Die Koalition will mit umfangreichen Maßnahmen den Ausstoß von Treibhausgasen reduzieren. Ob mehr erneuerbare Energien, eine bessere Wärmedämmung oder neue Anreize zum Energiesparen: Mit Hilfe von zwei Gesetzespaketen möchte Deutschland zum Vorreiter beim Klimaschutz werden. Reichen die Maßnahmen aus, um die Reduktionsziele zu schaffen?
Andreas Jung und Frank Schwabe sind politische Konkurrenten. Der eine sitzt für die CDU/CSU im Bundestag. Der andere für die SPD. Manchmal streiten sich die beiden mächtig. Dann geht es hart zur Sache. Zum Beispiel beim Thema Kernenergie. Andreas Jung will die deutschen Kernkraftwerke länger laufen lassen. Er glaubt, das helfe dem Klimaschutz. Schwabe dagegen will die Atomkraftwerke möglichst schnell abschalten. Er ist überzeugt, dass die Meiler einen schnelleren Umstieg auf erneuerbare Energien verhindern.
Trotzdem reden sie gut übereinander. Der eine sagt: „Der Andreas Jung ist ein netter Kerl.” Der wiederum meint: „Mit dem Frank Schwabe kann man gut zusammenarbeiten.” Die beiden verbindet nicht nur, dass sich ihre Parteien derzeit in einer Regierungskoalition befinden und das Land gemeinsam regieren. Die beiden sind in ihren Fraktionen auch für dasselbe Thema zuständig: den Klimaschutz. Das schweißt zusammen. Auch über Parteigrenzen hinweg. Auch wenn es zwischendurch mal knirscht.
„Der Klimawandel ist eines der wichtigsten Themen in dieser Legislaturperiode. Darüber sind wir uns beide grundsätzlich einig”, sagt Jung. „Die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Klimawandel haben es uns erleichtert, ein gemeinsames Ziel zu finden”, meint auch Schwabe. Konkret heißt das: Die Koalition will den Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid in Deutschland bis zum Jahr 2020 möglichst um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 reduzieren. Auf dieses Ziel hat sich Deutschland in der EU festgelegt. Dazu hat der Bundestag im letzten Sommer zwei Klimapakete verabschiedet, die zuvor auf einer Klausur auf Schloss Meseberg erarbeitet worden waren. Durch 29 Einzelmaßnahmen will die Koalition einen Großteil der avisierten Einsparung, ungefähr 35 Prozent, erreichen.
Wichtigster Baustein der Klimaschutzstrategie ist der Ausbau der regenerativen Energien etwa aus Sonne, Wind oder Erdwärme. Die sind nicht nur schier unbegrenzt verfügbar. Sie verursachen auch praktisch keine Treibhausgase. Ihr Anteil an der Stromerzeugung soll in gut zehn Jahren von derzeit etwa 14 Prozent auf mindestens 25 bis 30 Prozent steigen. Dazu hat die Koalition die Förderung im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes verbessert. Geplant sind vor allem mehr Wasserkraftwerke und Windenergieparks auf See. Die Hersteller erhalten dabei eine garantierte Mindesteinspeisevergütung, da viele erneuerbare Energien ohne Unterstützung gegenüber fossilen Energieträgern noch nicht wettbewerbsfähig wären. Die Kosten bezahlen die Stromkunden.
Auch bei der Heizwärme in Gebäuden sind mehr erneuerbare Energien geplant. Ihr Anteil soll bis 2020 von 6 auf 14 Prozent steigen. Bei Neubauten hat die Koalition ihre Verwendung zur Pflicht gemacht. Bei Altbauten erfolgt die Nutzung freiwillig, wird aber staatlich gefördert. Beispielsweise können Bürger nach Angaben des Umweltministeriums bei einer 11.000 Euro teuren Heizungsanlage mit einem Zuschuss von etwa 1.000 Euro rechnen. Insgesamt stehen ab diesem Jahr für die Förderung 500 Millionen Euro jährlich zur Verfügung. Außerdem fördert die Koalition den Ausbau sogenannter Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung. Dabei handelt es sich um Kraftwerke (auch kleine Blockheizkraftwerke), die besonders effizient sind, weil sie Strom und Wärme gleichzeitig erzeugen. Zudem soll Biogas häufiger ins Erdgasnetz eingespeist werden.
