Expertenrunde im Rechtsausschuss zu so genannten Deals vor Gericht
Eine Mehrheit der Sachverständigen befürwortet grundsätzlich eine Absprache zwischen Richter, Staatsanwalt und Verteidigung über das Strafmaß im Strafprozess. Die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD und der Bundesrat hatten dazu Gesetzentwürfe vorgelegt, die am 25. März 2009 Gegenstand einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses waren.
Die Bundesrechtsanwaltskammer begrüßte den Entwurf der
Koalitionsfraktionen (
16/11736), neben dem es ein Gesetzentwurf des
Bundesrates zur Diskussion stand (
16/4197). Prof. Dr. Alexander
Ignor und Dr. Alfred Dierlamm sagten als
Vertreter der Anwaltskammer, die vorgesehenen Ergänzungen der
Strafprozessordnung seien geeignet, das
„Verständigungsverfahren“ transparent zu machen
und durch die Formalisierung den bisher teilweise zu beobachtenden
Missbrauch zu verhindern.
Der Entwurf treffe insbesondere Vorkehrungen, um eine Umgehung des gesetzlich zu regelnden Abspracheverfahrens weitestgehend auszuschließen. Armin Nack, Vorsitzender Richter des Ersten Strafsenats am Bundesgerichtshof, meinte, der Gesetzgeber sei gefordert, der Praxis der Urteilsabsprachen klare Vorgaben zu machen.
Für ihn sei das zentrale Argument der gesetzlichen Regelung,
dass korrekt zustande gekommene Urteilsabsprachen vom Gesetzgeber
legitimiert seien. Voraussetzung dafür sei unter anderem, dass
der Anklagevorwurf so vollständig wie möglich ermittelt
sein und das Gericht – und zwar bevor es in
Verständigungsgespräche eintrete – den Akteninhalt
sorgfältig durchgearbeitet haben müsse, so Nack.
Christoph Frank vom Deutscher Richterbund begrüßte ebenso den Entwurf der beiden Fraktionen. Die Gefahr, dass sich die gesetzliche Regelung zum mehrheitlich genutzten neuen Verfahrenstyp neben der Strafprozessordnung entwickeln würde, sah er nicht. Er teile keineswegs die vielen kritischen Äußerungen aus der Justizpraxis, die den „Deal“ nur als aus der Notlage geborene und als zweitbeste Lösung der Verfahrenserledigung sehen.
Aus der Praxis sei das Procedere nicht mehr wegzudenken, sodass
eine gesetzliche Regelung schon deswegen erforderlich sei, um
weiteren Auswüchsen zu begegnen, argumentierte Dr.
Stefan König, Vorsitzender des Strafrechtsausschusses
des Deutschen Anwaltsvereins.
Demgegenüber war Dr. Ferdinand Gillmeister, Fachanwalt für Strafrecht aus Freiburg im Breisgau, der Meinung, Absprachen im Strafverfahren, bei denen das Gericht die Sachverhaltsaufklärung reduziere und den Beschuldigten als Gegenleistung für ein Geständnis oder einen Verzicht auf Prozessrechte eine milde Sanktion in Aussicht stelle, seien rechtlich bedenklich. Sie könnten das Vertrauen der Bürger in die Strafrechtspflege beeinträchtigen.
Der Experte argumentierte unter anderem, da das Gericht
„Vertragspartner“ einer Absprache sei, laute die
Alternative für den Angeklagten: Verständige sich der
Beschuldigte nicht „freiwillig“ mit dem Gericht und mit
der Staatsanwaltschaft, so entscheide das Gericht eben ohne seine
Zustimmung.
Dr. Thomas Fischer, Richter am Bundesgerichthof, war der Überzeugung, in der Verfahrenswirklichkeit habe sich eine „Kultur der Urteilsabsprachen“ entwickelt, die zwingende gesetzliche Vorschriften und höchstrichterliche Erkenntnisse bewusst missachte. Sie sei zu einer erheblichen Gefahr für die Legitimität des Strafrechtsystems insgesamt geworden.
Eberhard Kempf, Rechtanwaltskanzlei Kempf &
Dannefeld aus Frankfurt am Main, war der Überzeugung, die
Grundpfeiler des Regierungsentwurfs seien
„Sonntagsreden“ gegenüber einer Praxis, die sich
bisher nicht daran gehalten habe. Daran werde sich nichts
ändern, wenn der Gesetzgeber die Schleusen öffne und
Urteilsabsprachen legalisiere, so Kempf weiter.
Liste der geladenen Sachverständigen