Außenminister Schwarzenberg stellte Ziele der EU-Ratspräsidentschaft vor
„Europa ohne Barrieren“, unter diesen Wahlspruch stellt die Tschechische Republik ihre Ratspräsidentschaft in der EU im ersten Halbjahr 2009. Die Tschechische Republik ist das erste ehemalige Ostblockland, das diese Aufgabe übernimmt. Außenminister Karel Schwarzenberg präsentierte auf Einladung der Parlamentariergruppe der Europa-Union im Deutschen Bundestag am Montag, dem 15. Dezember 2008, das Programm seines Landes.
„Die noch übriggebliebenen Barrieren sollten beseitigt
werden“, begründete der Gast dieses Motto. Gemeint sind
auch außen- und wirtschaftspolitische Barrieren. Die Zeiten,
in denen Europa, die USA und Japan dominierten, seien vorbei.
„Wir werden einen harten Konkurrenzkampf bekommen“,
prophezeite der Minister.
Er sprach sich in diesem Zusammenhang für ein offenes Europa aus, das auf protektionistische Maßnahmen verzichtet. „Wir müssen Subventionen unterbinden und unsere Forschung und Wissenschaft auf Vordermann“ bringen, sagte Schwarzenberg. Auf die Sozialpolitik in Zeiten der Wirtschaftskrise angesprochen, betonte der Minister, es wäre ein „ungeheurer Erfolg“, wenn man durch die Krise käme, ohne die Sozialpolitik zurückführen zu müssen.
Der 71-jährige Politiker unterstrich, dass er ein
„entschiedener Anhänger der Erweiterung der EU“
sei. Die Vorbereitungen für eine weitere Aufnahme von Staaten
dürften nicht aufhören. So sollten die Länder des
Westbalkans so schnell wie möglich in die EU aufgenommen
werden. Es gelte, diesen Ländern beim Aufbau demokratischer
Institutionen und einer Bürgergesellschaft zu helfen.
Schwarzenberg äußerte die Hoffnung, dass Kroatien im
nächsten Jahr alle Kriterien für eine Aufnahme
erfüllen kann.
Eine „ungute Entwicklung“ bescheinigte er dagegen der Türkei, die ihren Reformprozess sehr stark verlangsamt habe. Allerdings müssten sich die Europäer auch an die eigene Brust klopfen. Gegenüber kaum einem anderen Land gebe es in Europa heute noch so viele Vorurteile wie gegenüber der Türkei und ihren Bürgern.
Die Nachbarschaftspolitik der EU gegenüber den anderen
Mittelmeer-Anrainerstaaten nannte der Minister
„löblich“. Dennoch dürften die unmittelbaren
Nachbarn, jene, die „zu uns zu Fuß kommen
können“, nicht vernachlässigt werden. „Wir
glauben, dass wir mit den Nachbarn im Osten in ein viel
intensiveres Gespräch treten müssen“, sagte
Schwarzenberg. So sei es nicht im Interesse Europas, dass
Weißrussland ausschließlich „vom Kreml
abhängig sein sollte“.
Schwarzenberg will nach eigener Darstellung eine praktische, projektbezogene Politik. Diese werde von einigen allerdings verdächtigt, antirussisch zu sein. Doch darum gehe es nicht. „Wenn wir diese Länder entwickeln, haben wir eine stabile Nachbarschaft“, betonte der Minister, dem Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier am selben Abend das Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verlieh.
„Russland ist für uns einer der wichtigsten Partner der
EU für die Zukunft“, skizzierte Schwarzenberg das
Verhältnis zum großen Nachbarn der EU im Osten. Dabei
solle man weder in Klischees aus Sowjetzeiten verharren noch sich
Illusionen machen. Zur geplanten Stationierung des US-Radarschirms
in Tschechien sagte der Minister, er sei überzeugt, dass es zu
einem vernünftigen Gespräch mit Russland kommen werde.
Mit den Vorschlägen des russischen Präsidenten Medwedew
solle man sich seriös beschäftigen.
Besonderen Wert legt Tschechien nach den Worten seines Außenministers auf die transatlantischen Bindungen. Eine transatlantische europäische Sicherheitspolitik sei unumgänglich. Mit der Zeit werde man zwar zu einer eigenständigen europäischen Sicherheitspolitik kommen, doch „für unsere Zeit ist die transatlantische Bindung die Sicherheitsgarantie Europas“.
Für Schwarzenberg muss sich die EU im Verhältnis zu
Israel von dem dort vorhandenen Image lösen, die USA seien der
ausschließliche Freund Israels und Europa eigentlich
feindlich gesinnt. In emsiger Kleinarbeit, im Gespräch mit
beiden Seiten, könne die EU im Nahostkonflikt vielleicht dazu
beitragen, dass die Verhältnisse vor Ort etwas besser
werden.
Was ein zweites Referendum in Irland über den dort zunächst abgelehnten Lissabon-Vertrag angeht, warb Karel Schwarzenberg dafür, die Iren nicht unter Druck zu setzen. Tschechien selbst hat den Vertrag, der die Grundlage der künftigen EU bilden soll, auch noch nicht ratifiziert. Der Minister hofft, dass es im Februar so weit sein wird. „Wir werden uns so verhalten, als ob wir ratifiziert hätten“, meinte er ganz pragmatisch.
Rainder Steenblock (Bündnis 90/Die Grünen), Vorstandsmitglied der Bundestags-Parlamentariergruppe der Europa-Union, sprach für die Abgeordneten, als er dem Gast bescheinigte, die europäische Außenpolitik werde bei ihm „in guten Händen“ sein. Der Parlamentariergruppe der Europa-Union gehören im Bundestag 127 Abgeordnete von CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen an. Die Europa-Union versteht sich als Bürgerinitiative, die sich für ein weitreichende europäische Integration einsetzt.