Sie ist die jüngste Frau unter den Abgeordneten im Deutschen Bundestag. Mit Elan hat sich Agnieszka Malczak auf ihr „persönliches Herzensthema” gestürzt: die Friedens- und Sicherheitspolitik. Im 17. Deutschen Bundestag ist sie abrüstungspolitische Sprecherin der Grünen.
Die 25-Jährige mit polnischen Wurzeln hat sich früh und konsequent in die Politik gestürzt. Sie erinnert sich an lebhafte politische Diskussionen in ihrem Elternhaus, obgleich die Eltern nicht Mitglieder einer Partei sind. „Irgendwann mit 17 hatte ich die Einsicht, ich verändere nichts, wenn ich mich aufrege und meckere. Dann habe ich beschlossen: Jetzt gehe ich zu den Grünen.” 2004 schloss sie sich der Partei an und wurde 2005 Mitglied des Tübinger Kreisvorstandes. Von 2007 bis Dezember 2009 war sie Landesvorsitzende der Grünen Jugend Baden-Württemberg.
Innerhalb der Partei ordnet sich Malczak bei den Linken ein, sieht sich aber nicht als Fundamentalistin: „Ich bin gerne hart in der Sache, aber Flügel und Gräben, die ins Persönliche gehen, dagegen wehre ich mich komplett”, sagt sie. Zu ihren Mentoren zählen der Abgeordnete Winfried Hermann, der wie sie aus Baden-Württemberg stammt und sich ebenfalls im linken Lager verordnet, aber auch der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer, ein ausgewiesener Realo. Von ihm habe sie als Trainee „unheimlich viel gelernt”, sagt sie.
Nicht minder wichtig ist für sie Winfried Nachtwei, der jahrelang die Verteidigungspolitik von Bündnis 90/Die Grünen geprägt hat. Als Allererstes nach ihrer Wahl in den Bundestag habe sie sich bei Nachtwei vorgestellt, sagt sie. Sie hätten sehr lange gesprochen: „Er hat mir viele Tipps gegeben. Ich kann ihn immer anrufen.” Mit seiner Expertise stehe er ihr und der Fraktion noch immer zur Verfügung.
Ihre erste Bundestagsrede hat die selbstbewusste Dortmunderin, die in Tübingen Politikwissenschaft studiert und für den Kreis Ravensburg im Bundestag sitzt, zur atomaren Abrüstung in Deutschland gehalten. Auch die schwarz-gelbe Regierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag darauf festgelegt, die Abschaffung der vermutlich noch 20 US-Atomwaffen anzustreben, die aus der Zeit des Kalten Krieges im Fliegerhorst Büchel in Rheinland-Pfalz lagern. An dieses Ziel wollte Malczak die Koalitionäre „freundlich, aber auch mit Nachdruck erinnern”. Nur wer selbst auf die nukleare Teilhabe verzichte, könne auch von anderen den Verzicht auf Atomwaffen verlangen.
Härter geht sie mit der Bundesregierung ins Gericht, wenn es um Afghanistan geht. Bei der Verlängerung des Bundestagsmandats für die Beteiligung der Bundeswehr am ISAF Einsatz Anfang Dezember stimmte sie mit Nein. Damit habe sie keinesfalls für einen Sofortabzug plädiert, denn „das würde sofort zur Destabilisierung” am Hindukusch führen. Es geht ihr um ein „Nein zum Mandat, das die Bundesregierung vorgelegt hat, weil die zivile und die militärische Komponente in keinem Verhältnis zueinander stehen”. Außerdem werde eine Abzugsperspektive mit keinem Wort erwähnt.
„Eine Aufbauperspektive und eine Abzugsperspektive” für Afghanistan - beides ist der resoluten jungen Abgeordneten gleichermaßen wichtig. Statt noch mehr Geld in Truppenaufstockung zu stecken, müsse man den zivilen Aufbau in den Vordergrund rücken, allem voran müsse die Polizeiausbildung verstärkt werden. Ein festes Datum für den Abzug zu nennen, hält Malczak nicht für klug. Man könne dann schlecht auf aktuelle Entwicklungen reagieren, zum anderen könnten die Taliban ihre Strategie auf dieses Datum abstellen.
