Bündnis 90/Die Grünen votierten gegen das neue Regelwerk
Mit dem am Freitag, dem 24. April 2009, beschlossenen Gesetzesänderungen werden erstmals genetische Untersuchungen sowie der Umgang mit deren Ergebnissen geregelt. Das Gesetz, das mit Stimmen der Koalition gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und bei Enthaltung von FDP und Die Linke, angenommen wurde, soll das informationelle Selbstbestimmungsrecht bei gendiagnostischen Tests stärken und vor Missbrauch der Ergebnisse schützen. Abgelehnt hat das Parlament hingegen einen Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen, der unter anderem ein allgemeines Diskriminierungsverbot und die Festschreibung des „Rechts auf Nichtwissen“ gefordert hatte.
Im Einzelnen sehen die nun beschlossenen gesetzlichen Regelungen (
16/10532) vor, dass genetische Untersuchungen
nur mit Einwilligung der zu untersuchenden Person und nur von
Ärzten vorgenommen werden dürfen. Erlauben diese Tests
eine Voraussage über die Gesundheit der jeweiligen Person oder
eines ungeborenen Kindes, ist nun eine Beratung vor und nach der
Untersuchung zwingend vorgeschrieben.
Genetische Untersuchungen vor der Geburt sind insgesamt auf rein
medizinische Zwecke beschränkt. Auch dürfen dabei nur
Eigenschaften festgestellt werden, die die Gesundheit des
ungeborenen Kindes vor oder nach der Geburt beeinträchtigen
können, nicht erst später in seinem Leben.
„Erstmals Schutz in einem äußerst sensiblen
Bereich“
Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) sagte, die Regelung der Untersuchung von genetischen Eigenschaften und des Umgangs mit den Ergebnissen sei gerade vor dem Hintergrund wachsender gendiagnostischer Möglichkeiten wichtig, denn sie beträfen einen äußerst „sensiblen“ Bereich.
Genetische Untersuchungen könnten das Leben des Einzelnen
massiv beeinträchtigen und gerade Eltern vor folgenreiche
Entscheidungen stellen. Deshalb dürfe niemand „gegen den
Willen des Betroffenen über seine genetischen Eigenschaften
und möglichen Dispositionen erfahren“, betonte
Schmidt.
Erstmals lege ein Gesetz auch Anforderungen für die
Untersuchungen fest. So sei es insbesondere Arbeitgebern und
Versicherungsunternehmen verboten, Auskünfte zu genetischen
Eigenschaften zu erfragen, entgegen zu nehmen und zu verwenden. So
werde das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gewahrt und
die Daten vor Missbrauch geschützt.
„Teilweise unnötige und hinderliche
Regelungen“
Heinz Lanfermann (FDP) sagte, seine Fraktion unterstütze im Grundsatz das Gesetzesvorhaben der Regierung, denn natürlich müssten die Persönlichkeitsrechte bewahrt und der Einzelne vor Benachteiligungen aufgrund seiner genetischen Eigenschaften geschützt werden.
Doch der Liberale kritisierte, die Koalition haben mit dem Gesetz
Regelungen sogar in Bereichen getroffen, in denen sie nicht
nötig oder hinderlich seien. So sei es nicht richtig,
diagnostische und prädiktive Untersuchungen gleich zu
behandeln. Dies könne dazu führen, dass „sinnvolle
Untersuchungen“ wie etwa das Neugeborenen-Screening zu stark
reglementiert und damit in der Praxis zu selten eingesetzt
würden.
„Recht auf Nichtwissen ist zentrales
Element“
Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU) verteidigte den Gesetzentwurf der Koalition: Er sorge dafür, dass der Mensch weiterhin in seiner „Einzigartigkeit“ gewahrt bleibe. Dazu gehörten auch seine „Unzulänglichkeiten“. Die wachsenden gendiagnostischen Möglichkeiten dürften nicht dazu führen, den Menschen nur noch auf seine „Risikofaktoren zu degradieren“, mahnte die CDU-Politikerin.
Da die Gendiagnostik jedoch auch viele Chance biete, sei es
Anspruch des neuen Gesetzes, einen Ausgleich und „den Rahmen
für verantwortungsbewusstes Handeln“ zu schaffen. Das
darin verankerte „Recht auf Nichtwissen“ bezeichnete
Mauz als „zentrales Element“. Gerade im Hinblick auf
das Verbot vorgeburtlicher Diagnostik für die Feststellung
erst später im Leben auftretender Krankheiten sei es ihrer
Fraktion darum gegangen, das Recht auf Nichtwissen des noch
ungeborenen Kindes zu schützen.
„Gesetzlicher Schutz vor Benachteiligungen ist
löchrig“
Frank Spieth (Die Linke), lobte zwar, dass es nun ein Gesetz geben werde, das genetische Untersuchungen regele und den Schutz vor Missbrauch stärke, doch monierte er, es enthalte zu viele Ausnahmen und „Schlupflöcher“. Genetische Eigenschaften würden in Zukunft immer interessanter für Arbeitgeber und Versicherungswirtschaft werden, mahnte der Abgeordnete der Linksfraktion.
Umso wichtiger sei es, den Schutz lückenlos zu
gewährleisten. Falsch sei es daher, Versicherungsnehmer von
Lebensversicherungen zu verpflichten, bei einer Versicherungssumme
über 300 000 Euro Ergebnisse gendiagnostischer Untersuchungen
offen zu legen. Das würde die Betroffenen und ihre Familien
auch beim Abschluss anderer Versicherungen benachteiligen.
„Wer glaubt, dass zwischen der Abteilung Lebensversicherung
und Krankenversicherung eines Unternehmens kein
Informationsaustausch besteht, der „pudert sich wohl morgens
mit dem Klammersack“.
Gesetz bleibt „Torso ohne Arme und Beine“
Auch Priska Hinz (Bündnis 90/Die Grünen) bemängelte, das Gesetz der Koalition sei nur „Stückwerk“ und bleibe hinter dem vor zwei Jahren von ihrer Fraktion vorgelegten Gesetzentwurf zurück: Als Nachteil hob sie insbesondere hervor, dass der Bereich der Forschung völlig ungeregelt bleibe.
Der Aufbau von Biobanken stelle aber eine große
Herausforderung für den Rechtschutz dar und bedürfe
dringend gesetzlicher Vorgaben. Konterkariert werde das Verbot
heimlicher Vaterschaftstests zudem bei staatlich geforderten
Abstammungsbelegen für den Familiennachzug von Migranten.
Gendiagnostische Untersuchungen müssten auch bei
Ausländern auf Freiwilligkeit beruhen, forderte Hinz.
Insgesamt bezeichnete die grüne Abgeordnete das Gesetz als
„Torso ohne Arme und Beine“, dem ihre Fraktion nicht
zustimmen könne.