Die Kuppel ist Kult. Das Reichstagsgebäude ohne den
aufstrebenden eiförmigen Aufbau aus Aluminium und Glas, das
wäre fast wie Paris ohne Louvre oder Rom ohne Kolosseum
— schwer vorstellbar. Denn sie ist nicht einfach nur ein Ding
von 40 mal 23 Metern. Sie ist eine architektonische Attraktion, die
zum Wahrzeichen Berlins im wiedervereinigten Deutschland geworden
ist.
Das war nicht unbedingt abzusehen: Zwar bildete die
ursprüngliche Kuppel für Jahrzehnte den natürlichen
Abschluss des Baus. Doch wurde sie nach Kriegszerstörungen
1954 gesprengt, und als in den 90er-Jahren über den Umbau
beraten wird, hat sich das Flachdach als gewohnter Anblick
etabliert. Sollte Paul Wallots Kuppel wieder aufgebaut — oder
eine neue Konstruktion gefunden werden? Oder das Flachdach erhalten
bleiben? Der Architekt Sir Norman Foster spricht sich gegen eine
Kuppel aus — der Bundestag votiert nach vielen Diskussionen
schließlich dafür.
Dank der Kuppel schauen nun die Abgeordneten buchstäblich zum
Volk hinauf, da sie genau über dem Plenarsaal liegt und ihm
Licht spendet. Zwei Rampen sind so versetzt zueinander angebracht,
dass sich die Besucherströme beim Rauf und Runter nicht
begegnen. Die insgesamt 360 Spiegel sorgen für eine
Beleuchtung des Plenarsaals, also ohne die Redner oder Zuhörer
zu blenden. Und wer in der Kuppel Richtung Fenster blickt, gewinnt
einen grandiosen Überblick über die
Hauptstadt.
Erschienen am: 24. September 2008