Bundestag debattierte über mögliche Verstaatlichung von Finanzinstituten
Das Vorhaben der Koalition, durch Gesetz die Möglichkeit für die Enteignung von Finanzinstituten zu schaffen, hat am Freitag, 6. März 2009, für eine kontroverse Debatte im Bundestag gesorgt. Heftigen Widerspruch löste vor allem der Redebeitrag von Dr. Hermann Otto Solms (FDP) aus, der Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) Prinzipienlosigkeit vorhielt.
Mit ihrem Gesetzentwurf zur Ergänzung des im vergangenen
Oktober verabschiedeten Finanzmarktstabilisierungsgesetzes (
16/12100) will die Koalition dem Staat
flexiblere Instrumente an die Hand geben, um den Auswirkungen der
Finanzmarktkrise zu begegnen.
Als „ultima ratio“ soll eine Verstaatlichung in Betracht kommen, wenn sie für die Sicherung der Finanzmarktstabilität erforderlich ist and andere rechtlich und wirtschaftlich zumutbare Lösungen nicht mehr zur Verfügung stehen.
Vorgesehen ist zudem, die Höchstdauer von staatlichen
Garantien für ein Finanzinstitut von drei auf fünf Jahre
zu erhöhen. Die Möglichkeit, ein Enteignungsverfahren
einzuleiten, soll bereits am 30. Juni 2009 enden. Betroffenen
Anteilsinhaber soll über eine bereits gezahlte
Entschädigung hinaus bei einer späteren Reprivatisierung
das Recht auf den bevorzugten Aktienerwerb eingeräumt
werden.
Es ist kein Geheimnis, dass der Entwurf als Grundlage dienen soll, den als systemrelevant eingestuften und von Insolvenz bedrohten Münchener Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate zu verstaatlichen. Peer Steinbrück sprach in seiner Rede vor dem Bundestag stets nur von „diesem Institut“. Er bat, nicht so grundsätzlich zu diskutieren, dass „pragmatische Lösungen“ verbaut werden.
„Wir bestreiten keinen Sonderweg. Niemand kann unsere
Vorstellung von sozialer Marktwirtschaft
erschüttern“, sagte der Minister. Eine Insolvenz
„dieses Instituts“ hätte Auswirkungen wie die
Insolvenz der US-Investmentbank Lehman Brothers. Das Institut sei
an der Börse nur noch zwischen 250 und 280 Millionen Euro
wert, daher müssten die Kapitalgeber als erste zur
Verantwortung gezogen werden und nicht die öffentliche
Hand.
Hermann Otto Solms hielt der Regierung vor, sie nehme es mit den Grundprinzipien der Verfassung nicht immer so ernst. „So geht das nicht!“, betonte der FDP-Politiker. Den Minister nannte Solms „Enteignungsbeauftragter“ der Bundesregierung. „Wer soll in Deutschland investieren, wenn er Gefahr läuft, dass je nach politischer Opportunität in Eigentumsrechte eingegriffen wird?“, fragte Solms. „Sie zerstören ein Grundrecht.“
Solms’ Rede löste heftige Zwischenrufe aus und
veranlassten Bundestagspräsident Prof. Dr.f Norbert Lammert
zur Ermahnung an die Abgeordneten, diese
„zulässige“ Meinung „auszuhalten“.
Otto Bernhardt (CDU/CSU) warf Solms vor, er habe die Befürworter des Gesetzentwurfs als „nicht verfassungskonform“ darstellen wollen, was falsch sei. Auch habe er keine Lösung aufgezeigt. Erste Priorität müsse haben, dass kein Finanzinstitut in die Insolvenz geht.
Anders als der Finanzminister, der für den Staat eine
„Kontrollmehrheit“ bei der Hypo Real Estate gefordert
hatte, reichen für Bernhardt 75 Prozent plus eine Aktie aus.
Bei einer Mehrheit von 90 oder 100 Prozent werde „kein
Aktionär mitwirken“. Bernhardt kündigte an, dass
die Unionsfraktion in vier Punkten Änderungsbedarf am
Gesetzentwurf sieht. Nach einer Anhörung und
Ausschussberatungen soll es im Bundestag am 20. März und im
Bundesrat am 3. April verabschiedet werden.
Für Oskar Lafontaine geht es darum, die „Enteignung der Steuerzahler“ zu stoppen. „Der Staat muss mit 83 Milliarden einspringen, und da redet man von der Enteignung der Aktionäre!“, so der Fraktionschef der Linken. Die Sozialisierung von Verlusten bezeichnete er als „brutalsten Kapitalismus“. Man dürfe nicht die Arbeitnehmer und Rentner haften lassen für „Kapitalverbrechen“, die hier begangen worden seien.
Für Jürgen Trittin (Bündnis 90/Die Grünen)
kommt der Entwurf viel zu spät. Bereits im September 2008
hätten alle Banken unter den staatlichen Schutzschirm gestellt
werden müssen. „Ein effizientes Instrument wäre es
gewesen, in das Kapital der Banken hineinzugehen, Teile oder alles
zu verstaatlichen.“
Dr. Hans-Ulrich Krüger (SPD) forderte zu „verbaler Abrüstung“ auf. Es gehe nicht darum, dass sich der Staat kostbares Vermögen „unter den Nagel reißt“, sondern darum, Steuergelder in der aktuellen Notlage am besten zu schützen.
In einer solchen Situation sei es die Pflicht des Staates, nach
Artikel 14 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes vorzugehen, der
besagt: „Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit
zulässig.“ Krüger verwies auf bereits vorgenommene
Enteignungen von Banken in anderen europäischen
Ländern.