„Die Förderung erneuerbarer Energien ist so hoch wie noch nie zuvor”, betont Unionspolitiker Jung. Sein SPD-Kollege Schwabe meint, dass er auf diesen Teil der Klimagesetze besonders stolz ist. Auch wenn sie kein Selbstläufer sind. Besonders die Wirtschaftspolitiker sind skeptisch, weil sie hohe Kosten für Verbraucher und Industrie befürchten. „Es ist dem Engagement der Kanzlerin zu verdanken, dass es in der Union eine Mehrheit gab”, gibt Jung zu. „Wir mussten viel Überzeugungsarbeit leisten”, meint auch Schwabe. Klimaschutz ist eben eine Querschnittsaufgabe mehrerer Fachbereiche. Da wollen viele mitreden.
So ist das auch bei den Gesetzen zur Energieeffizienz. Die Haushaltspolitiker etwa achten immer genau darauf, dass die Kosten nicht aus dem Ruder laufen. Am Ende einigte man sich darauf, im Rahmen des Gebäudesanierungsprogramms bis zum Jahr 2011 jedes Jahr 1,4 Milliarden Euro über Kredite oder Zuschüsse zur Verfügung zu stellen. Mit dem Geld sollen die Bürger ihre Wohnungen und Häuser besser dämmen, um Heizkosten einzusparen. Beschlossen sind auch schärfere Kontrollauflagen und die Einführung intelligenter Energiezähler. Zusammen reduziert das den Ausstoß von Kohlendioxid laut Bundesregierung um mindestens 30 Millionen Tonnen bis 2020.
Am Gebäudesanierungsprogramm zeigt sich, wie im Bundestag Bündnisse geschmiedet werden. Denn eine bessere Wärmedämmung ist nicht nur gut für das Klima. Sie verschafft auch lokalen Handwerkern mehr Aufträge, kurbelt die Konjunktur an und sorgt damit für mehr Jobs. „Da waren die Wirtschafts- und Kommunalpolitiker gleich dabei”, meint Jung. Deswegen greift die Koalition auch in der Finanzkrise auf dieses Mittel zurück. „Wir haben die Mittel zur Gebäudesanierung noch einmal aufgestockt, weil wir der Meinung sind, dass Klimaschutz in einer unsicheren Zeit neue Jobs bringt”, betont Schwabe.
Die Unterstützung der Umweltverbände haben sie. „Grundsätzlich gehen die Klimagesetze in die richtige Richtung”, meint Brick Medak von der Umweltorganisation WWF. „In seiner Gesamtheit ist das Paket einmalig auf der Welt.” Medak weist aber auch darauf hin, dass nicht alle der 29 Maßnahmen wie geplant umgesetzt wurden. Das betrifft etwa die höhere Lkw-Maut, mit der ein Anreiz für klimafreundliche Fahrzeuge geschaffen werden sollte. Wegen Differenzen mit den Ländern fällt die Erhöhung knapper aus als gedacht. Abstriche gibt es auch beim Ausbau von Biotreibstoffen. Deren Anteil sollte bis 2020 ursprünglich auf 20 Prozent hochgeschraubt werden. Das Ziel hat sich wegen der Konkurrenz zwischen Energie- und Nahrungsmittelpflanzen und wegen technischer Schwierigkeiten bei den Automobilen als zu hoch erwiesen.
Nach langem Ringen innerhalb der großen Koalition gibt es hingegen Bewegung bei der Reform der Kfz- Steuer: Das zweite Konjunkturpaket sieht ab Juli den Kohlendioxidausstoß der Autos als Berechnungsgrundlage für die Steuer vor – anstatt wie bisher den Hubraum. Zudem erhalten Autobesitzer, die ihren mindestens neun Jahre alten Wagen verschrotten, eine Prämie von 2500 Euro. Allerdings müssen sie im Gegenzug einen Neu- oder Jahreswagen kaufen, der mindestens die Euro-IV Norm für den Schadstoffausstoß erfüllt. Ob die Regierung allerdings am Ende ihr Reduktionsziel ganz erreichen wird, können auch Andreas Jung und Frank Schwabe nicht sicher sagen. Sie wissen, in der Politik sind Kompromisse manchmal unausweichlich. „Im Bereich Verkehr hätte auch ich mir mehr und schnelleres Handeln gewünscht”, betont Jung. Sein SPD-Kollege hadert vor allem mit den Wärmegesetzen. „Leider machen wir die erneuerbaren Energien nur in Neubauten, nicht aber in Altbauten zur Pflicht”, meint Schwabe. Trotzdem sagen beide, dass ein guter Anfang gemacht ist. Und in der nächsten Legislaturperiode, da kommt das Thema ohnehin wieder auf den Tisch.
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Text: Jörg Michel
Erschienen am 25. Februar 2009
Erneuerbare Energien
Mehr Informationen unter:
www.erneuerbare-energien.de