Bundestag trauert mit den Angehörigen der Opfer von Winnenden
Bundestagsvizepräsidentin Dr. Susanne Kastner (SPD) hat am 18. März 2009 in einem Nachruf namens des Deutschen Bundestages der Opfer des Amoklaufs von Winnenden gedacht und den Angehörigen und Hinterbliebenen ihr Mitgefühl und Beileid ausgesprochen. In der Kleinstadt Winnenden bei Stuttgart hatte eine Woche zuvor ein 17-Jähriger 15 Menschen und danach sich selbst erschossen. An die Gedenkminute schloss sich eine Aktuelle Stunde zu den Konsequenzen nach dem Amoklauf an, die CDU/CSU und SPD beantragt hatten.
Auch die Rednerinnen und Redner in der Debatte wiesen auf das
Unfassbare dieser Tat hin und äußerten ihr
Mitgefühl für die Betroffenen. Kai Gehring (Bündnis
90/Die Grünen) fügte hinzu: „Das Warum werden wir
sicherlich nie beantworten können.“
Ilse Falk (CDU/CSU) sagte, man könne jetzt nicht einfach an einigen Stellschrauben und drehen und alles sei wieder im Lot. Vielmehr müsse man sich Zeit nehmen für gut bedachte Antworten: "Was läuft nur so gründlich schief, dass wir eine ständig steigende Zahl psychisch kranker Kinder haben?"
Das Kümmern um die Seele eines Kindes könne nicht anderen
übertragen werden. Kinder suchten Grenzen und würden
tatsächlich immer grenzenloser. Alle seien gefordert, nicht
nur in der Not Anteil zu nehmen, sondern zu allen Zeiten, so Ilse
Falk.
Hartfrid Wolff (FDP) nannte die Lehrerinnen und Lehrer, die Schüler in Sicherheit gebracht hätten, obwohl sie zum Teil selbst schon verletzt gewesen seien, „Helden“. Er dankte ihnen sowie den Helfern und Seelsorgern. „Winnenden ist nicht mehr dieselbe Stadt“, sagte der Abgeordnete, in dessen Wahlkreis Winnenden liegt. Es sei richtig, nicht gleich zu vorgefertigten Lösungen zu kommen, Aktionismus helfe nicht: „Wir brauchen Raum für Trauer.“
Auch Caren Marks (SPD) sagte: „Einfache Antworten und
schnelle Lösungen sind nicht das Gebot der Stunde.“ Eine
solche Tat sei in letzter Konsequenz nicht zu erklären. Alle
Kinder und Jugendlichen müssten gleiche Lebenschancen haben,
unter optimalen Bedingungen aufwachsen können. Die Schule
müsse nicht nur ein Lern-, sondern auch ein Lebensort sein.
Die Gleichaltrigen müssten Anderssein akzeptieren. Die
Abgeordnete warb für eine „Kultur des Hinsehens“:
„Alle müssen lernen hinzuschauen.“
Für Petra Pau (Linksfraktion) ist unstrittig, dass es Konsequenzen geben muss. Es sei fahlässig, den Fokus nur auf das Waffenrecht zu lenken, man dürfe es aber auch nicht ausblenden. „Wir wollen die staatliche Kontrolle über private Schusswaffen verbessern“, sagte sie. Deren Zahl müsse drastisch reduziert werden.
Kritik übte Pau auch am dreigliedrigen Schulsystem, das
ausgrenze und Verlierer schaffe. Die Linke sei zu einer
konstruktiven und nachdenklichen Debatte „mit
Konsequenzen“ bereit.
Bundesjugendministerin Dr. Ursula von der Leyen (CDU) mahnte, die Vielfalt der Ursachen in den Blick zu nehmen. „Die Gesetze sind da. Entscheidend ist, dass sie eingehalten werden“, betonte sie.
Schule brauche Raum und Zeit, um „das Gespräch wachsen
zu lassen“, und Zeit brauche wiederum Personal. „Diese
Investition nicht zu machen, kommt uns teuer“, sagte die
Ministerin. „Wir brauchen eine Erziehungspartnerschaft
zwischen Schule und Eltern.“
„Wir können nicht absolute Sicherheit“ schaffen, so die Einsicht von Kai Gehring von den Grünen. Mobbing, Kränkungen und Demütigungen müsse entgegengewirkt werden. Wichtigstes Frühwarnsystem seien Eltern, Freunde und Lehrer. Metalldetektoren, Chipkarten und Einlasskontrollen würden wenig helfen, so Gehring, die Schule müssten offene Orte des Lernens und Lebens bleiben, keine Hochsicherheitstrakte.
Gehring regte ferner an, das Suchtpotenzial von Computerspielen bei
der Altersfreigabe zu berücksichtigen und schlug ein
nationales Waffenregister vor: „Warum kann jemand legal mehr
als ein Dutzend Waffen zu Hause verwahren?“