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Ein Tag im Bundestag kommt in die Medien – Glasklar war live dabei. Im Plenum, bei der dpa, im ARD-Hauptstadtstudio und in den Pressestellen der Fraktionen.
Als an diesem Freitag die ersten Abgeordneten kurz vor acht in den Plenarsaal kommen, weiß keiner, wann die Sitzung enden wird. Einmal, am 25. November 1949, hat das Plenum sogar bis 6 Uhr 23 morgens debattiert. Rekord. Eines steht allerdings auch an diesem Morgen fest: die Tagesordnung, der Fahrplan durch den Sitzungstag: Fragestunde, Regierungserklärung zur Forschungspolitik, der Kongo-Einsatz der Bundeswehr, Abstimmung über das Haushaltsbegleitgesetz mit der Mehrwertsteuererhöhung, Aktuelle Stunde zur BND-Affäre – das sind nur einige Punkte, die behandelt werden. Was die Abgeordneten an solch einem Tag im Plenum des Bundestages beraten, ist übrigens nicht das „Werk eines Tages“, im Gegenteil: Viele Vorschläge, Argumente, Entwürfe sind über Wochen und Monate debattiert, verworfen oder verbessert worden, bis ein Gesetz zur Schlussabstimmung kommt. Demokratie benötigt Zeit.
Nachrichten dagegen sind Tagesgeschäft. Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern, und was abends als Topmeldung im TV kommt, steht schon am Nachmittag im Internet. Wie kommen da überhaupt Politik und Medien auf einen Nenner? Eines ist klar: Ohne Öffentlichkeit funktioniert keine Demokratie. Nur wer informiert ist, kann mitreden und entscheiden. Kritik muss öffentlich sein, um über Lösungen debattieren zu können.
Damit das funktioniert, damit die Nachrichten zu den Menschen kommen, laufen Tag für Tag viele Rädchen ineinander. Und tatsächlich wird nur ein Bruchteil dessen, was an einem Tag im Parlament passiert, zur Nachricht. Freitag, 19. Mai 2006. Ein Tag im Bundestag kommt in die Medien.
7:15 Pressestelle SPD-Fraktion: Zeitungsstudium
Im Plenarsaal herrscht noch Leere, langsam erwacht das Parlament. Ali von Wangenheim, Referent in der Pressestelle der SPD-Fraktion, kommt ins Büro. Dort warten schon die Zeitungen des Tages. Für etwa 45 Minuten heißt es für ihn nun: Lesen, Lesen, Lesen. Was ist Thema in den Zeitungen? Was melden die Agenturen? Den Ticker der Nachrichtenagenturen auf dem Computerbildschirm hat von Wangenheim den Tag über immer im Blick. Schon jetzt kommen Meldungen, Vorberichte, Themenvorschauen.
7:30 Pressestelle CDU/CSU-Fraktion: Morgenlage
Christiane Schwarte, Pressesprecherin der CDU/CSU-Fraktion, berichtet bei der täglichen „Morgenlage“ des Fraktionsvorsitzenden über die aktuelle Presselage. Danach folgt eine Besprechung mit ihren Stellvertretern Verena Herkenhoff und Alexander Görlach. Was sind die Themen des Tages? Muss die Pressestelle auf Zeitungsberichte reagieren? Wie beantwortet man bestimmte Fragen, die an diesem Tag von Journalisten gestellt werden können? Welche Botschaften können heute gesetzt werden?
8:00 Plenum: Fragestunde
Pünktlich eröffnet Bundestagspräsident Norbert Lammert die Sitzung. „Liebe Kollegen und Kolleginnen, ich begrüße Sie herzlich und wünsche uns einen guten Tag“, sagt er zu den knapp dreißig Abgeordneten, die sich zu dieser frühen Stunde im Plenarsaal eingefunden haben. Auf der Regierungsbank haben mehrere Parlamentarische Staatssekretäre aus verschiedenen Bundesministerien Platz genommen. In den kommenden sechzig Minuten stehen sie den Abgeordneten zu deren Fragen über die Regierungspolitik Rede und Antwort.