Viele Abgeordnete der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen denken ähnlich wie Malczak, doch die meisten enthielten sich bei der Abstimmung über das Afghanistan-Mandat der Stimme. Ein bisschen wollte sie mit ihrem Stimmverhalten offenbar auch ihre Eigenständigkeit demonstrieren. Sie komme ganz klar „aus der friedensbewegten Ecke”, sagt Malczak. Sie habe mit ihrem Nein ihre „massive Kritik” an der Strategie der jetzigen und der vorherigen Bundesregierung ausdrücken wollen. Und schließlich sei die Erteilung und Verlängerung von Mandaten eine Frage, die „am meisten das Herz und das Gewissen von Abgeordneten fordert?. Das imperative Mandat ist eben auch bei den Grünen schon lange Geschichte.
Was die Basis denkt, ist Malczak gleichwohl wichtig. Auf den Kontakt zu den Bürgern in ihrem Wahlkreis legt sie großen Wert: Sie wolle sich nicht im „Raumschiff” Bundestag abkoppeln. Nach wie vor fühlt sie sich der Grünen Jugend in Baden-Württemberg verpflichtet. Ihre Privatwohnung hat sie von Tübingen in ihren Wahlkreis Ravensburg verlegt, um näher an denen zu sein, die sie gewählt haben.
Auch die „Erdung”, die ihr Freunde und Familie geben, ist ihr wichtig. Sie lege großen Wert darauf, Leute zu kennen, die sich wenig für Politik interessieren. Wenn der Parlamentsjob einmal etwas mehr zur Routine geworden ist, will sie sich für Freunde wieder mehr Zeit nehmen. Auch den vernachlässigten Wurzeln in Polen möchte sie sich widmen. Ihr sei „bewusst geworden, wie wertvoll das ist” - in zwei europäischen Ländern beheimatet zu sein. Polnisch spricht sie fließend, obwohl sie bereits mit vier Jahren mit ihrer Familie nach Dortmund kam.
In der parlamentarischen Sommerpause will sie auf jeden Fall ihren Magisterabschluss zu Ende bringen. Immerhin könnte theoretisch auch einmal der Fall eintreten, dass die Partei und sie sich auseinanderentwickelten. „Dann möchte ich nicht wirtschaftlich von der Politik abhängig sein, und ich möchte mich nicht verbiegen müssen”, sagt sie mit Bestimmtheit. Und: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich bis 60 im Bundestag sitze.” In diese Rechnung geht auch ein, dass Bündnis 90/Die Grünen ihre Abgeordneten traditionell nicht gerne am Stuhl kleben sehen.
Was die Kontakte zu den anderen Fraktionen angeht, so ist Malczak durchaus offen. Sie kennt viele CDU Abgeordnete aus ihrer Wahlheimat Baden-Württemberg, hält Kontakt zu den Gleichaltrigen anderen Fraktionen. Allerdings hat sie auch erlebt, dass „junge Männer von der konservativen Seite auf meine Piercings eher skeptisch reagieren”. Im Großen und Ganzen fühlt sie sich von den Kollegen, besonders in der Fraktion, ernst genommen.
So umgänglich der eine oder andere CDU-Kollege sein mag, hinsichtlich schwarz-grüner Koalitionen ist sie skeptisch. Zwar sagt sie: „Für mich ist gar nichts ausgeschlossen.” Aber „Ausschließeritis” sei auch nicht falsch, wenn Programme und Personen nicht zusammengingen wie beispielsweise in Hessen mit dem CDU-Ministerpräsidenten Roland Koch. Während Schwarz-Grün in Baden-Württemberg zumindest denkbar sei, sieht sie auf Bundesebene eine „sehr große Distanz” zur CDU. Eher kann sie sich vorstellen, dass auf Bundesebene auf längere Sicht ein rotrot- grünes Projekt realisiert wird.
Härter geht sie mit der Bundesregierung ins Gericht, wenn es um Afghanistan geht. Bei der Verlängerung des Bundestagsmandats für die
Agnes Malczak wurde am 8. Februar 1985 in Liegnitz (Legnica) in Polen geboren und kam mit ihrer Familie 1989 nach Dortmund. Seit 2004 studiert sie Politikwissenschaft, Öffentliches Recht und Philosophie an der Universität Tübingen. Von 2005 bis 2008 war sie im Tübinger Kreisvorstand ihrer Partei, von 2007 bis Dezember 2009 Vorsitzende der Grünen Jugend Baden-Württemberg. Über die Landesliste Baden- Württemberg zog sie im September in den Bundestag ein. Sie ist abrüstungspolitische Sprecherin ihrer Fraktion.
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Text: Claudia Kemmer
Erschienen am 25. März
2010