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Informationen über dieses Dokument: Seitentitel: Die Republik wird erwachsen
Gültig ab: 10.06.2009 14:21
Autor: Dr. Sönke Petersen
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Die Republik wird erwachsen

Studenten demonstrieren 1968 in Berlin
Studenten demonstrieren 1968 in Berlin
© images/Kunz

Die 60er-Jahre

Wer an die 60er-Jahre der Bundesrepublik denkt, dem fallen schnell die Achtundsechziger ein, jene jungen Leute, die gegen die eigene Elterngeneration aufmuckten, den Staat weiter demokratisieren wollten und deren Spuren noch Jahrzehnte später die Gesellschaft prägten. Doch das zweite Jahrzehnt der jungen Republik steht für mehr als diese Generation.

Es war weltpolitisch das Jahrzehnt der großen Krisen – Berliner Mauerbau, Kubakrise, der Schock der Kennedy-Ermordung. Und im Inneren gab es ebenfalls erhebliche Bewegung: Die Spiegel-Affäre empörte viele Menschen und führte zu einer schweren Regierungskrise; die leidenschaftlichen Debatten im Bundestag über die Verjährung von Naziverbrechen und über die Notstandsgesetze erregten große Teile der Bevölkerung; revolutionäre Entwicklungen wie die Antibabypille stellten bisherige Moralvorstellungen in Frage; der zum Teil gewalttätige Protest der Studenten vergrätzte das „Establishment”. Am Ende dieses bewegten Jahrzehnts wurde erstmals ein Sozialdemokrat – Willy Brandt – Bundeskanzler.

Begonnen hatte das Jahrzehnt mit einem Paukenschlag: dem Bau der Berliner Mauer [» Zum Artikel]. Das monströse Bauwerk trennte fortan die Deutschen in Ost und West.

Am 15. Oktober 1963 trat Adenauer, 87-jährig, zurück. Der Bundestag ehrte ihn mit der Erklärung: „Der Bundestag steht vor Ihnen auf, um für das deutsche Volk dankbar zu bekunden: Konrad Adenauer hat sich um das Vaterland verdient gemacht.”

Zwischen Kontinuität und Korrekturen – so verliefen die ersten Jahre dieses Jahrzehnts. Adenauers Nachfolger Ludwig Erhard und Kurt Georg Kiesinger bemühten sich um Öffnungen der teilweise erstarrten Politik. Eine große Rolle spielte dabei die Auseinandersetzung mit der lange verdrängten NS-Vergangenheit. Spät, viele meinten zu spät, kamen Prozesse wie das Frankfurter Auschwitz-Verfahren in Gang. Die Prozesse schärften das Bewusstsein gerade der jüngeren Generation für die Ungeheuerlichkeit der von Deutschen verübten Verbrechen. Im Bundestag wurde leidenschaftlich darüber diskutiert, ob die strafrechtliche Verjährung nach 20 Jahren auch für Mord und Völkermord gelten dürfe. Das Ergebnis der später als „Sternstunde des Parlaments” gefeierten Debatte fiel allerdings ernüchternd aus: Die Verjährungsfrist für NS-Gewaltverbrechen wurde lediglich verlängert – zunächst bis Ende 1969. Endgültig fiel die Verjährung von Mord erst 1979. „Über Auschwitz wächst kein Gras”, sagte damals der FDP-Politiker Werner Maihofer.

Auf große öffentliche Resonanz stieß die Notstandsgesetzgebung. Zwar hatten Frankreich, Großbritannien und die USA die Bundesrepublik als souveränen Staat anerkannt, doch sie behielten sich Rechte für den Fall des inneren und äußeren Notstands vor. Diese alliierten Rechte konnten nur durch die Aufnahme von Regelungen für den Notstand ins Grundgesetz abgelöst werden. Drei Anläufe über mehrere Jahre brauchte es, bis der Bundestag im Mai 1968 das Grundgesetz in mehreren wichtigen Punkten änderte und eine sogenannte Notstandsverfassung beschloss. Kern war dabei die Errichtung eines „Notparlamentes” in Form eines Gemeinsamen Ausschusses, der sich zu zwei Dritteln aus Bundestagsabgeordneten und zu einem Drittel aus Mitgliedern des Bundesrates zusammensetzt und zum Beispiel im Verteidigungsfall sowohl das Parlament wie den Bundesrat ersetzen soll. Damit bleibt es auch im Notstandsfall bei einer parlamentarischen Kontrolle der Regierung. Die Befürchtungen eines unkontrollierten staatlichen Handelns bestätigten sich nicht. Begleitet wurden die Beratungen von heftigen Protesten und Sternmärschen der Notstandsgegner.

Große Koalition

Ende 1966 kam es mit der Bildung der Großen Koalition zu einem Umbruch mit weitreichenden Folgen: Erstmals in der jungen Republik beteiligten sich Sozialdemokraten an einer Bundesregierung. Vorausgegangen waren wirtschafts- und haushaltspolitische Schwierigkeiten, die die FDP veranlassten, die Regierung Erhard zu verlassen. Die Union nominierte Kurt-Georg Kiesinger zum Kanzlerkandidaten einer Großen Koalition. Obwohl die SPD gegen Kiesinger als ehemaliges NSDAP-Mitglied Bedenken hatte, votierte sie aus strategischen Gründen für die Koalition mit der Union und schickte Willy Brandt als Vizekanzler und Außenminister in die Regierung. Das SPD-Kalkül ging auf: Drei Jahre später war Brandt Bundeskanzler.

Innenpolitisch beschäftigte sich die Große Koalition unter anderem auch mit Plänen einer großen Wahlrechtsreform. Durch das angestrebte Mehrheitswahlrecht wäre die FDP faktisch ausgeschaltet worden, was aber sowohl für die Union wie für die SPD den Verlust eines möglichen Koalitionspartners bedeutet hätte. Deutschlandpolitisch entwickelte die Koalition neue Überlegungen für den Umgang mit der DDR und anderen Ostblockländern. „Wandel durch Annäherung” hieß die Devise.

Am 20. Juli 1969 dann die Sensation dieses Jahrzehnts: Der US-Astronaut Neil Armstrong betrat als erster Mensch den Mond. „Ein kleiner Schritt für einen Mann, aber ein großer Schritt für die Menschheit”, sagte er, und 600 Millionen Menschen am Bildschirm hörten und sahen weltweit zu. Neun Jahre zuvor hatte der junge US-Präsident John F. Kennedy von neuen Hoffnungen und Träumen gesprochen. Im Jahr 2009 – 40 Jahre danach – sagte der neue US-Präsident Barack Obama: „Yes we can!” Eine Botschaft des Optimismus im Jahr der großen Wirtschaftskrise, die auch in Deutschland dankbar aufgenommen wurde.

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Text Dr. Sönke Petersen 
Erschienen am 12. Juni 2009


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