Bundestag erörterte Lage im Iran nach den Präsidentschaftswahlen
Seit dem vermeintlichen Wahlsieg des iranischen Staatschefs Mahmud Ahmadinedschad befindet sich das Land im Ausnahmezustand. Trotz eines Demonstrationsverbots protestieren noch immer Hunderttausende Anhänger des Herausforderers Mir Hussein Mussawi auf den Straßen Teherans und anderer Großstädte. Sie werfen dem Regime Wahlbetrug vor. Auf Antrag von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen beriet der Bundestag am Mittwoch, 17. Juni 2009, in einer Aktuellen Stunde über die Lage in dem Land.
Nach offiziellen Angaben hat Amtsinhaber Ahmadinedschad die
Präsidentenwahl mit großem Vorsprung gewonnen. Der
Mitbewerber um das Präsidentenamt Mussawi forderte eine
Wiederholung der Wahl. Inzwischen hat der geistliche
Führer des Landes, Ayatollah Ali Chamenei, eine Prüfung
des Wahlergebnisses angeordnet.
Verhalten Teherans „nicht mehr hinnehmbar“
„Die iranische Bevölkerung hat das Gefühl, betrogen worden zu sein“, sagte der Staatsminister Dr. Gernot Erler (SPD). Mit Blick auf die Gewalt, mit der die Sicherheitskräfte den Demonstranten begegnen, appellierte er, dass die Menschen ihr demokratisches Recht auf Demonstrationen wahrnehmen können. Außerdem forderte er, dass iranische und ausländische Journalisten wieder ungehindert ihrer Arbeit nachgehen können. Die Führung des Irans hat in den letzten Tagen besonders ausländischen Berichterstattern harte Auflagen gemacht.
Des Weiteren kritisierte Erler die jüngsten
Äußerungen Ahmadinedschads, in denen er keine
Verhandlungsbereitschaft über die internationalen Forderungen
bezüglich der iranischen Atom-Frage erkennen lasse. Auch das
Verhalten Teherans auf den Kurswechsel in der US-Politik
„können wir nicht mehr hinnehmen“, sagte er. Der
Iran riskiere so das Auslassen einer vielleicht historischen
Chance.
Lob für Obamas Politik
„Die kluge Wende“ von Barack Obama lobte auch Jürgen Trittin (Bündnis 90/Die Grünen). Der neue US-Präsident habe erkannt, dass die Isolierung des Landes die Iraner zu Ahmadinedschad getrieben habe. Nun sei es am Iran, die ausgestreckte Hand Obamas zu ergreifen. Trittin sieht jedoch eine wachsende Gefahr, dass das Regime „zunehmend diktatorische“ Züge annimmt. Es sei wichtig, dass der Vorwurf der Wahlfälschung restlos aufgeklärt werde und gegebenenfalls Neuwahlen durchgeführt werden.
„Obama hat die Sprache vom Typ ‘Achse des
Bösen’ überwunden“, lobte auch der
FDP-Abgeordnete Dr. Werner Hoyer die Neuausrichtung der US-Politik.
Vor allem zollte er jedoch den zahlreichen Iranern Respekt,
„die unter Gefahr für Leib und Leben dafür
eintreten, dass ihre Stimme zählt“.
Linke: Vorsicht bei der Beurteilung von Wahlen
Ruprecht Polenz (CDU/CSU) berichtete, er habe in einem Telefonat mit dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des iranischen Parlaments gefordert, dass der Iran Demonstrationsfreiheit garantiere und umgehend eine freie Berichterstattung für iranische und ausländische Journalisten ermögliche. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass es bei der Präsidentenwahl nicht um den Posten des mächtigsten Mannes im Iran ging – dies sei nämlich der geistliche Führer Chamenei.
Prof. Dr. Norman Paech von der Linksfraktion erklärte, dass
die Wahlen nur der Auslöser für die anhaltenden Unruhen
in dem Land seien. Der eigentliche Grund sei eine generelle
Unzufriedenheit mit dem Regime. Auch wenn keine Zweifel an
Unregelmäßigkeiten beim Urnengang am vergangenen
Wochenende bestünden, so Paech, hätten auch verschiedene
US-Institutionen einen deutlichen Vorsprung Ahmadinedschads
vorausgesagt.
„Bezüglich der Beurteilung von Wahlen im Ausland
müssen wir vorsichtig sein“, mahnte Paech. So habe es
auch bei der Präsidentschaftswahl 2000 in den USA
Unregelmäßigkeiten gegeben. Damals habe der Bundestag
jedoch keine Aktuelle Stunde angesetzt. Dr. Rolf Mützenich
(SPD) kritisierte den Vergleich Paechs. „Sie erteilen der
Wiederwahl Ahmadinedschads schon jetzt die Absolution“, sagte
er.
Ein Impuls aus der iranischen Gesellschaft
Mehrere Abgeordnete, darunter Holger Haibach (CDU/CSU) warnten die westlichen Staaten davor, in eine Falle Ahmadinedschads zu tappen: Bei aller Solidarität mit den Demonstranten, müsse man sich soweit zurückhalten, dass der Westen nicht als Initiator der Demonstrationen dargestellt werden könne. Vielmehr müsse klar sein, dass das, was im Iran geschieh, von der iranischen Gesellschaft ausgehe.
Generell herrschte unter den Rednern Einigkeit darin, dass der Iran
auch und gerade in der momentanen Lage die Menschenrechte, deren
Lage sich laut Kerstin Müller (Bündnis 90/Die
Grünen) unter Ahmadinedschad stark verschlechtert habe, zu
respektieren habe. Schließlich gehe es bei der momentanen
Diskussion „längst nicht mehr nur um ein Wahlergebnis,
sondern um unzufriedene Menschen, deren Menschen- und
Bürgerrechte mit Füßen getreten werden“,
sagte die CDU-Abgeordnete Ute Granold.