Schwungvoll geht die Tür auf, herein stürmt Marieluise Beck. Eleganter Hosenanzug, modischer Kurzhaarschnitt, strahlendes Lächeln. Und entschuldigt sich erst einmal dafür, dass unser Gespräch im Besprechungsraum der Fraktion stattfinden muss. In ihrem eigenen Büro habe sie nämlich gar keinen Schreibtisch mehr, erklärt sie. Damit ihre Mitarbeiter mehr Platz hätten. Und weil sie ohnehin fast die ganze Zeit auf Reisen sei.
Russland, Zentralasien, Weißrussland - Beck zieht es in Länder, die westliche Politiker gemeinhin eher meiden. Autokratisch regierte Staaten, in denen Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung sind.
"Sechs Mal bin ich im letzten Jahr in Russland gewesen, vier Mal in Usbekistan, mehrmals in Weißrussland - immer im Umfeld von Bürgerrechtlern und zivilgesellschaftlichen Gruppen", erzählt die 55-Jährige, die Mitglied im Auswärtigen Ausschuss ist. "Es ist so wichtig, diese Menschen, die oft unter Repressalien leiden, von außen moralisch zu unterstützen."
Das Thema Menschenrechte hat der gebürtigen Osnabrückerin, die seit den achtziger Jahren in Bremen lebt, stets besonders am Herzen gelegen. 1980 tritt sie den Grünen bei, die sich ja nicht nur als Öko-, sondern auch als Menschenrechtspartei verstehen.
Als ihnen 1983 der Sprung ins Parlament gelingt, ist Beck mit dabei. Unvergessen ihr Auftritt im Bundestag, als sie Helmut Kohl nach seiner Wahl zum Bundeskanzler im März 1983 einen vom sauren Regen stark gezeichneten Tannenzweig überreicht. Wenn man Marieluise Beck heute auf diese Szene anspricht, muss sie schmunzeln. Klar habe sie vor ihrem Auftritt Angst gehabt. Gleichzeitig habe es sie aber auch gereizt, "eine gewisse Barriere zu überwinden". "Angstlustig" nennt die Politikerin das, die als einzige von ihren damaligen Fraktionskolleginnen und -kollegen noch heute im Bundestag sitzt. Dass sie keine ist, die sich einschüchtern lässt, hat die Mutter zweier Töchter so manches Mal unter Beweis gestellt. In den neunziger Jahren zum Beispiel, als sie viel auf dem Balkan unterwegs ist und das Elend der Flüchtlinge im vom Krieg zerrütteten Ex-Jugoslawien hautnah miterlebt. "Die Blauhelmeinsätze waren eine Katastrophe", erinnert sie sich.
"In einem Kriegsgebiet, in dem die Menschen offen bedroht, vertrieben, vergewaltigt und vernichtet wurden, war von den vereinten Nationen ein friedenserhaltendes Mandat eingerichtet worden: Das fand ich so unglaublich, dass ich noch einmal sehr darüber nachdenken musste, was Pazifismus in der Konsequenz bedeuten kann." Als eine der ersten Grünen befürwortet sie den Einsatz militärischer Mittel im Krisengebiet. Offen berichtet sie, dass sie damals an ihrer eigenen Partei, die in großen Teilen Kampfeinsätze der Bundeswehr ablehnt, fast verzweifelt sei.
Ihre Erfahrungen in der Flüchtlingspolitik kommen Beck zugute, als sie 1998 von der rot-grünen Regierungskoalition zur Beauftragten für Migration, Flüchtlinge und Integration ernannt wird. Damals, so Beck, sei Integration zum ersten Mal zum Gegenstand von Gesetzgebung gemacht worden. "Heute bestreitet kein Mensch mehr, dass wir eine Einwanderungsgesellschaft sind", sagt sie. "Von dieser Einsicht waren wir 1998, als ich das Amt übernommen habe, noch weit entfernt."
Für ihre Verdienste auf diesem Gebiet wurde Beck erst kürzlich mit dem Regine-Hildebrandt-Preis der "Stiftung Solidarität" geehrt. Ihr vor allem, so die Jury, sei es zu danken, dass im "Zuwanderungsgesetz erstmals Maßnahmen zur soziokulturellen Einbeziehung der in Deutschland lebenden Zuwanderer verbindlich festgeschrieben wurden".
Beck selbst formuliert es weniger akademisch: "Das sind Schritte gewesen, die überfällig waren, wie so manches, was Grüne in die Parlamente getragen haben."
Überhaupt: Mit der Bilanz ihres politischen Wirkens ist sie zufrieden: "Wenn ich irgendwann einmal im Lehnstuhl sitze und auf mein politisches Leben zurückblicke", erklärt sie lachend, "dann kann ich sagen: So schlecht war das damals eigentlich nicht."