CDU/CSU und SPD wollen Entschädigungsregelung ausweiten
Wer bei einer Gewalttat verletzt wird, hat Anspruch auf staatliche Entschädigung, so schreibt es das Opferentschädigungsgesetz vor, das erstmal 1976 in Kraft trat und seitdem mehrfach novelliert wurde. Doch trotzdem gehen bislang Deutsche, die im Ausland Opfer eines Angriffs wie etwa eines Terrorakts werden, leer aus. Ein Problem, auf das Opferverbände wie der Weisse Ring insbesondere seit den Anschlägen vom 11. September 2001 immer wieder hingewiesen haben. Am Donnerstag, dem 19. März 2009, beriet der Bundestag in erster Lesung lang einen Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD, der diese Gesetzeslücke schließen soll.
Mit dem vorgelegten Entwurf eines dritten Gesetzes zur
Änderung des Opferentschädigungsgesetzes (OEG) planen die
Koalitionsfraktionen, den Anwendungsbereich des Gesetzes
auszuweiten. Damit sollen insgesamt die
Entschädigungsleistungen für Opfer von Gewalttaten im In-
und Ausland verbessert werden.
Künftig sollen so erstmals Opfer von Angriffen im Ausland Anspruch auf Entschädigungen und ein Recht auf medizinische und therapeutische Hilfe erhalten. Bisher gilt dieser Anspruch nur bei Taten, die im Inland passieren. Diese Beschränkung sei durch Härtefallregelungen aber nur unzureichend aufgefangen worden, sagte Klaus Brandner, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales.
„Der Gesetzentwurf schafft Rechtssicherheit in einer
Situation, wo Opfer schnell Hilfe benötigen“, so
Brandner. Der Schutz des OEG gelte künftig nicht nur bei
Terroranschlägen wie in New York, Djerba und Bali, sondern bei
allen Gewalttaten im Ausland.
Neuerungen sollen Gesetzeslücke schließen
Dem Gesetzentwurf zufolge soll aber auch die Versorgung von Ausländern, die sich rechtmäßig in Deutschland aufhalten und Opfer eines Angriffs werden, verbessert werden. Nach heutiger Rechtslage haben nämlich Personen, die sich hier nur vorübergehend, etwa aufgrund eines Verwandtenbesuchs sind, keinen Anspruch auf Entschädigung.
So waren etwa die Mitglieder der türkischen Familien, die in
Solingen und Mölln Mitte der neunziger Jahre Opfer von
Brandanschlägen geworden waren, von einem Schutzanspruch
ausgeschlossen. „Diese Gesetzeslücke wollen wir nun
schließen“, sagte Siegfried Kauder (CDU).
Künftig wird der Anwendungsbereich des OEG auf Verwandte bis
zum dritten Grad ausgedehnt. Durch die Einführung von
Pauschalbeträgen, die an die Opfer oder ihre Hinterbliebenen
gezahlt würden, werde das Verfahren insgesamt
entbürokratisiert und schneller, betonte Kauder. Sollte das
dritte Gesetz zur Änderung des OEG in Kraft treten, wäre
das eine „Sternstunde für den Opferschutz“, so der
CDU-Politiker.
Gesetz bis zur Bundestagswahl beschließen
Auch Bündnis 90/Die Grünen und die FDP haben bereits gefordert, die jetzige Gesetzeslage zu ändern und dazu eigene Vorschläge in die Diskussion um das Opferentschädigungsgesetz eingebracht ( 16/1067, 16/585). Der FDP-Abgeordnete Jörg van Essen zeigte sich in der Debatte daher enttäuscht, dass es sieben Jahre gedauert habe, bis ein Gesetzentwurf der Koalition vorliegt und auch, dass das Anliegen nicht fraktionsübergreifend angegangen worden ist.
Die FDP habe schon länger auf das Problem hingewiesen und er
selbst habe sich stets schlecht dabei gefühlt, dass
Auslandsopfern nur mit Mitteln aus Härtefonds geholfen werden
konnte. „Die Betroffenen wurden ein zweites Mal zum
Opfer“, sagte van Essen, weil sie ohne eigenen Rechtsanspruch
auf Nachsicht des Staates angewiesen gewesen seien.
Die FDP begrüße deshalb die Initiative von CDU/CSU und
SPD und werde sie in ihrem Gesetzesvorhabens unterstützen. Van
Essen äußerte sich hoffnungsvoll, dass dies noch vor der
Bundestagswahl abgeschlossen sei.
„Entschädigung von Lebenspartnerschaften nicht
verheimlichen“
Auch Jerzy Montag (Bündnis 90/Die Grünen) signalisierte Zustimmung zum vorliegenden Gesetzentwurf, kritisierte aber, es sei „absurd“, dass sich SPD und CDU/CSU gemüht hätten, den Opferschutz für Lebenspartner zu verstecken. Er sei de facto im Gesetzentwurf enthalten, aber eben verborgen.
„Das ist beschämend und kleinlich“,
bemängelte Montag. Auch sei es eigentlich wünschenswert,
allen Opfern von Straftaten einen Anspruch auf Entschädigung
zu gewähren.
Ungleichbehandlung der Opfer beenden
Dies forderte auch Sevim Dagdelen (Die Linke). Sie beklagte zudem, bisher hätten alle Neuerungen in der Opferschutzentschädigung „wenig Substanzielles“ gebracht. Auch der vorliegende Entwurf sei nur ein „Rumpfvorschlag“, der weit hinter dem vorliegenden Gesetzentwurf der Grünen zurückbleibe.
Als problematisch stellte Dagdelen heraus, dass weiterhin
Gewaltopfer in Deutschland ungleich behandelt würden:
Nichtdeutsche, die sich nicht nur kurzfristig im Land aufhielten
und beispielsweise Opfer eines rassistisch motivierten Angriffs
würden, blieben weiterhin „Opfer zweiter
Klasse“.
Auch kritisierte die Abgeordnete der Linksfraktion die
unterschiedliche Höhe der Pauschalzahlungen im Osten und
Westen Deutschlands: „Das Opferleid Ost ist nicht geringer zu
schätzen als das Opferleid West“, sagte die
Politikerin.
Experten bewerteten erweiterten Opferschutz positiv
Im Anschluss an die Debatte wurde der Gesetzentwurf an den zuständigen Ausschuss für Arbeit und Soziales zur weiteren Beratung verwiesen. Dieser hatte sich bereits am 26. Januar 2009 mit dem Thema Opferentschädigung, da aber insbesondere mit den Vorschlägen von FDP und den Grünen befasst. Reinhard Böttcher vom Weissen Ring hatte diese damals begrüßt und die Hoffnung geäußert, dass der Anwendungsbereich des OEG noch in der laufenden Wahlperiode ausgeweitet würde.
Claudia Tietz vom Sozialverband Deutschland hatte dagegen darauf
hingewiesen, „dass der Kreis der Anspruchsberechtigten bei
Besuchsreisen nicht ausufern“ dürfe. Eine
Beschränkung bis zum dritten Verwandtschaftsgrad sei sinnvoll
und eine Ausdehnung auf eingetragene Lebenspartnerschaften
wünschenswert.
Manfred Bruns, Sprecher des Schwulen- und Lesbenverbands
Deutschland, hatte jedoch die Auffassung vertreten, dass eine
Beschränkung auf Verwandte „obsolet“ sei. Ein
Schwuler, der in Berlin Freunde besuche und Opfer von Gewalt werde,
müsse ein Anrecht auf eine Entschädigung erhalten.