Agrarausschuss-Vorsitzende Ulrike Höfken zur Grünen Woche
Einen sehr hohen! Die Grüne Woche ist für uns die Zeit des politischen Austausches. Wir haben den Austausch im Bereich des gesamten Agrarsektors – von der Ernährungsindustrie bis hin zur Produktion und dem Verbraucherbereich. Und zwar in einem internationalen Rahmen. Aus unserer Sicht hat sich die Grüne Woche toll entwickelt.
Wer sind die wichtigsten internationalen
Partner, mit denen Sie auf der Messe den Kontakt suchen
werden?
In den letzten Jahren waren das vielfach die neuen europäischen Länder. Es galt, deren Probleme und Interessen im Agrarbereich kennenzulernen. In diesem Jahr werden wir uns intensiv mit Russland beschäftigen, da die Russen inzwischen zu den großen Akteuren im Agrarbereich gehören. Sie sind immerhin drittwichtigster Exportpartner für Deutschland. Da gibt es natürlich ein Rieseninteresse, den Austausch zu suchen. Das gilt für die Landtechnik wie für die Tierzucht. Die Russen sind sehr stark an der Verbesserung ihrer Strukturen interessiert.
Soweit die Sicht der
Ausschussvorsitzenden. Wie bewertet die Grünen-Politikerin
Ulrike Höfken die Grüne Woche?
Vor zwanzig Jahren habe ich an der Giftgrünen Woche teilgenommen, einer Art Gegenveranstaltung. Inzwischen haben wir jedoch die Grüne Woche auch für die Grünen erobert. Wir haben beispielsweise die Biomarkthalle durchgesetzt und auch die Auseinandersetzung mit dem Verbraucherbereich im politischen Segment sehr gestärkt. Wir haben die Herausforderung Grüne Woche angenommen.
Eröffnet wird die Messe von Ilse
Aigner, seit Oktober Bundeslandwirtschaftsministerin. Wie
läuft die Zusammenarbeit zwischen dem Ausschuss und der neuen
Ministerin?
Ich kenne Frau Aigner als sehr nette und kompetente Kollegin. Wie sie in ihrer Rolle als Ministerin sein wird, wissen wir noch nicht. Der Ausschuss wünscht sich eine gute Zusammenarbeit und hofft, dass sie die wichtigen Inhalte im Bereich Landwirtschaft mit großer Kraft und Zielsicherheit nach vorne bringen wird. Welche Inhalte das sind, da haben die Fraktionen natürlich unterschiedliche Vorstellungen.
Wird die neue Ministerin beispielsweise im Streitfall
„Lebensmittelampeln“ die Haltung ihres Vorgängers
Horst Seehofer übernehmen?
Das wissen wir noch nicht. Wir hoffen, dass sie zuhören kann und sich mit den unterschiedlichen Positionen auseinandersetzt. Ein wichtiges Ziel ist es, der Fehlernährung entgegenzuwirken.
Für die deutschen Agrarerzeuger ist die Messe auch
eine Art Leistungsschau. Wie sind die deutschen Erzeuger aus Sicht
der Vorsitzenden des Landwirtschaftsausschusses im Wettbewerb
aufgestellt?
Da muss man eine sehr differenzierte Betrachtung vornehmen. Wir haben die Unterschiede Ost und West, zwischen großen und kleinen Betrieben. Wir haben sehr unterschiedliche Bewirtschaftungsbedingungen in Mittelgebirgen und Grünlandgebieten, wir haben sehr gute und sehr schlechte Böden. Es ist schwer, eine generelle Aussage zu treffen. Daher müsste auch von Seiten der Politik die Gleichmacherei aufgegeben werden. Zu sagen, nur noch die Wachstumsbetriebe, die sich in Richtung Größe und Masse entwickeln, hätten Zukunft, ist falsch. Dieses Rezept kann unmöglich für ganz Deutschland gelten. Die meisten Betriebe könnten sich im Bereich Öko, im Bereich Qualität auf die heimische – sehr potente – Nachfrage viel besser orientieren statt auf den Weltmarkt zu schielen. Qualität und Öko stehen im Moment nicht im Vordergrund der Regierungspolitik, sondern die Intensivierung, aber sie entwickeln sich aufgrund der Marktlage trotzdem.
Kommen wir zu dem Problem der Milchpreisentwicklung. Nach
einer kurzzeitigen Stabilisierung sind die Erzeugerpreise wieder in
den Keller gerutscht. Was läuft da falsch?
Die politische Frage ist: Soll es eine Möglichkeit zur Regulierung der Milchproduktion geben? Aus meiner Sicht erlaubt die Marktwirtschaft auch die Steuerung von Angebot und Nachfrage. Man kann die Betriebe nicht der Möglichkeit berauben, auf die Angebotsmenge Einfluss zu nehmen. Das tut die Bundesregierung in der Illusion, es sei eine riesige Exportmöglichkeit auf dem Weltmarkt da. Gerade hat die EU-Kommission wieder in die Mottenkiste gegriffen und ist zu Exportsubventionierung und Aufkaufaktionen zurückgegangen, weil der Milchmarkt eingebrochen ist. Das finde ich unverantwortlich. Stattdessen ist eine moderne, flexible Möglichkeit der Mengenanpassung ökonomisch sinnvoll und auch im Sinne der Verbraucher, die an einem Zusammenbruch der Milchbetriebe und der Qualitätsproduktion nicht interessiert sein können.
Ist sich der Agrarausschuss in dieser
Frage einig?
Nein. Ein Teil ist für die Möglichkeit der Mengenanpassung, ein anderer will ein Ende aller Regulierungsmechanismen und vertraut auf die ansteigende Nachfrage auf dem Weltmarkt. Auf der europäischen Ebene hat sich die zweite Ansicht durchgesetzt, auch durch die Unterstützung der liberalen dänischen Agrarkommissarin Fischer Boel, mit der sich der Ausschuss auch im Rahmen der Grünen Woche treffen wird.
Ein abschließendes Wort zur Grünen Woche. Warum
hat diese Messe so eine hohe Anziehungskraft auch für Besucher
ohne ausgeprägtes agrarpolitisches Interesse?
Die Grüne Woche wurde ja schon öfter totgesagt. Sie schafft es aber immer wieder, die unterschiedlichsten Zielgruppen erfolgreich zu bedienen. Da sind die, die sich an der Vielfalt des Angebots berauschen und auch die, denen es darum geht, die Landwirtschaft mal aus der Nähe zu betrachten. Und da sind die, die sich für Spezialthemen wie Gartenbau und Holzgewinnung interessieren. Nicht zu vergessen natürlich die politischen Diskussionen auf offener Bühne, wo man Politiker leibhaftig in Aktion sehen kann.