KULTURGESCHICHTE
Das Okkulte als ständiger medialer Begleiter der Aufklärung
Da sollen angeblich in düsterster Vorzeit Raumfahrer von fremden Galaxien gekommen sein, nur um irgendwo auf unserem blauen Planeten unbekannte weibliche Wesen zu befruchten. Ein absurdes Szenario. Ein intergalaktischer Liebesakt als erster Schritt in Richtung Hominisation. Denn diese aus kosmischer Liaison hervorgegangenen Kinder sollen derart intelligent gewesen sein, dass sie erstmals fähig waren zu komplexem Sozialverhalten. Schöpfer solch exquisiter Fantasien ist der aus Schaffhausen stammende einstige Hotelfacharbeiter Erich von Däniken. Seit Jahrzehnten schon tischt er in gelernter Kellnermanier die hanebüchensten Vorzeitmythen auf. Seine Fangemeinde dankt es ihm. In 32 Sprachen sind von Dänikens Bücher bis heute übersetzt worden.
Dabei ist der schweizer Oberkellner beileibe nicht der einzige, der im Schatten der Aufklärung ein okkultes Unwesen treibt. Da ist zum Beispiel der Wiener Kühlgerätefachmann Hanns Hörbiger. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hat der eine Entstehungsgeschichte des Universums ersonnen, in der nahezu alles vorkommt, was einen Kühlgerätefachmann umtreibt: Eis nämlich, Kälte und viel Wasser. In der als "Weltheitslehre" bekannt gewordenen Theorie ist das Universum hervorgegangen aus einem Antagonismus aus Eis- und Sonnenplaneten. Man könnte das für eine besondere Spielart Wiener Schmähs halten, hätte Hörbiger mit dieser Ansicht nicht auch Einfluss aus das verrückte Weltbild Heinrich Himmlers geübt. Der schrieb 1938 in einem Brief, dass er Hörbigers Eis-Theorie auf "wärmste unterstützen" wolle.
Von solchen Weltanschauungen aus dem Heimbaukasten gibt es unzählige. Waren sie im Mittelalter noch Produkt von Volksfrömmigkeit und Unbedarftheit, so segeln sie seit der Renaissance im Windschatten der Aufklärung mit. Einst als Hexenbesen gestartet, ist dabei manch okkulte Vorstellung als Ufo wieder zurückgekehrt. Dieser Ansicht ist zumindest Sabine Doering-Manteuffel. In ihrem Buch "Das Okkulte" präsentiert die Augsburger Ethnologin unzählige Geschichten aus dem Reich der Hellseherstuben und Hexenküchen.
Doering-Manteuffels Grundüberlegung ist dabei einfach und bestechend: Das mit dem Buchdruck einsetzende Medienzeitalter habe nicht nur Information, Bildung und Vernunft befördert, es stellte zudem die publizistischen Kanäle für allerhand Schmarren und Schrullen zur Verfügung. Der moderne Okkultismus sei Produkt aus Gutenbergs Werk und Teufels Beitrag. Denn esoterische oder astrologische Büchlein mussten nur die gleichen Kanäle benutzen wie die Traktate der Aufklärung, schon war ihnen ein Publikum sicher.
Dass Doering-Manteuffel mit dieser medientheoretischen Reflexion sicherlich Recht hat, beweist allein ein Blick in das Sortiment zeitgenössischer Buchhandlungen. Literatur zum New Age sowie zu manch anderem Hokuspokus nimmt hier oft mehr Raum ein, als die Gesamtausgaben von Kant oder Hegel. Die Dialektik der Aufklärung, sie ist zu einer Frage von Regalmetern geworden. Seit dem Internet, so Doering-Manteuffels abschließende Überlegung, sei es mit den düsteren Mächten nicht besser geworden. Im Gegenteil. Die Cyberworld sei bereits in sich selbst okkult. Der Teufel stecke eben nicht nur im Detail, er stecke vor allem in der Matrix. Ein Blick etwa in Wikipedia beweise, dass hier jeglicher Informationsursprung im Dunkeln - und ergo im Okkulten bleibe. Nicht das, was wahr sei, habe hier bestand; es ginge einzig um das, was von einer Community geglaubt werde.
Vermutlich ist dieser leider zu kurz geratene Teil des Buches der medienphilosophisch interessanteste. Denn sollten die Überlegungen zutreffen, dann befinden wir uns auf direktem Weg in ein neues heidnisches Zeitalter. Der Kult um das Netz wäre demnach nur die neueste Variante eines Glauben wider besseren Wissens.
Das Okkulte. Eine Erfolgsgeschichte im Schatten der Aufklärung.
Siedler Verlag, München 2008; 352 S., 24,95 ¤