Die Bundesversammlung tritt alle fünf Jahre zur Wahl des Staatsoberhaupts zusammen. Sie besteht aus den Abgeordneten des Bundestages und einer gleichen Anzahl von Abgeordneten, die von den Länderparlamenten entsandt werden. Einige dieser Wahlmänner und -frauen sind „Abgeordnete für einen Tag”: Die Landtage, die Bürgerschaften in Hamburg und Bremen und das Abgeordnetenhaus Berlins machen von ihrem Recht Gebrauch, Prominente, Sportler, Künstler und ehemalige Politiker zu nominieren. Als Mitglied der Bundesversammlung genießen sie bis zur Wahl gewisse Rechte, etwa Immunität und Kündigungsschutz. So soll sichergestellt werden, dass sie frei und nach ihrem Gewissen entscheiden können. Die Wahlmänner und Wahlfrauen sind mit ihrer Entscheidung nicht an Parteien gebunden.
In den ersten beiden Wahldurchgängen ist eine absolute Mehrheit notwendig, im dritten reicht die relative Mehrheit der Stimmen. In der Geschichte der Bundesrepublik war dies nur einmal 1969 bei der Wahl von Gustav Heinemann der Fall. 1994 wählte die Bundesversammlung Roman Herzog zum Bundespräsidenten zwar auch im dritten Anlauf – dieses Mal allerdings mit absoluter Mehrheit. Mit Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses ist die Wahl noch nicht abgeschlossen: Der neue Bundespräsident steht erst fest, wenn dieser die Wahl angenommen hat. Laut Gesetz hat er oder sie dafür sogar zwei Tage Bedenkzeit, allerdings ist es üblich, dass die Wahl direkt im Anschluss angenommen wird.
Traditioneller Wahltermin ist seit 1979 der 23. Mai, der Jahrestag der Verkündung des Grundgesetzes. Der damalige Präsident des Bundestages Karl Carstens machte von seinem Recht als Präsident der Bundesversammlung Gebrauch, Ort und Zeit der Bundesversammlung festzulegen, und wählte den „Verfassungstag”. Bei dieser Wahl trat Carstens schließlich selbst als Kandidat an und wurde zum Bundespräsidenten gewählt. Aus diesem Grund leiteten seine Stellvertreter im Bundestagspräsidium die Bundesversammlung.
Nach der ersten Bundesversammlung in Bonn 1949 tagte das Gremium in den 50er- und 60er-Jahren in der Ostpreußenhalle unter dem Funkturm im Westteil Berlins. Die DDR protestierte regelmäßig gegen die Wahl des Staatsoberhaupts der Bundesrepublik in der geteilten Stadt. 1965 sorgten sowjetische Tiefflieger über Berlin für Schlagzeilen, die mit ohrenbetäubendem Lärm die Bundesversammlung zu stören versuchten. Nach dem Viermächteabkommen über Berlin von 1971 fand die Wahl des Bundespräsidenten ab 1974 in der Bonner Beethovenhalle statt. In Berlin trat die Bundesversammlung erst zwanzig Jahre später wieder zusammen – zur ersten Wahl des Bundespräsidenten im wiedervereinigten Deutschland. Seither trifft sich die Bundesversammlung im Reichstagsgebäude.
Text: Klaus Lantermann
Erschienen am 29. Juni
2009