Bundespräsident kann Unterschrift verweigern
Die meisten Gesetze, die der Bundestag verabschiedet, treten nach kurzer Zeit in Kraft. Nicht im Fall des Gesetzes zur Privatisierung der Flugsicherung ( 16/240). Bundespräsident Horst Köhler hat dem Gesetz kürzlich seine Unterschrift wegen verfassungsrechtlicher Bedenken verweigert. Das Gesetz war im April 2006 mit den Stimmen der Fraktionen von CDU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Bundestag beschlossen worden. Drei Abgeordnete der CDU-Fraktion und die Fraktion DIE LINKE. stimmten dagegen. Mit Köhlers Ablehnung wurde zum siebten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik ein Gesetz vom Staatsoberhaupt gestoppt.
Das Flugsicherungsgesetz sah eine Kapitalprivatisierung der Deutschen Flugsicherung GmbH (DFS) vor. 74,9 Prozent der Anteile sollten an private Unternehmen verkauft werden können, die übrigen 25,1 Prozent im Besitz des Bundes bleiben.
Nach Artikel 82 des Grundgesetzes werden Gesetze „vom Bundespräsidenten nach Gegenzeichnung ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt verkündet“. Bevor er es unterzeichnet, damit ein Gesetz in Kraft treten kann, hat er zu prüfen, ob es nach den Vorschriften der Verfassung zu Stande gekommen ist. Hat das Staatsoberhaupt Bedenken etwa hinsichtlich der Verfassungskonformität, kann er die Unterschrift auch verweigern und das Gesetzgebungsverfahren stoppen.
Der Bundespräsident prüft formelle, das Verfahren betreffende und materielle, also inhaltliche Gesichtspunkte. Nach herrschender Rechtsauffassung sollte der Bundespräsident nur gröbste, offensichtliche Verfassungswidrigkeiten abwehren.
Begründung Horst Köhlers
Der Bundespräsident sieht in dem Gesetz einen Verstoß gegen Artikel 87 des Grundgesetzes, der für die Flugsicherung eine bundeseigene Verwaltung vorgibt. Die
Flugsicherung sei eine sonderpolizeiliche Aufgabe und somit hoheitlich wahrzunehmen, erklärte das Präsidialamt. Damit verbleibe die Aufgabenverantwortung unabhängig von der Ausgestaltung der Aufgabe rechtlich beim Bund. Außerdem dürfe die Bundesbeteiligung nicht zeitlich befristet sein, wie im Gesetz vorgesehen.
Der Bundespräsident legt dem Bundestag eine Änderung des Grundgesetzes nahe: „Dem Gesetzgeber ist es unbenommen, die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für sein Vorhaben zu schaffen.“
Bei den bisherigen Einsprüchen der Bundespräsidenten ging es meistens um formelle Fragen. In zwei Fällen (Ingenieurgesetz und Architektengesetz) aus den 60er Jahren meinte Gustav Heinemann, dass der Bund keine Gesetzgebungskompetenz für die betreffenden Fragen habe. In zwei weiteren Fällen fehlte die Zustimmung des Bundesrates: 1952 beim von Theodor Heuss gestoppten Gesetz zur Durchführung des Grundgesetz-Artikels 108 und beim Gesetz zur Erleichterung der Wehrdienstverweigerung, dem Walter Scheel 1976 die Unterschrift versagte. Bundespräsident Johannes Rau monierte 2002 das Verfahren bei der Abstimmung über das Zuwanderungsgesetz im Bundesrat.
Zwei Bundespräsidenten hatten inhaltliche Einwände: 1962 hielt Heinrich Lübke das Gesetz über den Belegschaftshandel wegen Verstoßes gegen das Grundrecht auf freie Berufswahl an. Richard von Weizsäcker verweigerte 1991 bereits seine Zustimmung zum Gesetz zur Privatisierung der Flugsicherung, da derartige hoheitsrechtliche Aufgaben beim öffentlichen Dienst lägen.