Das schreckliche Symbol des Kalten Krieges in Europa bleibt (vorläufig) erhalten, aber von nun an als Touristenattraktion.
Seit Donnerstagabend ist die Mauer nicht mehr Grenze, sondern Denkmal, Mahnmal dafür, welche Deformationen eine Ideologie nach sich ziehen kann, die einst mit dem Ziel antrat, die Menschen zu befreien.
Die Wiedervereinigung weckt Argwohn (...), das von Moskau aus mithilfe des Perestroika-Sturms in die Berliner Mauer gerissene Loch wird das Vertrauen der westlichen Großmächte erschüttern und die alte Furcht vor einem vereinigten großen Deutschland auferstehen lassen.
Die Realität entwickelt sich schneller als jede Fantasie. Adieu Mauer. Mit dem Näherrücken der Demokratie wird die Flucht nachlassen, freie Wahlen in westlichem Stil werden folgen. Die Kommunisten werden die Herrschaft verlieren und von den demokratisch-liberalen Kräften ersetzt werden. Die Deutschen könnten dann eine rasche Vereinigung vollziehen. Europa wird sich daran gewöhnen müssen, mit dieser neuen Realität samt allen Konsequenzen leben zu lernen.
Nicht immer ist das, was für die Menschheit gut ist, auch für die Juden positiv (...). Ohne Kommunismus ist die Existenz von zwei deutschen Staaten nicht gerechtfertigt. Kaum ein Hindernis wird auf dem Weg zur Wiedervereinigung stehen. Im Herzen Europas wird wieder eine Großmacht, ein vereinigtes Deutschland, mächtig, wohlhabend und selbstbewusst, entstehen. Das reicht, um bei allen Juden ein Schaudern auszulösen.
40 Jahre DDR, 40 Jahre Unterdrückung. Bis gestern. Seit heute können DDR-Bürger frei in den Westen reisen. Das hässliche Band aus Beton trennt Ost- und Westberlin, Ost- und Westdeutschland nicht mehr. Heute zählt nur die Freude, dass die Menschen in der DDR allein ihre Freiheit gefunden haben.
Um glaubwürdig zu werden, muss der Parteiführer Krenz seine Sachen packen, muss die kommunistische Partei ihr Machtmonopol aufgeben und müssen unverzüglich freie Wahlen stattfinden.
Sollte der dramatische Abbau der Spannungen zwischen Ost und West sich fortsetzen (...), wird Macht durch wirtschaftliche, nicht verteidigungspolitische Erwägungen bestimmt. Die Dominanz Deutschlands wird dann eine unausweichliche Realität und man kann kaum davon ausgehen, dass Deutschland in der Welt keine bestimmende Kraft wird. Die zukünftige Gestalt der Europäischen Gemeinschaft ist völlig unklar.
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Chronik
„Der Anfang vom Ende der DDR: Die Jahre 1985-1990”
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Text: Karl-Heinz Baum
Erschienen am 2. Oktober
2009