In der Debatte um die richtige Antwort auf Konjunkturkrisen und Haushaltslöcher von vielen Milliarden ist immer wieder die Rede vom Keynesianismus. Dabei handelt es sich um eine in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts von John Maynard Keynes (1883 bis 1946) aufgestellte Wirtschaftstheorie.
Keynes befasste sich damals vor allem mit der Weltwirtschaftskrise, die zu einem beispiellosen Zusammenbruch von Volkswirtschaften geführt hatte. In seinem 1936 erschienenen Hauptwerk „Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes“ brach er mit der bis dahin gültigen Lehre, wonach Arbeitslosigkeit entsteht, weil die Lohnkosten gemessen an der Nachfrage zu hoch seien.
Die Weltwirtschaftskrise zeigte aber, dass diese Theorie nicht stimmen konnte. Denn sinkende Löhne führten viele Länder noch tiefer in die Krise. Nach Keynes Ansicht war die seit 1929 anhaltend hohe Arbeitslosigkeit vielmehr durch eine mangelnde Nachfrage nach Gütern bedingt. Das heißt, die Unternehmen konnten ihre Waren oder Dienstleistungen nicht verkaufen. Sein Rat gegen die Misere: Der Staat solle aktiv in die Wirtschaft eingreifen, und zwar antizyklisch. In der Rezession müsse er die fehlende Nachfrage ausgleichen und die Wirtschaft durch die Vergabe von Aufträgen für Straßen oder öffentliche Gebäude ankurbeln, gegebenenfalls unter Inkaufnahme von Schulden. In Boomphasen solle die öffentliche Hand jedoch die Ausgaben senken, um Mittel für Schwächeperioden zurückzulegen. Diese „nachfrageorientierte“ Wirtschaftspolitik funktionierte in Deutschland in den sechziger Jahren unter dem damaligen Wirtschaftsminister Karl Schiller (SPD). In den siebziger Jahren führte sie aber zu einer hohen Staatsverschuldung, ohne die Arbeitslosigkeit wesentlich zu senken.
Text: Timot Szent-Ivanyi
Foto: Ullstein