8:50 dpa: Erste Bundestagsmeldung
Mit einem „kalten Auftakt“ beginnt die Deutsche Presse-Agentur (dpa) ihre Berichterstattung zum Bundestag: Ruppert Mayr, einer der beiden Teamchefs der Bundeskorrespondenten, fasst in acht Zeilen zusammen, was heute aus dem Plenum zu erwarten ist. Die Meldung wird zu Beginn der Debatte über den dpa-Ticker gesendet. „Damit wissen die Kunden, dass nun die Berichterstattung beginnt“, erklärt er. Die nun folgenden Bundestagsmeldungen gelangen neben rund 750 anderen Nachrichten über den so genannten dpa-Basisdienst auf die Bildschirme von fast allen deutschen Zeitungen, TV- und Radiosendern.
9:00 Plenum: Regierungserklärung
Annette Schavan (CDU/CSU), Bundesministerin für Bildung und Forschung, tritt ans Rednerpult. „Deutschland ist weltweit die drittgrößte Industrienation und mit seinen technologiestarken Unternehmen seit Jahren Exportweltmeister“, sagt sie. „Aber andere holen auf.“ 25 Minuten lang legt die Ministerin dar, wie die Regierung Forschung und Entwicklung fördern und damit Deutschlands wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit sichern will.
9:00 dpa: Redaktionskonferenz
Die tägliche Konferenzliveschaltung mit der Zentrale in Hamburg und mit Frankfurt beginnt. Es wird noch einmal besprochen, welche Themen heute auf der Tagesordnung stehen. Ganz oben auf der Liste: die Abstimmung über das Haushaltsbegleitgesetz, bei dem die von der Regierung geplante Mehrwertsteuererhöhung beschlossen werden soll. „30 Prozent der redaktionellen Arbeit gehen auf die Planung“, so der Leiter des Bundesbüros, Martin Bialecki. Ständig wird anhand des Medienechos nachkontrolliert, ob man mit den Schwerpunkten in der Berichterstattung richtig liegt.
10:00 Pressestelle FDP-Fraktion: Plakataktion
Fraktionspressesprecher Christoph Steegmans ist auf dem Weg zum Brandenburger Tor. Kurz vor der Abstimmung im Bundestag will die FDP dort mit einer Plakataktion ein Signal gegen die Mehrwertsteuererhöhung setzen. Die Veranstaltung hat Steegmans mit dem 7-köpfi gen Team der Pressestelle vorbereitet: Ein Plakat, das Vizekanzler Franz Müntefering mit seinem früheren Ausspruch „Die Mehrwertsteuererhöhung kostet Arbeitsplätze“ zeigt, wird um 10 Uhr 30 vor den Kameras der Journalisten enthüllt.
10:52 dpa: Fliegender Themenwechsel
Da der Bundestag heute besonders viele Fachfragen behandelt, holt man sich das Bundestagsgeschehen in den Redaktionsgroßraum. Per Zuruf übernimmt immer der Korrespondent das nächstfolgende Thema, der für dieses Ressort zuständig ist. Mit diesem „fl iegenden Wechsel“ ist die Beobachtung des Bundestages nie unterbrochen. Zur Plenarsitzung gehen die 15 Korrespondenten dann, wenn sie mit einem Politiker sprechen oder wenn sie in einem „Korrespondentenbericht“ die Atmosphäre einfangen wollen.
