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Informationen über dieses Dokument: Seitentitel: „Keine Geisel der Geschichte”
Gültig ab: 17.09.2008 10:19
Autor: Bernadette Schweda
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„Keine Geisel der Geschichte”

Sejmmarschall Bronislaw Komorowski
Sejmmarschall Bronislaw Komorowski
© DBT/Werner Schüring

Sejmmarschall Bronisław Komorowski

Ein Gespräch mit Bronisław Komorowski, Präsident des polnischen Parlaments, über die Bedeutung des deutschen Widerstands, die Epochenwende 1989 und die Zukunft der Nachbarn im Osten der EU.

Herr Komorowski, welche Rolle spielt Kreisau im Bewusstsein der Polen?

Es ist für uns ein Symbol der Versöhnung und des Widerstands. Es ist ein Ort der Hoffnung, dass der Mensch dem Bösen die Stirn bieten und die Hand zur Versöhnung reichen kann. Es ist ein Ort des Glaubens, dass eine bessere Zukunft möglich ist, dass Völker keine Geisel der Geschichte sein müssen und dass das gemeinsame Europa helfen kann, sich gegenseitig zu verstehen und gemeinsam zu handeln.

Sie haben die Parlamente Mittelosteuropas eingeladen, gemeinsam den 20. Jahrestag der Wende zu feiern. Was hat Sie dazu bewogen?

Der Jahrestag der ersten teilweise freien Wahlen in Polen am 4. Juni 1989 bietet aus meiner Sicht die Gelegenheit, an die Bedeutung der Solidarność für den Fall der Berliner Mauer und das Ende des Kalten Krieges zu erinnern. Ich möchte diesen freudigen Jahrestag mit denjenigen feiern, die damals das Glück hatten, sich von der kommunistischen Diktatur zu befreien. Es ist zudem eine Gelegenheit, an die Schicksalsgemeinschaft in diesem Teil Europas zu erinnern. Ich freue mich, dass der Bundestagspräsident meine Einladung nach Warschau bereits angenommen hat.

In Kreisau haben die Parlamentspräsidien auch über die von Polen initiierte EU-Ostpolitik gesprochen. Was ist deren Hauptziel?

Wir streben eine gemeinsame EU-Politik gegenüber den östlichen Nachbarn an – auf der Grundlage der gemeinsamen europäischen Werte wie Demokratie, Freiheit und Menschenrechte. Wir wollen, dass sich die Europäische Union für die östlichen Nachbarn öffnet. Aus unserer Sicht sollten sie eines Tages EU-Vollmitglieder werden. Ich denke dabei vor allem an die Ukraine. Die strategische Partnerschaft mit Russland darf sich nicht darauf beschränken, EU-Produkte nach Russland zu exportieren und russische Energieträger zu importieren. Notwendig ist eine Vertiefung des politischen Dialogs. Die russischen Versuche, Europa zu teilen und eine Politik der privilegierten Partnerschaft mit einigen europäischen Ländern zu etablieren, sind für Polen nicht annehmbar. Daher rührt unsere kritische Haltung zur Ostseepipeline, die wir für ein Werkzeug der russischen Außenpolitik halten – und nicht für ein wirtschaftlich begründetes Unternehmen.

Was erwarten Sie von Deutschland?

Wir rechnen damit, dass Deutschland die polnisch-schwedische Initiative der Ostpartnerschaft vom Frühjahr 2008 unterstützen wird. Diese Initiative sieht eine schrittweise und weitgehende Integration von sechs östlichen EU-Nachbarn in die politischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Strukturen der Europäischen Union vor. Wir hoffen, dass Deutschland als ein wichtiger europäischer Partner gemeinsam mit Polen die Rolle eines Leaders in der gemeinsamen Ostpolitik spielen wird. Deutschland und Polen verbindet dabei eine Interessengemeinschaft. 

Zur Person:
Bronisław Komorowski, Jahrgang 1952, ist Mitglied der christdemokratischen „Bürgerplattform” und seit 2007 Sejmmarschall – der Präsident des polnischen Parlaments. Anfang der 80er-Jahre engagierte sich der gelernte Historiker in der Gewerkschaft Solidarność.

Interview: Bernadette Schweda
Erschienen am 25. Februar 2009


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