Peter Hintze, CDU/CSU
Ich bin aus grundsätzlichen wie auch aus europapolitischen Erwägungen gegen ein Referendum über die künftige europäische Verfassung. Unser Grundgesetz folgt dem Leitbild der repräsentativen Demokratie. Mit gutem Grund haben sich die Mütter und Väter unserer Verfassung dafür entschieden, die Verantwortung für alle grundsätzlichen politischen Fragen in die Hände der gewählten Vertreter des Volkes zu legen. Bei Volksentscheiden wird ein komplexer Sachverhalt – ganz besonders in unserer heutigen Mediengesellschaft – stets auf ein simples „Ja oder Nein“ reduziert. Eine derartige Vereinfachung wird in den allermeisten Fällen weder der Bedeutung noch der Vielschichtigkeit der vorliegenden Sache gerecht.
In den parlamentarischen Beratungen besteht demgegenüber ausreichend Gelegenheit, auch komplexen Sachverhalten die erforderliche Aufmerksamkeit zu widmen. Hier können das Für und Wider nüchtern und in der nötigen Intensität erörtert und gegebenenfalls auf externen Sachverstand zurückgegriffen werden. Dieses Vorgehen hat sich in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland hervorragend bewährt und erheblich zur Stabilität unserer Demokratie beigetragen. Daran sollten wir auch weiterhin festhalten.
Unabhängig von diesen prinzipiellen Erwägungen sehe ich die große Gefahr, dass das Plus an Bürgernähe, Transparenz und Demokratie in Europa, das wir mit der Verfassung erreichen wollen, mit einer Volksabstimmung im Ansatz verhindert werden könnte. Bei einer Volksabstimmung schlägt häufig die Stunde der politischen Extreme und der Populisten, mithin all derjenigen, die bei regulären Wahlen aus guten Gründen keine Chance haben. Ihnen wird bei Volksentscheiden eine Bühne geboten, auf der sie einfache Antworten geben können, aber keine Lösungen aufzuzeigen brauchen. Für diese Kräfte wäre eine Volksabstimmung ein willkommener Anlass, sich auf Kosten der europäischen Zukunft zu profilieren und latente Ressentiments auf Europa zu lenken.
Foto: Deutscher Bundestag