Fragen an die Tourismusausschuss-Vorsitzende Marlene Mortler
Gegen Kirchturmdenken und für Qualitätsstandards im Deutschlandtourismus spricht sich die Vorsitzende des Tourismusausschusses, Marlene Mortler (CDU/CSU) aus. Im Interview äußert sie sich anlässlich der derzeit in Berlin stattfindenden Internationalen Tourismus-Börse (ITB) zu den Aussichten für das Reiseland Deutschland, zum barrierefreien Reisen und zur immer wieder geforderten Kerosinbesteuerung. Am 12. März 2009 überreichte Mortler auf der ITB den Ehrenpreis des Tourismusausschusses, eine Bleikristallkugel, an Walter Krombach, Geschäftsführer der Willy-Scharnow-Stiftung und vormals Tourismuschef der Expo 2000 und Vorstand des Deutschen Reise Verbandes, für seine Verdienste um die touristische Entwicklung Deutschlands.
Am 11. März begann die diesjährige ITB. Was ist der Reiz
dieser Touristik-Messe?
Die besondere Rolle der ITB wird schon anhand der Zahlen deutlich. Trotz Krise sind die 160.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche ausgebucht. Rund 11.000 Aussteller aus 180 Ländern und Regionen werden vertreten sein. Die ITB hat sich über die Jahre zu einer Leitmesse entwickelt, mit jährlichen Umsätzen von 5 Milliarden Euro. Ich persönlich freue mich auf den Kontakt mit den Branchenvertretern und Fachpolitikern aus der ganzen Welt.
Trotz Wirtschaftskrise scheint in der Tourismusindustrie Optimismus
vorzuherrschen. Auch bei Ihnen?
Ja durchaus. Die Deutschen reisen nach wie vor gern. Einschnitte wird es sicherlich geben, weil der Verbraucher mehr auf den Geldbeutel schauen muss. Er wird vielleicht wieder mehr mit dem Auto reisen, da der Sprit billiger geworden ist. Das könnte ein Vorteil für den Tourismusstandort Deutschland sein. Ich könnte mir eine Renaissance des Urlaubs im eigenen Land vorstellen.
Der Städteurlaub boomt in Deutschland schon. Welche
Maßnahmen müssen ergriffen werden, um ländliche
Urlaubsregionen zu unterstützen?
Der Bund kann den Rahmen setzen wie aktuell etwa mit dem forcierten Breitbandausbau. Entscheidend sind die Akteure vor Ort. Die müssen sich an einen Tisch setzen, um ihre Stärken zu verbinden und ihre Ressourcen zu nutzen. Es geht darum, Qualitätsstandards zu setzen und einzuhalten, denn Qualität steht über allem. Die Akteure müssen lernen, über den Tellerrand zu gucken und das Kirchturmdenken wegzuschieben. Miteinander ist besser als Gegeneinander, denn am Ende profitieren alle. Viele haben das schon begriffen, was auch die Zusammenarbeit auf der ITB zeigt.
Die Bundesregierung legt in ihren Tourismusleitlinien viel Wert auf
barrierefreies Reisen. Warum?
Barrierefreies Reisen ist wichtig für behinderte Menschen, aber eben nicht nur. Genauso profitieren davon gebrechliche Menschen und Familien mit kleinen Kindern. Man muss das so lange predigen, bis es beim letzten angekommen ist.
Müssen die Initiativen dazu auch von den Akteuren vor Ort
kommen, oder sollte dabei mit gesetzlichen Auflagen gearbeitet
werden?
Ich bin ein Gegner zu vieler gesetzlich fixierter Vorschriften. Wir haben mit dem Behindertengleichstellungsgesetz eine gute Grundlage. Außerdem ist es doch ein Wettbewerbsvorteil, für den, der sagen kann, er habe eine barrierefreie Einrichtung.
So dass die Mehraufwendungen durch zusätzliche Einnahmen
gedeckt werden?
Ich sehe keine erheblichen Mehraufwendungen. Einer Studie zufolge würde über die Hälfte aller Behinderten mehr reisen, gäbe es entsprechende Angebote. Schon jetzt trägt diese Zielgruppe jährlich rund 2,5 Milliarden Euro netto zum Reisebranchenumsatz bei.
Stichwort Kerosinsteuer. Insbesondere Umweltschützer fordern
immer wieder die Einführung einer Kerosinsteuer im
inländischen und auch europäischen Flugverkehr. Wie
stehen Sie dazu?
Eine Kerosinbesteuerung macht nur Sinn, wenn sie weltweit gilt. Ein nationaler Alleingang bei der Kerosinsteuer wäre wettbewerbsverzerrend und würde der deutschen Wirtschaft schaden. Auch auf EU-Ebene wäre es nur eine Insellösung. Ich plädiere für andere Mittel zur Energieeinsparung.
Welche sind das beispielsweise?
Die Schaffung eines einheitlichen Luftraums über Europa für kürzere und direktere Flugrouten und der Einsatz neuer und verbrauchsarmer Flugzeuge sind sinnvoll. Ebenso die Weiterentwicklung der Motorentechnik. Das muss die Politik immer wieder einfordern, auch wenn da schon einiges passiert.
Die Legislaturperiode geht zu Ende. Was ist aus
tourismuspolitischer Sicht noch zu tun?
Wir dürfen nicht vergessen, dass die Tourismusbranche eine Wachstumsbranche ist. Wollen wir uns auch künftig ein großes Stück von dem Kuchen abschneiden, müssen wir jetzt aktiv werden. Die finanzielle Unterstützung für die Deutsche Zentrale für Tourismus (DZT) muss daher wie geplant in den nächsten Jahren Stück für Stück erhöht werden. In der Krise ist es besonders wichtig, für das eigene Land zu werben.