11:06 Plenum: Erste Lesung Kongo-Einsatz
„Nur ein stabiler Kongo kann verhindern, dass ganz Zentralafrika erneut in Zerstörung und Krieg verfällt.“ Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) wirbt bei den Abgeordneten für den geplanten Einsatz von Truppen aus Mitgliedsländern der EU in der Demokratischen Republik Kongo. Nach dem Willen der Bundesregierung sollen bis zu 780 Bundeswehrsoldaten im Rahmen der EU-Mission helfen, die Wahlen in dem von Unruhen gezeichneten Land abzusichern. Ohne die Zustimmung des Bundestages darf kein deutscher Soldat an Auslandseinsätzen teilnehmen. Eine Entscheidung fällt in der heutigen Ersten Lesung nicht, zunächst wird der Antrag der Bundesregierung in den Auswärtigen Ausschuss überwiesen. Erst wenn dessen Mitglieder dem Bundestag die Annahme des Antrags empfehlen, wird das Parlament darüber abstimmen.
12:00 Pressestelle Die Linke.: Journalistenanfragen
Gerade ist Pressesprecher Hendrik Thalheim von einer Diskussionsrunde mit Jugendlichen bei den Jugendmedientagen im Bundestag zurückgekehrt, da klingelt schon das Telefon. Journalisten fragen nach Interviewterminen. Sie wollen Aussagen zur BND-Affäre, zu der heute eine Aktuelle Stunde im Plenum stattfi ndet, und zur Erhöhung der Mehrwertsteuer. Thalheim arbeitet unter Hochdruck: Abgeordnete anrufen, Zeit absprechen, Ort fi nden, Journalisten benachrichtigen.
12:15 ARD: Redaktionskonferenz
Im Sitzungsraum des ARD-Hauptstadtstudios treffen sich die Fernsehkorrespondenten zur Redaktionskonferenz. „Wie sieht’s aus?“, will Chefredakteur Thomas Roth wissen, als die rund 15 Redakteure und Mitarbeiter Platz genommen haben. „Wir haben aktuell drei Themen“, antwortet Chef vom Dienst Jürgen Osterhage: „Die BND-Affäre, der Bundeswehreinsatz im Kongo und die Abstimmung über die Erhöhung der Mehrwertsteuer.“
Als CvD ist Osterhage verantwortlich für die aktuelle Planung: Über die Wichtigkeit der Themen entscheidet er mit den anderen Redakteuren, und er koordiniert, wer welches Thema übernimmt. Für „die Mehrwertsteuer“ hat Osterhage gleich drei Redakteure eingeteilt. Die Bundestagsentscheidung über das Haushaltsbegleitgesetz ist eines der Topthemen.
12:20 Plenum: Haushaltsbegleitgesetz
Hitzige Wortgefechte im gut besetzten Plenum bei der Zweiten und Dritten Lesung des Haushaltsbegleitgesetzes. Kein Wunder: Hinter dem Titel verbirgt sich die größte Mehrwertsteuererhöhung in der Geschichte der Bundesrepublik, und die soll heute beschlossen werden. Gregor Gysi, Vorsitzender der Fraktion Die Linke., attackiert die Regierung: „Die Defi zite, die Sie selbst verursacht haben, holen Sie sich jetzt von der normalen Bevölkerung zurück.“ Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) hingegen ist überzeugt: „Ohne diese Maßnahme würden die öffentlichen Haushalte zerreißen.“ Auch FDP-Fraktionschef Guido Westerwelle hält die Steuererhöhungen für „Unfug“. Er zeigt mehrere Flugblätter der SPD aus dem letzten Bundestagswahlkampf, auf denen eine Erhöhung der Mehrwertsteuer abgelehnt wird.
12:30 ARD: Beitrag Mittagsmagazin
Im Schnittraum arbeitet Redakteur Norbert Carius unter Hochdruck. Noch eine halbe Stunde, dann soll sein Beitrag über die Debatte zur Mehrwertsteuererhöhung für das Mittagsmagazin fertig sein. Seit dem Morgen fi lmen zwei Kameraleute von der Pressetribüne im Plenarsaal die Debatte. Während Cutterin Ines Zierdt am digitalen Schnittplatz das Bildmaterial sichtet, hat Carius neben ihr am Computer schon mit dem Texten begonnen. Immer wieder überprüft er parallel anhand der Agenturmeldungen, ob sein Text noch auf dem neuesten Stand ist. Carius und Zierdt sind ein eingespieltes Team. „Nimm lieber das Bild mit dem FDP-Plakat als erstes, dann kann ich so anfangen ...“, sagt Carius und liest laut, was er geschrieben hat.
