Experten äußerten sich im Rechtsausschuss zu einer Regierungsinitiative
Bei einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses am Mittwoch, 25. März 2009, hat sich die Mehrheit der eingeladenen Sachverständigen kritisch zum Entwurf der neuen Kronzeugenregelung geäußert. Der Gesetzentwurf soll an die Stelle der 1999 ausgelaufenen Kronzeugenregelung treten. Es sieht vor, dass ein Gericht eine mildere Strafe verhängen kann, wenn der Täter einer schweren Straftat freiwillig sein Wissen über andere schwere Straftaten offenbart.
Der Regierungsentwurf (
16/6268) laufe auf ein „Abschleifen
rechtsstaatlicher Prinzipien“ wie des Schuldprinzips und des
Öffentlichkeitsgrundsatzes hinaus, sagte der Frankfurter
Professor Dr. Peter-Alexis Albrecht.
Außerdem bestehe eine Missbrauchsgefahr, wenn ein Kronzeuge
„andere fälschlich belastet, um in den Genuss
möglichst weitgehender Vergünstigungen zu
kommen“.
Auch Dr. Alfred Dierlamm widersprach im Namen der Bundesrechtsanwaltskammer der Einführung einer „allgemeinen Kronzeugenregelung“. Je schwerer der Vorwurf sei, umso größer sei erfahrungsgemäß auch die Neigung des Beschuldigten, für eine Strafmilderung andere durch Falschaussagen zu belasten, sagte der Wiesbadener Anwalt.
Oberstaatsanwalt Christoph Frank, Vorsitzender des
Deutschen Richterbundes, kritisierte, dass auch
Aufklärungshilfe zur Strafmilderung führen kann, die in
keinem Zusammenhang zum Beschuldigten und der ihm vorgeworfenen Tat
steht. So könnte auch ein überführter
Sexualstraftäter Strafmilderung bekommen, weil er
beispielsweise zur Aufklärung von „Geldwäsche oder
eines schweren Subventionsbetruges beigetragen hat“.
Die eigentlichen „Gewinner“ der neuen Kronzeugenregelung wären Mörder, „die über ihre Mordtaten hinaus in kriminelles Milieu verstrickt sind“, sagte Dr. Stefan König vom Deutschen Anwaltsverein. Der Rechtsstaat sei auf einen „fragwürdigen Handel“ mit Kriminellen nicht angewiesen.
Dagegen betonte der Berliner Professor Dr. Florian
Jeßberger, dass eine Kronzeugenregelung ein
„sinnvolles Instrument der Verbrechensbekämpfung“
sein könne, gegen die er keine prinzipiellen rechtlichen
Bedenken habe. Die bereits vorhandene „Praxis der Honorierung
kooperativen Verhaltens des Beschuldigten“ könne mit dem
Entwurf auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden.
Auch Amtsgerichtsrichter Dr. Jérome Lange betonte, in der Praxis gebe es Beispiele für den Erfolg spezieller Kronzeugenregelungen, so im Bereich des Drogenhandels. Jedoch blieben die Argumente für und wider eine Kronzeugenregelung eine Glaubensfrage, solange keine breit angelegte wissenschaftliche Evaluation zur Verfügung stehe.