Erstmals israelische Teilnehmer am Internationalen Parlaments-Stipendium
115 Hochschulabsolventen aus 27 Ländern haben am Montag, 16. März 2009, ein viereinhalbmonatiges Praktikum beim Deutschen Bundestag begonnen. Sie nehmen bis Ende Juli am diesjährigen Internationalen Parlaments-Stipendium (IPS) des Bundestages teil. Das IPS-Programm ermöglicht jungen Menschen aus Mittel-, Ost- und Südosteuropa sowie aus Frankreich und den USA, das parlamentarische Regierungssystem Deutschlands, vor allem die Arbeit des deutschen Parlaments, kennenzulernen. Erstmals nehmen vier Stipendiaten aus Israel an dem Programm teil.
Yoav Sapir und David Cahn sind zusammen mit Radmila Abramov und
Michael Rimmel die vier israelischen Bewerber, die eine Zusage
erhalten haben. „Ich bin sehr gespannt, was die Arbeit bei
einem Abgeordneten alles mit sich bringt“, sagt David Cahn.
Genauso sieht das auch Yoav Sapir. „Ich denke, dass man aus
so einer Tätigkeit auch viel für das spätere
Berufsleben lernen kann.“
Für die kommenden viereinhalb Monate werden die
IPS-Stipendiaten jeweils bei einem Abgeordneten des Bundestages
arbeiten, um so das politische System der Bundesrepublik
Deutschland besser verstehen zu lernen. Am Donnerstag, 19.
März, werden sie um 18 Uhr von Bundestagsvizepräsidentin
Dr. Susanne Kastner (SPD) offiziell begrüßt.
Radmila Abramov zum Beispiel macht ihr Praktikum bei Bundestagsvizepräsidentin Gerda Hasselfeldt (CSU). „Ich bin sehr stolz, dass gerade ich der Bundestagsvizepräsidentin zugeordnet bin und bin auch schon sehr neugierig auf die Aufgaben“, sagt die Stipendiatin.
Beworben haben sich alle Teilnehmer direkt bei der Deutschen
Botschaft in ihrem Heimatland, die anhand der Kriterien
Studienabschluss, Interessen und Deutschkenntnisse eine Vorauswahl
für den Bundestag getroffen hat. „Anschließend
fanden in den einzelnen Ländern Auswahlgespräche durch
einen Abgeordneten und einen Vertreter der Technischen
Universität, der Humboldt-Universität oder der Freien
Universität in Berlin statt“, weiß Anne
Hawxwell, die das IPS als Referentin betreut.
Ausschlaggebend für die Bewerbung war für David Cahn sein familiärer Hintergrund: „Ich bin in der Schweiz geboren, deswegen ist Deutsch meine Muttersprache.“ Vor viereinhalb Jahren wanderte er dann aber nach Israel aus. „Die Möglichkeit, in meiner Muttersprache tätig zu werden und dabei Deutschland besser kennenzulernen, hat mich begeistert.“ Diesen Wunsch kann er sich nun bei der CDU-Abgeordneten Gitta Connemann erfüllen.
Auch Yoav Sapir hat sich schon früh mit der deutschen
Geschichte beschäftigt. „Wir haben viele deutsche
Bücher zu Hause, die ich schon als kleiner Junge gelesen
habe“, erzählt er. So hat Yoav Sapir die Faszination
für Deutschland und seine politische Struktur quasi mit der
Muttermilch aufgesogen; die Möglichkeit, jetzt nach
Deutschland zu kommen und hier bei einem Abgeordneten zu arbeiten,
hat ihm sofort gefallen.
Alle vier israelischen Stipendiaten haben bereits sowohl im In- als
auch im Ausland viele berufliche Erfahrungen gesammelt. Studien und
Stipendien an deutschen, österreichischen oder schweizerischen
Universitäten, Übersetzungen und andere Tätigkeiten
in deutscher Sprache haben dazu geführt, dass alle vier
über sehr gute Deutschkenntnisse verfügen.
Zu diesem bereits vorhandenen, großen Erfahrungsschatz kommen jetzt noch viele neue hinzu. Inge Gerstberger, Leiterin des Referats Internationale Austauschprogramme in der Bundestagsverwaltung, sieht die Stipendiaten auch als Multiplikatoren: „Wenn sie wieder in ihr Heimatland kommen, können sie die hier gewonnen Erfahrungen über Deutschland und den Bundestag weitergeben.“
Was glauben also die Stipendiaten, was sie nach ihrem Praktikum
beim Bundestag ihrem Heimatland „zurückgeben“
können? „Das parlamentarische System in Israel muss sich
noch um einiges weiterentwickeln“, meint Michael Rimmel.
Dafür sei es wichtig, auch andere Parlamente
kennenzulernen.
Radmila Abramov findet besonders einen Aspekt spannend: „Es ist natürlich schwierig, Deutschland und Israel zu vergleichen. Aber ich finde interessant, dass in Deutschland die regionalen Entscheidungsebenen sehr stark sind. Israel ist dagegen eher zentralisiert.“ Vom Föderalismus könne sich ihr Heimatland etwas abschneiden.
„Vor dem Hintergrund der nationalsozialistischen
Vergangenheit Deutschlands ist ein Aufenthalt in Berlin für
Israelis auch psychologisch etwas Besonderes“, sagt Michael
Rimmel. Das müsse man sich bewusst machen und verarbeiten.
„Aber als ich schon mal in Berlin war, hat mir der Aufenthalt
persönlich gut getan.“
Auch für deutsche Hochschulabsolventen besteht die
Möglichkeit, in ausländischen Parlamenten tätig zu
werden. Partnerprogramme des IPS bestehen in Frankreich, Polen und
Ungarn. Für die Zukunft ist beabsichtigt, dass auch in Israel
ein solches Partnerprogramm aufgelegt wird.