BRANDENBURG
Das Gesetz zur Überprüfung der Stasi-Mitarbeit von Abgeordneten kommt erst im Januar
Endlich wieder gibt es Applaus für Matthias Platzeck. Der durch die jüngsten Stasi-Verstrickungen von Abgeordneten der Linkspartei tief gespaltene Potsdamer Landtag konnte in der vergangenen Woche erstmals wieder eine Einigung erzielen. Die vom SPD-Ministerpräsident en für das Amt der Brandenburger Stasi-Beauftragten vorgeschlagene Ex-Bürgerrechtlerin Ulrike Poppe stieß auf breite Zustimmung in allen Fraktionen. Poppe sei bereits auf einer früheren Vorschlagsliste der Union genannt worden, sagte CDU-Fraktionschefin Johanna Wanka. Nach Ansicht von Grünen-Fraktionschef Axel Vogel ist Poppe "ausgezeichnet für dieses Amt geeignet". Die heute 56-Jährige habe die friedliche Revolution in der DDR mit initiiert und sich mutig für die Opfer staatlicher Unterdrückung eingesetzt.
Die gebürtige Rostockerin war Mitbegründerin des DDR-Netzwerks "Frauen für den Frieden" und wurde 1983 gemeinsam mit Bärbel Bohley verhaftet. Poppe saß nach der Wende mit am Zentralen Runden Tisch und arbeitet heute an der Evangelischen Akademie Berlin. Ulrike Poppe, die im Januar vom Landtag gewählt werden soll, wäre die erste Stasi-Beauftragte in Potsdam. Brandenburg ist das einzige Ost-Bundesland ohne ein solches Amt. Poppes Einsetzung geht auf ein Gesetz zurück, das noch die rot-schwarze Koalition im Frühsommer beschlossen hatte. Mit Blick auf die jüngsten Stasi-Enthüllungen im Landtag sprach Poppe von einem "Imageschaden". Sie wolle dazu beitragen, "dass Brandenburg vom Stigma der Verklärung und Verweigerung gegenüber der DDR-Vergangenheit befreit wird".
Unterdessen verzögert sich das neue Abgeordnetengesetz weiter. Mit einem Beschluss über das bereits für diese Woche geplante Gesetz, das die Stasi-Überprüfung von Abgeordneten regeln soll, ist frühestens im Januar zu rechnen. Die CDU fordert zu dem von SPD, Linkspartei und Bündnisgrünen vorgelegten Gesetzentwurf eine Expertenanhörung. Zunächst müssten Opferverbände gehört und die Erfahrungen anderer Länder studiert werden, sagte CDU-Fraktionschefin Wanka. Die Christdemokraten wollen überdies Sanktionsmöglichkeiten für stasibelastete Parlamentarier festschreiben. SPD, Linke und Grüne verweisen darauf, dass ein Mandatsverzicht rechtlich nicht durchsetzbar sei. Beispiele in anderen Bundesländern hätten das gezeigt.
Weitgehend Konsens im Parlament ist, dass das Gesetz zur Stasi-Überprüfung erstmals seit 1991 eine geordnete Überprüfung der Landtagsabgeordneten möglich machen soll. Eine vom Landtag gewählte unabhängige Ehrenkommission aus vier Personen soll klären, ob Abgeordnete als hauptamtliche oder inoffizielle Mitarbeiter (IM) der Staatssicherheit tätig oder gegenüber Stasi-Mitarbeitern weisungsbefugt waren, erläuterte Grünen-Fraktionschef Vogel. Auf seine Partei geht der ursprüngliche Gesetzentwurf zurück, dem sich jetzt auch die Koalitionsparteien SPD und Linke angeschlossen hatten. Der Entwurf lehnt sich an ein entsprechendes Bundesgesetz und die Regelungen in Sachsen und Sachsen-Anhalt an. Bei der Birthler-Behörde soll zudem angefragt werden, ob jemand als IM für den politischen Bereich der DDR-Kriminalpolizei tätig war. Die Mitglieder der Überprüfungskommission müssen sich selbst einem Stasi-Check unterziehen und dürfen nicht der Regierung oder dem Landtag angehören.
Nachdem es auf einer Sondersitzung des Landtags am 4. Dezember wegen der jüngsten Stasi-Fälle zu scharfen Auseinandersetzungen zwischen Opposition und Koalition gekommen war, reißt die Kritik an Ministerpräsident Platzeck nicht ab. CDU-Fraktionschefin Wanka griff Platzeck erneut an. Seine Regierungserklärung im Landtag sei ein Tiefpunkt der Debatte gewesen, sagte Wanka. Sie forderte den Ministerpräsidenten auf, die Stasi-Mitarbeit in den Reihen der rot-roten Koalition umfassend aufzuklären.
Kritik kam auch von der Vizepräsidentin des Bundestages, Katrin Göring-Eckardt (Grüne). Platzeck rede zwar von Versöhnung, meine aber, dass die Stasi-Debatte beendet werden solle, so Göring-Eckardt. Es funktioniere nicht, "Versöhnung von oben" anzuordnen.
Die Brandenburger FDP hält an Neuwahlen fest, sieht dafür aber derzeit keine Mehrheit. "Wir halten die rot-rote Koalition für eine Katastrophe", sagte der brandenburgische Bundestagsabgeordnete und FDP-Landeschef Heinz Lanfermann. Von einem erheblichen Vertrauensverlust innerhalb des Landtags sprach Grünen-Fraktionschef Vogel. Man sollte sich davor hüten, für einen vor 1970 geborenen Abgeordneten der Linken die Hand ins Feuer zu legen.
Die Linksfraktion hat derweil den stasibelasteten Landtagsabgeordneten Gerd-Rüdiger Hoffmann erneut aufgefordert, sein Mandat niederzulegen. Hofmann war vor einer Woche aus der Fraktion ausgetreten, will aber weiterhin im Parlament sitzen. Der 57-Jährige war kürzlich aufgetauchten Unterlagen zufolge Stasi-IM. Vor zwei Wochen hatte die Linken-Abgeordnete Renate Adolph ihr Mandat niedergelegt. Sie hatte eingeräumt, für die Stasi gearbeitet zu haben. Offen ist immer noch der Fall Gerlinde Stobrawa. Sie soll Ende der 1980er Jahre Kollegen bespitzelt haben, bestreitet das aber. Die 60-Jährige trat von ihrem Amt als Vizepräsidentin des Landtags zurück, ist aber weiter Abgeordnete. Linken-Fraktionschefin Kerstin Kaiser - einst selbst IM - erklärte jetzt: "Ich gehe davon aus, dass wir keine weiteren Fälle haben." Sicher klang sie dabei freilich nicht.