USA
Während Obama auf dem Klimagipfel verhandelt, droht sein Klimaschutzgesetz im Senat zu scheitern
Barack Obama ist gerade aus dem norwegischen Oslo zurück, wo er den Friedensnobelpreis entgegen nahm, da steigt er wieder ins Flugzeug nach Europa. Diesmal geht es nach Kopenhagen. Nach zehn Tagen kontroverser Beratungen geht die UN-Klimakonferenz in die entscheidende Schlussrunde. In Europa knüpfen manche große Hoffnungen an Obamas Anwesenheit - als könne er allein einen Erfolg herbei moderieren.
Gewiss, die USA haben großen Einfluss auf den Ausgang. Aber die Spekulationen der vergangenen Monate, welche Positionswechsel Amerikas noch denkbar seien, waren zumeist übertrieben. Jüngstes Beispiel: Als Obama seinen Besuch in Kopenhagen vom 9. auf den 18. Dezember verschob und die US-Umweltbehörde EPA nahezu zeitgleich Kohlendioxid zu einem Luftschadstoff erklärte, dessen Ausstoß sie per Verordnung regeln dürfe, deuteten manche deutsche Medien das als Zeichen: Obama habe ein Ass im Ärmel und gedenke es zu spielen. Tatsächlich ist das Vorgehen der EPA die Folge eines Verfassungsgerichtsurteils aus den Bush-Jahren und hat wenig mit Kopenhagen zu tun.
Seit geraumer Zeit lässt sich ziemlich präzise eingrenzen, welche Zugeständnisse der Präsident in Kopenhagen machen kann und welche nicht. Er ist abhängig davon, was der Kongress mitmacht und was die politische Klasse der Gesellschaft an Auflagen meint zumuten zu können.
Das abschreckende Gegenbeispiel ist der Umgang seines Vorvorgängers Bill Clinton mit dem Kioto-Protokoll. Dessen Vizepräsident Al Gore hatte das Klimaabkommen 1998 für die USA unterzeichnet. Doch Clinton legte es dem Kongress nie zur Ratifizierung vor. Erstens hatte der Senat vorab erklärt, dass er kein Abkommen akzeptiere, das der Industrienation USA Auflagen mache, wirtschaftlichen Konkurrenten wie China jedoch nicht. Zweitens gab es verfassungsrechtliche Bedenken gegen einen internationalen Vertrag, der Amerika zu staatlichen Ausgaben zwinge, da das alleinige Budgetrecht dem Kongress zustehe. Im Ergebnis war Clintons Pro-Kioto-Rhetorik ohne parlamentarischen Rückhalt nichts wert. Barack Obama wird deshalb nur zugestehen, was er zuhause für durchsetzbar hält.
Mit Blick auf Kopenhagen galt und gilt: Klimaschutz ist kein Ziel, mit dem der Präsident bei den US-Bürgern punkten kann. Vorrang haben die wirtschaftliche Erholung nach der tiefen Rezession, die Gesundheitsreform und Afghanistan. Zwischenzeitlich hatte Obama erwogen, nicht nach Kopenhagen zu reisen. Dass er nun doch kommt, ist eine Geste des guten Willens an Europa und die Bekräftigung seines Anspruchs, global zu führen.
Inhaltlich wird er nicht über den Entwurf des Klimaschutzgesetzes hinausgehen, den das Abgeordnetenhaus im Juni verabschiedet hat: 17 Prozent Reduzierung der Treibhausgase bis 2020. Doch als Bezugsjahr nehmen die USA das Jahr 2005. Legt man, wie in Europa üblich, 1990 zugrunde, bedeutet das nur einen Rückgang um vier Prozent. Das irreführende Referenzjahr 2005 erklärt auch, warum Obama einen CO2-Rückgang bis 2050 um beeindruckende 83 Prozent in Aussicht stellen kann. Der Präsident versteht sein Angebot zudem nicht als rechtlich verbindlich, sondern nur als Zusage, die allenfalls politische Bindungswirkung hat. Er steht damit nicht allein, sondern weiß China, das die USA inzwischen beim Ausstoß von CO2 überholt hat, Indien und weitere Staaten an seiner Seite.
Für Europa ist die US-Position enttäuschend. Aus amerikanischer Sicht jedoch bedeuten die Zahlen den Mut zum Risiko. Noch nie ist ein US-Präsident den Klimaschützern so weit entgegen gekommen - er tut es zudem inmitten der schwersten Wirtschaftskrise seit 70 Jahren. Dabei hat Obama bisher keine Rückendeckung der zweiten Kongresskammer. Das nach den Autoren des Entwurfs benannte Waxman-Markey-Gesetz liegt seit Monaten im Senat und hat dort geringe Aussichten auf eine Mehrheit. Der republikanische Senator George Voinovich aus Ohio, zum Beispiel, boykottierte bereits die Beratungen im Umweltausschuss des Senats weitgehend, weil das Gesetz, wie er sagt, Arbeitsplätze vernichte. Das entscheidende Hindernis sind jedoch moderate demokratische Senatoren aus Staaten mit großen Kohlevorkommen oder Regionen, in denen die Energiewirtschaft eine wichtige Rolle spielt.
Um Beschlüsse des Senatsplenums herbeizuführen, sind 60 der insgesamt 100 Stimmen nötig. Die Demokraten haben nur 58 Sitze. Zwei parteilose Senatoren stimmen zwar meist mit ihnen, doch auch rund ein Dutzend demokratische Senatoren haben Vorbehalte gegen eine substanzielle Verringerung von Treibhausgasen, zum Beispiel die beiden demokratischen Senatoren aus dem konservativen Agrar- und Energiestaat North Dakota, Kent Konrad und Byron Dorgan, oder Jay Rockefeller aus dem kohlereichen West Virginia.
Im besten Fall passiert ein abgemildertes Klimaschutzgesetz den Senat im Frühjahr 2010 - zu spät für Zugeständnisse Obamas in Kopenhagen. Für ebenso gut möglich halten es politische Auguren in Washington, dass der Senat das Klimaschutzgesetz begräbt und 2010 ein Gesetz berät, in dessen Zentrum die Sicherheit der Energieversorgung steht und die Begrenzung der Emissionen nur am Rande vorkommt. Die USA, das hat Obama kürzlich selbst bekannt, seien in Sachen Klimabewusstsein zwei Jahrzehnte hinter Europa.