Zierdt lässt dazu die Bilder laufen. So können sie gemeinsam kontrollieren, ob Bild und Text zusammenpassen. Als der Beitrag steht, eilt Carius ins Synchronstudio. Dort muss er ihn vertonen. „Und los“, sagt der Techniker und gibt dem Redakteur, der abgetrennt durch eine Glasscheibe im anderen Raum des Studios sitzt, ein Handzeichen. Carius liest seinen Text ins Mikrofon. Schon nach wenigen Minuten ist der Beitrag komplett, wird gespeichert und über das Leitungsnetz der ARD nach München, zur Redaktion des Mittagsmagazins, überspielt. Um 1 Uhr beginnt die Sendung, Moderatorin Hannelore Fischer kündigt den Beitrag zur Mehrwertsteuer an. Geschafft.
13:00 dpa: Nachrichtenverteilen
Wie am Fließband treffen die Meldungen auf ihrem Weg in den dpa-Ticker am so genannten „Tisch“ ein. Hier werden sie verteilt, redigiert, gekürzt und in den Basisdienst gestellt. „Zu Stoßzeiten sind schon mal 25 Meldungen oder auch mehr in der Warteschleife“, so der leitende Redakteur am „Tisch“, Markus Klemm. Per Videoleitung ist er im Blickkontakt mit dem Chef vom Dienst in Hamburg. Zwischen 23 und 7 Uhr übernimmt Hamburg die „Tisch“-Funktion, denn dpa berichtet rund um die Uhr. Gerd Reuter, stellvertretender Leiter des Bundesbüros, erklärt das dpa-Credo: „Be fi rst, but fi rst be right. Wir haben deshalb einen guten Ruf, weil wir zuverlässig sind.“
14:10 Plenum: Abstimmung
Nachdem die Aussprache, an der sich 13 Redner beteiligt haben, beendet ist, wird über das Haushaltsbegleitgesetz abgestimmt. Zunächst erfolgt eine Abstimmung per Handzeichen. Dann versammeln sich für die namentliche Schlussabstimmung alle anwesenden Abgeordneten um vier Wahlurnen, die von den Saaldienern aufgestellt wurden. Nachdem jeder Volksvertreter seine Stimme abgegeben hat, werden die Urnen aus dem Saal getragen. Die Auszählung der Stimmen beginnt. Wenig später gibt Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau das Ergebnis bekannt: „Abgegebene Stimmen 545. Mit Ja haben 396 Kolleginnen und Kollegen gestimmt, mit Nein haben 146 Abgeordnete gestimmt und drei haben sich enthalten. Der Gesetzentwurf ist angenommen.“
14:26 dpa: Eilmeldung
Der dpa-Korrespondent für Finanzen, André Stahl, hat vor seinem Bildschirm auf die Ergebnisse der Abstimmung über das Haushaltsbegleitgesetz gewartet. Seine Eilmeldung hat er bereits vorbereitet. Jetzt muss er nur noch das Ergebnis einfügen. Dann schickt er sie an den „Tisch“ und ruft „Eil!“ durch den Raum, damit die Eilmeldung sofort in den Basisdienst gestellt wird. Sie erscheint auf dem dpa-Ticker in roter Farbe. Kurz darauf ist sie bereits in demselben Wortlaut beim Fernsehsender n-tv auf dem roten Laufband unter „Breaking news“ wiederzufinden: „Der Bundestag hat die umstrittene Erhöhung der Mehrwertsteuer gebilligt. Mit den Stimmen von Union und SPD und gegen den Widerstand von Wirtschaft sowie Opposition ...“ 17 aktualisierte Zusammenfassungen samt Hintergrundberichten rund ums Haushaltsbegleitgesetz werden an diesem Tag folgen.
