Lammert und Pöttering weisen auf wachsende Bedeutung der EU hin
In einer gemeinsamen Erklärung beider
Parlamentspräsidenten heißt es: "Kein Nationalstaat kann
Probleme wie die Finanzkrise oder den Klimawandel alleine
bewältigen. Dies ist nur in einem starken und geeinten Europa
möglich."
Lammert und Pöttering unterstreichen den zunehmenden Einfluss des Europaparlaments auch für die nationale Gesetzgebung. Deshalb sei die Entscheidung der Wählerinnen und Wähler politisch nicht weniger wichtig als bei Bundestagswahlen. Deutschland habe als größtes EU-Mitgliedsland eine besondere, historisch begründete Verantwortung für die weitere Entwicklung Europas.
"Respekt der Menschenwürde und Menschenrechte überall in
der Welt; Freiheit, Demokratie und Recht; Subsidiarität und
Solidarität. Diese Werte machen unsere besondere
europäische Identität, unseren europäischen
Lebensstil aus, der einzigartig ist in der Welt und den wir jeden
Tag neu gestalten und verteidigen müssen", heißt es in
der Erklärung weiter. Die EU sei im Kern eine
Wertegemeinschaft. Mit ihrer Stimme entschieden die
Wählerinnen und Wähler auch über die Fortentwicklung
dieser Wertegemeinschaft in der Zukunft.
Insgesamt werden bei dieser siebten Europawahl seit 1979 rund 375 Millionen Europäer an die Urnen gerufen, um die 736 Abgeordneten zu wählen. 99 davon kommen aus der Bundesrepublik. Die Wahlentscheidung hat unmittelbare Auswirkungen auf das Alltagsleben der Europäer.
Um zu erkennen, welche konkreten Folgen die Entscheidungen des
Parlaments haben, lohnt sich ein Blick auf einige Beschlüsse
seit der letzten Europawahl im Jahr 2004. Zum Beispiel zur
Preistransparenz bei Urlaubsflügen.
Seit dem 1. November 2008 können Fluggäste sicher sein, dass der Preis für ein Flugticket auch der Preis ist, den sie tatsächlich zahlen müssen. Das Europaparlament hatte erfolgreich durchgesetzt, dass es keine „versteckten Aufschläge“ mehr gibt. Nun können die Fluglinien nicht mehr mit niedrigen Angeboten locken, die sich auf den zweiten oder dritten Blick als gar nicht so günstig erweisen.
Oder die niedrigeren Roaming-Gebühren beim Mobiltelefonieren,
SMS-Verschicken und Internetsurfen: Hier hat das Parlament
Preissenkungen durchgesetzt. So darf ab 1. Juli ein
Handy-Gespräch ins EU-Ausland nicht mehr als 43 Cent pro
Minute (plus Mehrwertsteuer) kosten, der Empfang eines
Gesprächs aus dem EU-Ausland nicht mehr als 19 Cent pro
Minute. Zum 1. Juli 2010 wird weiter gesenkt: auf 39 Cent für
ausgehende und 15 Cent für eingehende Gespräche.
Lange umstritten war die Dienstleistungsrichtlinie, die den Binnenmarkt für die Anbieter von Dienstleistungen öffnet. Um das befürchtete Lohndumping zu verhindern, hat das Parlament die Richtlinie überarbeitet, bis auch Arbeitgeberseite und Gewerkschaften zufrieden waren.
Das im Dezember 2008 verabschiedete Klimaschutzpaket legt fest,
dass der Kohlendioxidausstoß pro Kilometer von Autos ab 2015
auf 120 Gramm je Kilometer sinken muss und dass der
Kohlendioxidausstoß EU-weit bis 2020 um 20 Prozent sinken
soll. Zugleich soll der Anteil erneuerbarer Energien am
Gesamtenergieverbrauch auf 20 Prozent gesteigert werden.
Schließlich der Chemikalienschutz: Im Gegensatz zu
früher muss nun die Industrie nachweisen, dass ihre
Chemikalien sicher sind. 30.000 von 100.000 auf dem Markt
befindliche chemische Stoffe müssen aufgrund der so genannten
REACH-Verordnung registriert werden. Das Parlament
verspricht sich davon mehr Sicherheit und einen besseren Schutz
für Mensch und Umwelt.
