Demokratie durch anonyme internationale Strukturen beklagen! Jetzt soll die Bundesregierung einschreiten, um die Dresdner Lemminge zu stoppen. Wenn schon Bundesrecht Landesrecht bricht: Warum nicht Völkerrecht auch einen popeligen Volksentscheid? Gleichzeitig wird "high noon" gespielt: Nur nicht unterkriegen lassen, denn wer jetzt nachgibt, verliert sein Gesicht - und die nächste Dresdner Wahl. Das ist seit langem Dresdner Lokallogik: Gibt es Streit, beharrt man erst recht auf seiner Position. Beginnt der Brückenbau, sind Tumulte am Bauzaun und Drohungen gegen die Baufirmen abzusehen.
Warum führt der Stadtrat nicht einen zweiten Bürgerentscheid auf neuer Informationsgrundlage herbei? Ganz einfach: Die Brückenbauer wollen nicht ihren politischen und gerichtlichen Sieg, die Brü-ckengegner keine zweite Niederlage riskieren. Die letzteren spielen obendrein auf Zeit: Bald erlischt die Bindewirkung des Bürgerentscheids - und dann hat die brückengegnerische Stadtratsmehrheit wieder freie Hand. Wie schön für die Demokratie und das politisch-kulturelle Erbe.