Bundestag beschließt Ausbau der Höchstspannungsnetze
In einem sind sich Koalition und Opposition einig: Die Höchstspannungsnetze in Deutschland müssen dringend modernisiert und erweitert werden. Doch wie der Ausbau der Stromtrassen geschehen soll, darüber besteht bislang Dissens zwischen den Parteien. Am Donnerstag, dem 7. Mai 2009, entscheidet der Bundestag gegen 11.45 Uhr über einen Gesetzentwurf der Bundesregierung sowie über Gegenanträge von Bündnis 90/Die Grünen und der Linksfraktion zum Ausbau von Stromübertragungsnetzen.
Nach Ansicht der Bundesregierung erfordern der immer
größere Anteil von Strom aus erneuerbaren Energien, der
wachsenden grenzüberschreitende Stromhandel und auch neue
Kraftwerke dringend den raschen Ausbau von
Höchstspannungsleitungen in Deutschland.
Aus diesem Grund hat sich die Koalition bereits im Sommer 2008 auf
einen Gesetzentwurf zur Bescheunigung des Ausbaus von
Höchstspannungsnetzen geeinigt, der im Oktober letzten Jahres
in erster Lesung beraten wurde und nun im Bundestag zur Abstimmung
steht (
16/10491).
Mit diesem Gesetzentwurf plant die Bundesregierung, die Rahmenbedingungen für einen Ausbau der Höchstspannungsnetze zu verbessern: Der vordringliche Bedarf an Übertragungsleitungen soll in einem gesetzlichen Bedarfsplan festgelegt werden. Demnach sollen bis zum Jahr 2015 insgesamt sechs neue Trassen für den Nord-Süd-Transport in Betrieb gehen, um künftig erneuerbare Energien mit einem Anteil von 20 Prozent an der Stromversorgung ohne Beeinträchtigung des Netzbetriebs aufnehmen zu können.
Dabei handelt es sich um die Verbindungen von Hamburg/Nord nach
Dollern in Niedersachsen, innerhalb Niedersachsens von Ganderkesee
nach Wehrendorf, in Brandenburg von Neuenhagen nach
Bertikow/Vierraden, von Halle an der Saale (Sachsen-Anhalt) nach
Schweinfurt (Bayern), von Diele (Niedersachsen) an den Niederrhein
und von Wahle (Niedersachsen) nach Mecklar (Hessen).
Vorgesehen ist laut Gesetzentwurf zudem, die Planungs- und Genehmigungsverfahren in diesen Fällen zu beschleunigen und das Bundesverwaltungsgericht bei Rechtsstreitigkeiten zur ersten und zugleich letzten Instanz zu machen. Außerdem soll es das neue Gesetz ermöglichen, bei vier Pilotvorhaben Höchstspannungsleitungen als Erdkabel zu verlegen und zu testen.
Diese Vorhaben sind bei Fachleuten auf Zustimmung gestoßen.
In einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für
Wirtschaft und Technologie im Dezember 2008 befürworteten sie
die Gesetzesinitiative der Koalition: So sagte Eberhard Meller vom
Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft, ohne den geplanten
Netzausbau wäre die Energieversorgung nicht
gewährleistet.
Uneinigkeit herrschte unter den Experten jedoch bei der Frage, ob Erdverkabelung oder Freileitungen beim Ausbau der Verzug zu geben sei. Wolfgang Neldner vom Netzbetreiber Vattenfall Europe Transmission GmbH argumentierte, ein Erdkabel halte nur 30 Jahre, ein Freileitungssystem dagegen 80 bis 120 Jahre.
Anderer Meinung war Matthias Kirchner vom Verband der
europäischen Kabelhersteller Europacable: Er entgegnete, die
"Lebenserwartung" liege beim Kabel bei 40 Jahren. Zudem stellten
diese keinen massiven Engriff in die Umwelt dar, da darauf sogar
Ackerbau betrieben werden könne. Allerdings seien die
Herstellungskosten für die Erdverkabelung höher als bei
Freileitungen, so Kirchner.
Die Opposition befürwortet grundsätzlich den Ausbau der Stromnetze, hat jedoch im Einzelnen Kritik geäußert: Skeptisch sehen die Liberalen vor allem die Erdverkabelung: Diese stelle nicht nur einen erheblichen Eingriff in den Natur dar, sondern könne auch die "mühsam regulierten Netzgebühren" verteuern.
Die FDP hat angekündigt, das Gesetz trotz dieser
Beanstandungen dennoch zu unterstützen.
Im Gegensatz zum Regierungsentwurf plädieren Bündnis 90/Die Grünen in ihrem eigenen Antrag ( 16/10590) dafür, Höchstspannungsleitungen grundsätzlich unter der Erde zu verlegen, sofern keine zwingenden Gründe dagegen sprechen.
Die Beteiligungsrechte betroffener Anwohner am Planungsverfahren
will die Fraktion ebenso wenig einschränken wie die
Rechtsschutzmöglichkeiten der Bevölkerung durch die
vorgesehene erst- und letztinstanzliche Zuständigkeit des
Bundesverwaltungsgerichts. Hier setze der Gesetzentwurf der
Regierung "die falschen Akzente".
Auch die Linksfraktion will bestehende Stromnetze schnell auf den neuesten Stand der Technik bringen, um die Leistungsfähigkeit zu erhöhen ( 16/10842). Um eine "intelligente und dezentrale Stromproduktion" zu fördern, sollen Netzgebühren für den Betrieb mehrerer Erneuerbarer-Energien-Anlagen entfallen.
Beim Ausbau der Übertragungsleitungen müsse zudem darauf
geachtet werde, dass die Beteiligungsrechte der betroffenen
Bürger gewahrt bleiben, fordert Die Linke.