Datenschutz in der Debatte
Für den Datenschutz auf die
Straße: Demonstration im Oktober 2008 in Berlin
© Stefan Boness/Ipon
Das Datenschutzrecht wird derzeit auf
mehreren Ebenen debattiert. Zum einen sind mehrere Entwürfe
und Vorhaben der Bundesregierung in der Diskussion. Außerdem
gibt es seitens einzelner Bundestagsfraktionen, des Bundesrats, und
auch der EU-Kommission Initiativen zur Regelung
datenschutzrechtlicher Teilbereiche.
Datenschutzaudit
Derzeit wird ein Referentenentwurf für ein
Bundesdatenschutzauditgesetz diskutiert. Eine prinzipielle Regelung
für ein Datenschutzaudit wurde bereits 2001 im novellierten
Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) erlassen, doch ein
Ausführungsgesetz fehlt bislang. Anbieter von
Datenverarbeitungssystemen und -programmen sowie datenverarbeitende
Stellen sollen künftig ihre Datenschutzmaßnahmen und
-regeln sowie die entsprechenden technischen Einrichtungen durch
unabhängige und zugelassene Gutachter prüfen und bewerten
lassen. Das Zertifikat soll in einem zweiten Schritt
möglicherweise durch eine staatliche oder staatlich
beauftragte Stelle vergeben werden. Mit dem Zertifikat
beziehungsweise mit dem Gütesiegel sollen Unternehmen oder
Behörden zwei Jahre lang bundesweit werben dürfen.
Außerdem sollen auch Gütesiegel an Hersteller von
Hardware- und Softwareprodukten vergeben werden. Der
Bundesdatenschutzbeauftragte soll ein öffentliches Register
der Gütesiegel führen, das über das Internet
einsehbar sein soll. Ein ähnliches Audit- und
Gütesiegelverfahren wird in Schleswig-Holstein bereits seit
Jahren erfolgreich praktiziert.
Scoring
Als Gesetzentwurf liegt eine Novelle des Bundesdatenschutzgesetzes
(BDSG) vor, die sich auf das Scoring für die
Bonitätsprüfung von Verbrauchern bezieht. Geklärt
wird unter anderem, welche Daten bei den zugelassenen
Bewertungsverfahren verwendet und übermittelt werden
dürfen. Eine rein automatisierte Berechnung eines Score-
Wertes ist nicht mehr zulässig – er soll künftig
auch durch eine Person bewertet werden. Verbraucher sollen
außerdem mehr darüber erfahren können, auf welche
Weise der Wert, der ihre Kreditwürdigkeit ausdrückt,
ermittelt wird. Dies bezieht sich auch auf jene Daten, welche
für die Erstellung des Score-Werts hinzugezogen werden, die
anonym oder bei Dritten gespeichert sind. Erkundigt sich ein
Verbraucher nach Kreditkonditionen, soll sich dies künftig
nicht mehr negativ auf seinen Score-Wert auswirken.
Ein Kamerafahrzeug des
Internetkartenanbieters Google Earth nimmt in Berlin
360-Grad-Bilder einer Straße auf
© Picture-Alliance/Gero Breloer
Geodaten
Ein Referentenentwurf der Bundesregierung für ein geplantes
Gesetz über den Zugang zu digitalen Geodaten zielt darauf ab,
die Verwendung von Geodaten zu regeln. So sollen Daten entweder
gesperrt oder freigegeben werden. Datenschützer fordern, die
Daten ähnlich einer Ampel differenzierter zu klassifizieren.
Mit Grün gekennzeichnete Daten dürften frei verwendet
werden. Gelb markierte Daten dürften bei berechtigtem
Interesse genutzt werden. Rot würde schutzwürdige
Interessen und ein striktes Zugangsverbot signalisieren.
Hintergrund: Bis Mai 2009 müssen alle EU-Mitgliedsstaaten die
Geodaten-Richtlinie in nationales Recht umsetzen, die den Zugang zu
Geoinformationsdaten europaweit regelt.