Das Europaparlament mag geografisch weit weg sein von den Bürgern, an seinen Alltagsproblemen ist es nah dran. In den letzten fünf Jahren hat es rund 300 Gesetzgebungsverfahren beraten. Und es kontrolliert die Verwendung der Haushaltsmittel der EU, die in diesem Jahr rund 133 Milliarden Euro umfassen.
Ein Großteil der deutschen Gesetzgebung im Bundestag besteht
darin, auf EU-Ebene beschlossenes Recht in deutsche Paragrafen
umzusetzen. Entsprechend gering sind die Handlungsspielräume
der nationalen Parlamente, wenn die Vorgaben aus Brüssel auf
Widerstand stoßen. Der Bundestag kooperiert daher mit dem
Europaparlament, die Fachausschüsse und die Abgeordneten
tauschen sich aus, um Bedenken und Einwände so früh wie
möglich im Brüsseler Meinungsbildungsprozess geltend
machen zu können.
Der Bundestag unterhält ein Verbindungsbüro bei der EU, um die Abgeordneten in Berlin frühzeitig über neue Entwicklungen unterrichten zu können, und der Wirtschaftsausschuss des Bundestages beriet sich vor gut einem Jahr erstmals in einer Live-Videokonferenz mit dem Industrieausschuss des Europaparlaments. Wählen dürfen in Deutschland auch 2,1 Millionen EU-Bürgerinnen und EU-Bürger, die seit mindestens drei Monaten hier leben. Für 4,6 Millionen in Deutschland ist dies die erste Europawahl, an der sie teilnehmen dürfen.
In Deutschland schließen die Wahllokale am Sonntag wie
üblich um 18 Uhr. Das vorläufige amtliche Wahlergebnis
darf aber nicht vor 22 Uhr bekanntgegeben werden, weil in anderen
Ländern zum Teil noch bis 22 Uhr gewählt wird. Ergebnisse
von Hochrechnungen, die nach 18 Uhr veröffentlicht werden,
beruhen auf Wählerbefragungen nach der Stimmabgabe und
Ergebnissen der öffentlichen Stimmenauszählung in
einzelnen Wahllokalen. Bereits gegen 15.30 Uhr wird
Bundeswahlleiter Roderich Egeler einen "Zwischenstand zur
Wahlbeteiligung in Deutschland bis 14 Uhr" bekanntgeben.
Seit der letzten Wahl vor fünf Jahren gibt es im Parlament sieben Fraktionen. Mit 288 Sitzen ist die Fraktion der Europäischen Volkspartei und Europäischen Demokraten (EVP-ED) die größte, 49 davon kommen von der CDU und CSU. Präsident ist Dr. Hans-Gert Pöttering (EVP-ED) aus Deutschland.
Es folgt die Sozialdemokratische Fraktion mit 217 Sitzen, davon 23
aus der SPD. Die Allianz der Liberalen und Demokraten für
Europa (ALDE) hat 100 Sitze, davon sieben aus der FDP. Die
Fraktionen der Grünen und Freien Europäischen Allianz
zählt 43 Abgeordnete, darunter 13 deutsche Grüne. 41
Sitze vereinigt die Konföderale Fraktion der Vereinigten
Linken und Nordischen Grünen Linken auf sich, davon sieben von
der Linkspartei.
Keine deutschen Abgeordneten gibt es bei der Fraktion Union für das Europa der Nationen (44 Sitze), der Fraktion Unabhängigkeit und Demokratie (22 Sitze) sowie unter den 30 Fraktionslosen. 20 ständige Ausschüsse hat das Europaparlament eingerichtet, zwei weniger als der Bundestag. Am Sitz des Europaparlaments in Straßburg finden jährlich zwölf große Plenartagungen statt, die jeweils eine knappe Woche dauern. In Brüssel tagen zumeist die Ausschüsse, auch die Fraktionsberatungen finden dort statt.
Nach der Wahl am 7. Juni wird auch die Europäische Kommission
in Brüssel neu ernannt. Dann entscheidet sich auch, ob der
Portugiese José Manuel Barroso weiter an ihrer Spitze stehen
wird. Die Wählerinnen und Wähler entscheiden damit
indirekt auch über die künftige Zusammensetzung der
Kommission mit, weil der Kommissionspräsident die Zustimmung
des Europaparlaments benötigt.