Fachleute äußerten im Rechtsausschuss zm geplanten Reformgesetz
Bei der Anhörung des Rechtsausschusses zur Änderung des Untersuchungshaftrechts am Mittwoch, 22. April 2009, hat sich die Mehrzahl der Experten dafür ausgesprochen, Beschuldigten in der Untersuchungshaft frühzeitig einen Pflichtverteidiger zur Seite zu stellen, wenn diese sich keinen Wahlverteidiger leisten können. Im Gesetzentwurf der Bundesregierung ist eine solche Änderung bislang nicht vorgesehen, sie wurde in der Plenardebatte jedoch von Abgeordneten von Union und SPD sowie der Grünen befürwortet. Bislang wird einem Untersuchungshäftling erst nach drei Monaten ein Pflichtverteidiger beigeordnet, wenn der Staatsanwalt dies nicht schon früher beantragt.
Stefan König vom Deutschen Anwaltsverein schlug zum
Gesetzentwurf (
16/11644) vor, dass ein Rechtsbeistand den
Beschuldigten „ab dem Zeitpunkt der ersten Vernehmung“
unterstützen solle. Der Bundesgerichtshof habe bereits 2001
betont, „dass die Staatsanwaltschaft, wenn sie einen
Haftbefehl wegen eines Verbrechens beantragt, auch die Stellung
eines Beiordnungsantrages zu erwägen habe“.
Dr. Hans-Ullrich Paeffgen, Bonner Professor für Strafrecht, erinnerte an „die einstmalige Bereitschaft des Bundesjustizministeriums“, dem Beschuldigten im Falle eines Haftbefehlerlasses einen Pflichtverteidiger zu bestellen. Der damalige Vorschlag, dass „auf Antrag des Beschuldigten, seines gesetzlichen Vertreters oder der Staatsanwaltschaft ein Verteidiger bereits ab Beginn der U-Haft zu bestellen sein sollte“, habe „durch Zeitablauf nichts an Sachrichtigkeit verloren“.
Ähnlich argumentierte auch der Münchner
Strafrechtsprofessor Dr. Heinz Schöch: Er
verwies darauf, dass sich etwa 40 Prozent der Beschuldigten
„gleich zu Beginn der Untersuchungshaft einen Wahlverteidiger
leisten können“ und nur wenige zu diesem frühen
Zeitpunkt einen Pflichtverteidiger erhalten. Alle anderen
Inhaftierten müssten drei Monate warten, bis ihnen ein
Verteidiger bestellt würde.
Diese Regelung sei „mit dem Leitprinzip der strafprozessualen Waffengleichheit nur schwer zu vereinbaren“ und verstoße „gegen den Grundsatz der Chancengleichheit zwischen wohlhabenden und sozial schwächer gestellten Untersuchungsgefangenen“. Mehrere Studien hätten ergeben, dass aufgrund der Unterstützung durch einen Rechtsbeistand die Untersuchungshaft verkürzt und das Strafverfahren beschleunigt werden könne, was auch der Entlastung des Justizetats zugute komme.
Der Kölner Fachanwalt für Strafrecht, Michael
Tsambikakis, sagte, die
„Pflichtverteidigerbestellung von Beginn an“ sei der
wichtigste Baustein, um die Rechte des Untersuchungsgefangenen zu
stärken.
Gegen diesen Vorschlag sprach sich Dr. Ernst Tschanett, Vizepräsident des Oberlandesgerichts Bamberg, aus. Eine solche Regelung würde „zu einer Vervielfachung der Anzahl der Pflichtverteidigerbestellungen führen, was mit zusätzlichen Kosten für die Staatskasse“ verbunden wäre. In vielen Fällen könne ein Verfahren „ohne Pflichtverteidigerbestellung wesentlich effektiver und schneller abgewickelt werden, ohne dass dem Beschuldigten Nachteile entstehen“. Das sei beispielsweise „in vielen Fällen der Klein- und mittleren Kriminalität“ der Fall.
Auch Frank Buckow, Richter am Amtsgericht
Berlin-Tiergarten, argumentierte gegen die automatische Beiordnung
eines Pflichtverteidigers. Allerdings sprach er sich für einen
„leichteren Zugang des Beschuldigten zum beigeordneten
Verteidiger“ aus, ähnlich dem Zugang des
Nebenklägers zum Rechtsbeistand.
Liste der geladenen Sachverständigen