15:00 Plenum: Aktuelle Stunde
Auf der Regierungsbank sitzt Thomas de Maizière (CDU). Als Kanzleramtsminister unterstehen ihm die Geheimdienste, und deshalb ist er jetzt hier. Denn auf Antrag der Fraktion Die Linke. geht es in der heutigen Aktuellen Stunde um mögliche Beeinträchtigungen der Pressefreiheit durch Aktivitäten des Bundesnachrichtendienstes.
16:50 ARD: Tagesschaubeitrag
Redakteur Carius sitzt wieder im Schnittraum. Nun steht der Beitrag für die 20- Uhr-Ausgabe der „Tagesschau“ an. In der Zwischenzeit hat ein Kollege stündlich das Thema Mehrwertsteuer und Haushaltsbegleitgesetz für die Tagesschau aktualisiert. Zusammen mit dem Cutter sichtet Carius nun neues Bildmaterial, das über den Tag reingekommen ist. „Super, wir nehmen die Aufnahmen, wo Steinbrück sich die Stirn reibt“, sagt er.
17:40 Plenum: Steueränderungsgesetz
„Meine Damen und Herren! Ich finde, dieser Gesetzentwurf ist sehr wichtig und hoch kontrovers.“ Es ist Volker Beck, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen, der das sagt. „Auch wenn es bald 18 Uhr ist, bin ich der Meinung: Da es um ein wichtiges Reformwerk geht, hätten wir es verdient, dass uns der zuständige Minister Rede und Antwort steht.“ Mit dem Steueränderungsgesetz, das heute in Erster Lesung beraten wird, wollen die Koalitionsfraktionen unter anderem die so genannte „Reichensteuer“ sowie eine Kürzung der Pendlerpauschale festschreiben. „Daher, Frau Präsidentin“, fährt Beck fort, „beantragen wir die Zitierung des Bundesministers der Finanzen und verbinden diesen Antrag nach Paragraph 45 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages mit der Feststellung der Beschlussfähigkeit.“ Nach der Geschäftsordnung ist der Bundestag nur dann beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte seiner Mitglieder im Sitzungssaal anwesend ist.
17:40 ARD: News im Parlamentsfernsehen
Der Text zum Tagesschaubeitrag ist fast fertig. In seinem letzten Satz will Redakteur Carius noch auf die fi nanziellen Belastungen hinweisen, die der Entwurf zum Steueränderungsgesetz enthält. „Schauen wir doch mal nach, wie weit das Plenum ist“, sagt er und schaltet das Parlamentsfernsehen ein. Carius stutzt. „Was ist denn da los?“ Per „Hammelsprung“ wird gerade festgestellt, ob das Parlament überhaupt noch beschlussfähig ist. „Gut, dass wir den Fernseher eingeschaltet haben“, sagt er.
17:47 Plenum: Hammelsprung
Weil der Sitzungsvorstand die Beschlussfähigkeit „nicht einmütig bejahen“ kann, hat Vizepräsidentin Katrin Göring- Eckardt dem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen stattgegeben. Nun wird per „Hammelsprung“ die Beschlussfähigkeit geprüft und über die Herbeirufung des Ministers abgestimmt. Dazu verlassen die Abgeordneten den Plenarsaal und werden bei der Rückkehr durch drei mit „Ja“, „Nein“ und „Enthaltung“ gekennzeichnete Türen gezählt. Die Abgeordneten kommen in den Saal zurück, dann gibt die Vizepräsidentin das Ergebnis der Auszählung bekannt: „Zu diesem Zeitpunkt befi nden sich in diesem Saal 148 Abgeordnete. Damit ist die Beschlussunfähigkeit festgestellt. Ich hebe die Sitzung auf.“
18:00 Pressestelle Bündnis 90/Die Grünen: Telefonaktion
Da es Volker Beck von Bündnis 90/Die Grünen war, der den Antrag auf Überprüfung der Beschlussfähigkeit gestellt hat, rufen nun in der Pressestelle der Fraktion Journalisten an und fragen, was genau passiert ist. Schnell telefoniert Markus Kamrad, stellvertretender Pressesprecher, mit Beck und spricht mit ihm ein Zitat ab, das veröffentlicht werden soll. Dann startet eine Telefonaktion: Alle Nachrichtenagenturen werden von ihm und der Pressereferentin Iris Roder über den Vorgang informiert und mit dem Zitat versorgt. Parallel bereitet Kamrad eine Pressemitteilung vor.
