Bundestag beriet am Donnerstag Anträge zur Sozialpolitik
"Mindestlöhne ohne Falltüren und Schutzlöcher" fordern die einen. Den "sozialen Absturz" zu vermeiden die anderen. Am 29. Januar 2009 beriet der Bundestag Anträge von Bündnis 90/Die Grünen und der Linksfraktion zur "sozialen Gerechtigkeit". Beide Vorlagen wurden zur weiteren Beratung an die Ausschüsse überwiesen.
Bündnis 90/Die Grünen verweisen in ihrem Antrag (
16/11755) auf "klaffende
Gerechtigkeitslücken", die durch die Politik der
Bundesregierung in den vergangenen Jahren bei Arbeitslosen und
Geringverdienern entstanden seien. Durch die Konjunkturpakete I und
II würden diese noch weiter aufgerissen.
"Soziale und ökologische Schieflage"
"Die Maßnahmepakete haben eine soziale und ökologische Schieflage", schreiben die Abgeordneten. Die Gerechtigkeitslücke gelte es zu schließen und die Regelleistung nach dem Zweiten Buch (SGB II) und dem Zwölften Buch des Sozialgesetzbuches (SGB XII) so auszugestalten, dass sie das Existenzminimum deckt.
Um die Lohnnebenkosten im unteren Einkommensbereich auf Arbeitnehmer und Arbeitgeberseite gezielt und spürbar zu senken, fordern Bündnis 90/Die Grünen, ihr "Progressiv-Modell" sofort umzusetzen. Kernaussage des Modells ist: Wer wenig verdient, muss auch prozentual weniger Sozialabgaben bezahlen.
Eine solche Progression würde aus Sicht der Fraktion die
enorme Arbeitsmarkthürde der hohen Lohnnebenkosten gerade
für diejenigen senken, die bisher wenig mit nach Hause nehmen,
schwarz arbeiten oder ganz ohne Job sind.
Für gerechte Löhne und fairen Wettbewerb seien außerdem Mindestlöhne ohne Falltüren und Schutzlöcher notwendig. Daher müsse das Arbeitnehmer-Entsendegesetz für alle Branchen geöffnet werden, fordert die Fraktion.
Die Linke verweist in ihrem Antrag ( 16/11748) darauf, dass seit den Hartz-Reformen Erwerbslosen der "rapide und drastische soziale Absturz" drohe. Wenn die Vorraussetzung für den Hartz-IV-Leistungsbezug Bedürftigkeit sei, bedeute dies, dass Verarmung die Vorbedingung für die soziale Unterstützung sei. Die von der Fraktion geforderte Einführung einer Vermögensfreibetragsgrenze von 20.000 Euro solle eine Zugangsbarriere zu sozialen Leistungen abbauen, heißt es in dem Antrag weiter.
In der Debatte kritisierte der sozialpolitische Sprecher der
Grünen-Fraktion, Markus Kurth, die Bundesregierung dafür,
dass das Konjunkturpaket nicht mit sozialpolitischen
Maßnahmen verknüpft sei. „Mit dem Konjunkturpaket
hätte man Armut bekämpfen können“, so Kurth.
Dies wäre wichtig gewesen, weil Armut eine Wachstumsbremse
darstelle.
Die Maßnahmen der Regierung seien unzureichend und zudem mit
Schulden finanziert. Daher werde wohl bald wieder vom Gürtel,
der enger geschnallt werden müsse geredet werden, sagte Kurth,
der für den Antrag seiner Fraktion warb.
„Ideologische Barrieren“
Aus Sicht von Karl Schiewerling (CDU/CSU) hält der Antrag nicht was er verspricht, da er „keine Lösungen aufzeigt“. Das Konjunkturpaket bekämpfe sehr wohl die Armut, so der CDU-Politiker, da es das Ziel habe, Arbeitsplätze zu sichern, denn: „Erwerbsarbeit ist der beste Schutz gegen Armut.“
Ein „wirres Durcheinander“ nannte Heinz-Peter Haustein
(FDP) den Grünen-Antrag. Dort würden zwar mehr
Infrastrukturmaßnahmen gefordert. Doch seien es in der Praxis
oft die „überzogenen ideologischen Barrieren“ der
Grünen, die geplante Baumaßnahmen verhindern
würden.
Wer die Regelsätze bei Hartz IV erhöhen möchte,
müsse auch wissen, dass das Geld vom Steuerzahler aufgebracht
wird. „Wir müssen aufpassen, dass nicht die, die
arbeiten, die Dummen sind“, sagte Haustein.
Der Sozialstaat könne nur durch eine starke Wirtschaft gesichert werden, betonte Rolf Stöckel (SPD). Daher seien die Investitionshilfen richtig. Die damit einhergehende Verschuldung werde durch eine „absehbare Tilgung wieder abgebaut“. „Wir setzen den Kurs der Konsolidierung fort“, sagte Stöckel.
„Hartz IV muss weg!“ forderte dagegen Klaus Ernst von
der Linksfraktion. Es sei eine Katastrophe, dass nach einem langen
Berufsleben schon nach einem Jahr Arbeitslosenhilfe der Schritt in
die Grundsicherung erfolge. Die Linken-Forderung nach einer
Erhöhung der Vermögensfreibeträge stelle somit auch
nur „eine kleine Verbesserung an einem großen
Murks“ dar.