Interview mit Hans Raidel zur Euromediterranen Parlamentarierversammlung
Am Sonntag, 15. März 2009, begann in Brüssel die dreitägigeJahrestagung der Euromediterranen Parlamentarischen Versammlung (EM PV). Das Gremium begleitet auf parlamentarischer Ebene die Arbeit der Union für den Mittelmeerraum, zu der sich über 40 Staaten nördlich und südlich des Mittelmeers – darunter Israel und die Palästinensischen Autonomiegebiete – zusammengeschlossen habe. Ein Gespräch mit dem CSU-Bundestagsabgeordneten Hans Raidel (CSU), Leiter der deutschen Delegation bei der EM PV, über die Zukunft der Union, die Rolle der EM PV im Nahostkonflikt und die Vorteile des offenen Meinungsaustauschs.
Herr Raidel, die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" mutmaßte kürzlich, die Union für das Mittelmeer stünde aufgrund der aktuellen Nahostkrise vor dem Aus. Teilen Sie diese Einschätzung?
Nein. Die Nahostkrise bedeutet für die Mitglieder der Union, dass sich Regierungsvertreter ebenso wie Parlamentarier – und für diese spreche ich – weiterhin mit großem Engagement um eine Lösung bemühen müssen. Zwar wurden nach der israelischen Offensive im Gazastreifen alle Treffen eingestellt. Doch bin ich ganz optimistisch, dass sich nach dem Treffen der Arabischen Liga Ende März in Katar die Zusammenarbeit innerhalb der Mittelmeer-Union wieder verbessern wird.
Kann denn ihr erklärtes Ziel, einen "Raum des Friedens, der
Stabilität und des gemeinsamen Wohlstands zu schaffen",
überhaupt erreicht werden ohne eine Lösung des
Nahostkonflikts?
Auf lange Sicht sicherlich nicht. Die Mittelmeer-Union stellt eine multilaterale Partnerschaft dar, zu der auch Israel und die Palästinensischen Autonomiegebiete gehören. Ich bin überzeugt: Wenn alle Partner das Bestreben ernst nehmen, die Beziehungen untereinander zu festigen und auszubauen, wird das zu einer friedlichen Lösung des Nahostkonflikts beitragen. Der EM PV kann dabei eine konstruktive Rolle, vielleicht sogar die einer Mediatorin für die Entwicklung im Nahen Osten zufallen.
Inwiefern?
Nun, die EM PV ist die einzige multilaterale Plattform neben den Vereinten Nationen, in der Israel und alle arabischen Staaten der Region zusammentreffen. Insofern bieten unsere jährlichen Treffen an verschiedenen Konferenzorten (Athen, Kairo, Tunis) und jetzt in Brüssel enorme Chancen für die beiderseitige Verständigung. Diese ergreifen wir, und wir werden die Parlamentarier zu intensiven Gesprächen zusammenführen, um das Ziel zu unterstreichen, dass es zum "Raum des Friedens", der Stabilität und des gemeinsamen Wohlstandes keine Alternative gibt.
Wie muss man sich die Atmosphäre bei diesen Treffen vorstellen?
Natürlich ist sie stark vom Nahostkonflikt geprägt. Für die europäischen Parlamentarier ist manchmal das Temperament überraschend, mit dem hier diskutiert und gestritten wird. Doch genau das ist ja auch ein Vorteil der EM PV, dass ein offener Meinungsaustausch möglich ist, wie er auf Regierungs- oder diplomatischer Ebene in dieser Form gar nicht denkbar wäre.
Auch nach den jüngsten Ereignissen in Gaza und den
Parlamentswahlen in Israel, aus denen die rechten Parteien
gestärkt hervorgegangen sind?
Ja, die Chance, den Dialog fortzusetzen, besteht durchaus. Natürlich sehe ich auch die enormen Schwierigkeiten, die aktuell einer Verständigung entgegenstehen. Zu übertriebenem Optimismus besteht sicherlich kein Anlass. Aber ohne die Bereitschaft zum parlamentarischen Meinungsaustausch auf der euromediterranen Ebene wäre es noch schwieriger, auf eine Lösung hinzuarbeiten.
Welche Themen stehen noch auf der Tagesordnung?
Wir werden uns intensiv mit der Frage nach den Folgen der Weltwirtschaftskrise für die südlichen Mittelmeerstaaten beschäftigen. Konkret geht es darum, welche Hilfsmaßnahmen wir den Regierungen zur Umsetzung empfehlen. Immerhin verfügt die Mittelmeer-Union über einen Etat von 15 Milliarden Euro. Das ist eine Menge Geld, von dem übrigens keineswegs nur die südlichen Mittelmeeranrainer profitieren. Die Förderung des wirtschaftlichen Aufschwungs und der zivilgesellschaftlichen Strukturen in diesen Ländern ist das beste Mittel, um Flüchtlingsströme nach Europa zu verhindern und dem islamistischen Terror den Nährboden zu entziehen. Insofern gewinnen beide Seiten.