19:27 dpa: Letzte Bundestagsmeldung
Eine letzte zusammenfassende Meldung läuft über den Ticker: „Abruptes Ende einer Bundestagssitzung: Weil am Freitagabend zu wenige Parlamentarier im Plenum anwesen waren, wurde die Debatte überraschend abgebrochen ...“
20:00 ARD: Tagesschau
Norbert Carius hat seinen Beitrag nach dem Abbruch der Debatte nochmals aktualisiert. Die Hauptnachrichten beginnen. „Der Bundestag hat heute die größte Mehrwertsteuerreform in der Geschichte beschlossen ...“, sagt Sprecher Marc Bator. Der Beitrag läuft an.
Fragestunde
In jeder Sitzungswoche gibt es eine Fragestunde im Bundestag, die in der Regel am Mittwoch stattfi ndet. Jeder Abgeordnete kann bis zu zwei Fragen zur mündlichen Beantwortung an die Bundesregierung richten. Jede Frage darf in zwei Unterfragen unterteilt werden und während der Fragestunde können Zusatzfragen gestellt werden. Meist beantworten nach Austausch der Standpunkte Staatssekretäre oder Staats minister die Fragen, manch mal auch die Minister selbst.
Sitzungspräsident
Die wichtigste Aufgabe des Bundestagspräsidenten und seiner Stellvertreter ist die Leitung der Bundestagssitzungen. Bei längeren Plenarsitzungen wechseln sich die Präsidiumsmitglieder bei dieser Aufgabe ab. Der Sitzungspräsident achtet auf die Einhaltung der Redezeiten, der Abläufe bei Wortmeldungen und er leitet Abstimmungen und Wahlen im Plenum. Bei Verstößen gegen Umgangsformen kann er nach der Geschäftsordnung im Plenum Ordnungsmaßnahmen ergreifen.
Regierungserklärung
In Regierungserklärungen stellt die Regierung vor dem Bundestag ihre Politik dar. Sie werden von der Bundeskanzlerin oder dem für ein Arbeitsfeld zuständigen Minister abgegeben und stehen häufi g in Zusammenhang mit wichtigen Entwicklungen oder Vorhaben der Regierung. Besonders wichtig ist die Regierungserklärung nach der Wahl der Kanzlerin am Beginn einer Wahlperiode, in der sie die Leitlinien ihrer Politik vorstellt.
Beratung (Lesung)
Im Bundestag gibt es zu einem Gesetzentwurf drei Beratungen, Lesungen genannt. In der Ersten Lesung wird der Gesetzentwurf vorgestellt und dann zur genaueren Prüfung und Bearbeitung an den zuständigen Ausschuss geleitet. In der Zweiten Lesung berichten die Mitglieder des Ausschusses über ihre Ergebnisse, die Fachleute der Fraktionen erläutern ihre Auffassungen und Bedenken. In der Dritten Lesung kommt es dann zur Schlussabstimmung.
Namentliche Abstimmung
Bei einer namentlichen Abstimmung im Plenum benutzen die Abgeordneten Stimmkarten mit dem Aufdruck des Namens und ihrer Fraktion. Blaue Karten bedeuten „Ja“, rote Karten „Nein“, weiße Karten Stimmenthaltung. Eine namentliche Abstimmung muss durchgeführt werden, wenn eine Fraktion oder mindestens fünf Prozent der Abgeordneten dies verlangen. Sie wird besonders bei umstrittenen Themen beantragt. Das Ergebnis der Abstimmung mit den Namenslisten aller Abgeordneten und ihrer Stimmabgabe kann dann im Protokoll nachgelesen werden.