Arbeitnehmerdatenschutzgesetz
Seit Jahrzehnten fordern Datenschützer ein
Arbeitnehmerdatenschutzgesetz, nun gibt es hierzu eine Initiative
im Bundesrat. Ziel ist es, mehr Rechtssicherheit für
Arbeitnehmer und Unternehmen zu schaffen. Ebenfalls diskutiert
wird, ob den betrieblichen Datenschutzbeauftragten mehr
Kompetenzen, aber auch ein den Betriebsräten ähnlicher
Schutz zukommen soll. Überlegt wird auch, ob sie verpflichtet
werden sollen, in bestimmten Fällen die staatlichen
Datenschutzstellen zu informieren. Anlass sind die bekannt
gewordenen Überwachungen von Mitarbeitern in einigen
großen Unternehmen. Derzeit ist zwar die Datenerhebung und
-verarbeitung im Arbeitsverhältnis nur erlaubt, wenn es der
Wahrung berechtigter Interessen dient und die schützenswerten
Interessen der Betroffenen nicht überwiegen. Doch in der
Praxis sind Grenzziehungen
Grundgesetz
Derzeit werden auch Pläne diskutiert, den Datenschutz im
Grundgesetz zu verankern. Überlegt wird, die informationelle
Selbstbestimmung direkt in das Grundgesetz einzubauen sowie ein
Grundrecht auf Informationsfreiheit zu schaffen. Bislang gelten
mehrere Urteile des Bundesverfassungsgerichts als wegweisend: Das
Volkszählungsurteil, das das Recht auf informationelle
Selbstbestimmung feststellt, das Urteil zum großen
Lauschangriff, das den absoluten Schutz des Kernbereichs privater
Lebensgestaltung definiert sowie das Urteil zu heimlichen
Online-Durchsuchungen, das das Recht auf „Gewährleistung
der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer
Systeme” begründet. Bündnis 90/ Die Grünen
haben hierzu einen Gesetzentwurf vorgestellt.
RFID-Regelung
Im Logistikbereich werden Daten in geschlossenen Netzen
weitergereicht. Datenschutzrechtlich ist dies überschaubar.
Wenn Dinge nach einem Kauf weiterhin Daten abgeben, ist die
Verantwortlichkeit des Dienstleisters gegenüber dem Kunden
nicht eindeutig geklärt. Hier könnten Profile einzelner
Verbraucher erstellt werden. Insbesondere die Transparenz halten
Datenschützer für verbesserungswürdig. Dazu
gehören sogenannte Opt-out- Möglichkeiten für die
Nutzer, wie etwa die Deaktivierung der RFIDChips. Als problematisch
gelten angesichts des grenzüberschreitenden Warenund
Datenverkehrs außerdem die EUweit unterschiedlichen
Datenschutzstandards. Entsprechende Regelungen werden derzeit auf
EU-Ebene diskutiert.
Datenhandel
In diesem Jahr wurden mehrere Fälle von Datenmissbrauch und
illegalem Datenhandel bekannt. Datenschützer fordern nun
höhere Strafen gegen den illegalen Datenhandel. Die Zwecke,
für die Daten gesammelt werden dürfen, sollen noch klarer
bestimmt und enger gefasst werden. Entsprechend sollte eine
ausdrückliche Zustimmung des Kunden vorliegen, unabhängig
etwa vom Kaufvertrag. Diskutiert wird auch eine Regelung, die
telefonisch geschlossene Verträge ohne schriftliche
Bestätigung für unwirksam erklärt. Schließlich
sollen die staatlichen Datenschutzbeauftragten dazu befähigt
werden, auch präventiv in Unternehmen zu kontrollieren. Beim
Datenschutzgespräch im September 2008 wurden Maßnahmen
im Bereich Datenhandel angekündigt, das Bundesinnenministerium
will dem Kabinett im November einen Gesetzentwurf vorlegen.
Vorratsdatenspeicherung
Da Kundendaten wie die von T-Mobile zu Abrechnungszwecken, aber
auch zu Zwecken der Strafverfolgung sechs Monate gespeichert werden
müssen, wird von den Oppositionsfraktionen und verschiedenen
politischen Gruppen die Abschaffung der Anfang des Jahres in Kraft
getretenen Vorratsdatenspeicherung gefordert, insbesondere mit dem
Argument, dass das Missbrauchspotenzial groß und
unkal-kulierbar sei. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur
Verfassungsbeschwerde gegen die Vorratsdatenspeicherung steht noch
aus.
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Text: Christiane
Schulzki-Haddouti
Erschienen am 19. November 2008