Aktuelle Stunde
In Aktuellen Stunden werden in der Öffentlichkeit kontrovers diskutierte Themen aufgegriffen. Sie sollen einen lebendigen Schlagabtausch ermöglichen und werden dann angesetzt, wenn eine Fraktion es verlangt. Die Abgeordnetenbeiträge dürfen nicht länger als fünf Minuten dauern und machen so die rhetorische Auseinandersetzung spannend.
Gesetzentwurf
Ein Gesetzentwurf ist die Vorlage für ein neues Gesetz, über das der Bundestag entscheiden soll. Gesetzentwürfe werden durch die Bundesregierung, aus der Mitte des Parlaments oder durch den Bundesrat eingebracht. Entwürfe der Bundesregierung müssen zunächst dem Bundesrat zur Stellungnahme zugeleitet werden. Möchte der Bundesrat einen Gesetzentwurf einbringen, leitet er ihn erst der Regierung zu, die ihre Auffassung darlegt und den Entwurf an den Bundestag weiterleitet.
Hammelsprung
Vereinfacht gesagt: eine Abstimmung mit den Füßen. Mit dem „Hammelsprung“ sollen Zweifelsfälle bereinigt werden, wenn das Ergebnis einer offenen Abstimmung im Sitzungsvorstand unterschiedlich beurteilt wird. Beim „Hammelsprung“ verlassen die Abgeordneten das Plenum und werden bei der Rückkehr durch eine von drei Türen (Ja – Nein – Enthaltung) gezählt. Der Name geht auf ein Bild über einer Abstimmungstür im Reichstagsgebäude zurück, das den blinden Riesen Polyphem zeigt, der seine Hammel zählt.
Die Schauplätze
ARD
In der 1950 gegründeten Arbeitsgemeinschaft der
öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik
Deutschland haben sich neun Landesrundfunkanstalten sowie die
Deutsche Welle zusammengeschlossen. Im ARD-Gemeinschaftsprogramm
„Das Erste“ wird allabendlich die Tagesschau
ausgestrahlt, die älteste Nachrichtensendung im deutschen
Fernsehen, gestartet 1952.
www.ard.de
Deutsche Presse-Agentur
Die dpa ist
die größte Nachrichtenagentur in Deutschland und eine
der großen in der Welt. 1949 wurde sie gegründet, der
Hauptsitz ist Hamburg. Ihre Korrespondenten berichten in Wort,
Bild, Grafi k und Ton rund um die Uhr. Laut Statut
„unparteiisch und unabhängig von Einwirkungen und
Einflüssen durch Parteien, Weltanschauungsgruppen,
Wirtschafts- und Finanzgruppen und Regierungen.“
www.dpa.de
Plenarsaal
Der Plenarsaal im Reichstagsgebäude ist der zentrale
Versammlungsort der gewählten Volksvertreter. Hier wird von
den Abgeordneten die Kanzlerin gewählt, hier werden die
Gesetze des Bundes beschlossen und hier muss die Regierung ihre
Politik rechtfertigen. Die Debatten dort sind öffentlich.
www.bundestag.de/parlament
Pressestellen der Fraktionen
Jede der derzeit fünf Fraktionen des Bundestages hat eine Pressestelle und einen Pressesprecher, die die Öffentlichkeit mit Neuigkeiten über die Fraktionspolitik versorgen, für Fragen der Journalisten zur Verfügung stehen oder Gespräche mit Abgeordneten arrangieren.
CDU/CSU-Fraktion:
www.cducsu.de
SPD-Fraktion:
www.spdfraktion.de
FDP-Fraktion:
www.fdp-fraktion.de
Fraktion Die Linke.:
www.linksfraktion.de
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen:
www.gruene-bundestag.de