Der Vorsitzende des BND-Untersuchungsausschusses des Bundestages, Siegfried Kauder (CDU/CSU) sieht den "Bundestag als Ganzes" als Gewinner der dreijährigen Ermittlungen in dem Gremium. Als Folge der Recherchen der Abgeordneten über die Verwicklung des Bundesnachrichtendienstes (BND) in den Irak-Krieg habe das Parlament beschlossen, die Geheimdienste künftig intensiver parlamentarisch zu kontrollieren, betonte Kauder in einem Interview mit der Wochenzeitung "Das Parlament" vom 22. Juni 2009. Zwar sei der Ertrag der Ausschussarbeit im Verhältnis zum Aufwand insgesamt gering gewesen, doch könne es einem Parlament nur nutzen, die Struktur der Geheimdienste zu durchleuchten, sagte Kauder.
Was haben Sie über die Arbeit der Geheimdienste gelernt? Da kam ja einiges ans Tageslicht, man denke an das Chaos beim Bremer Verfassungsschutz im Fall Murat Kurnaz oder an die von Ihnen als "Tollhaus" charakterisierten Zustände in der BND-Spitze Mitte der neunziger Jahre.
Das ist schon eine eigene Szene, für mich war das eine neue Welt, das war sehr interessant. Ich will es mal "Abrieb" zwischen Vorgesetzten und nachgeordneten Mitarbeitern nennen, worauf wir häufig stießen. Geheimdienste arbeiten recht abgeschottet. Es war zuweilen bemerkenswert, dass solchen Zeugen öfters die Erinnerung an gewisse Vorgänge abhanden kam oder dass sich Wahrnehmungen zu diesen und jenen Vorkommnissen widersprachen. Das kann ein Ausschuss nur schwer nachprüfen, da in den Geheimdiensten vieles mündlich geregelt und wenig dokumentiert wird.
War der Ausschuss nun überflüssig? Aus Sicht der
Koalition wurde ja weithin nur das bestätigt, was schon in den
Berichten der Regierung von 2006 stand. Oder hatte die aufwendige
Arbeit einen Nutzen, wie die Opposition meint?
Im Verhältnis zum Aufwand war der Ertrag insgesamt gering, aber die Anstrengung blieb nicht ohne Ergebnis. Die Struktur der Geheimdienste zu durchleuchten, kann einem Parlament nur nutzen. Politisch am brisantesten waren natürlich die Recherchen zum Einsatz der BND-Agenten in Bagdad während des Irak-Kriegs. Letztlich ist es eine Auslegungsfrage, ob man in der Übermittlung von BND-Erkenntnissen an die US-Armee eine deutsche Mitwirkung am Krieg sieht oder nicht. Als sehr spannend hat sich auch der Blick auf die Journalistenbespitzelung durch den BND entpuppt. Da konnte man sich gelegentlich fragen, wer Jäger und wer Gejagter ist, Medienleute oder Geheimdienstler.
Vor und nach der Verabschiedung des Abschlussberichts am 18. Juni
ist bereits der politische Streit über dessen Bewertung
entflammt. Welche Rolle werden die Resultate des Ausschusses im
Wahlkampf spielen? CDU-Obfrau Kristina Köhler wirft
Frank-Walter Steinmeier wegen des BND-Einsatzes im Irak-Krieg vor,
als Kanzlerkandidat unglaubwürdig zu sein.
Nun, ein Untersuchungsausschuss ist kein Gericht, sondern ein politisches Gremium. In der Anfangsphase stand mehr die Sachaufklärung im Vordergrund, das war für den Vorsitzenden noch einfach zu handhaben. Mit dem Heranrücken der Wahlen wurde zusehends polarisiert. Da hatte ich als Vorsitzender Mühe, die Neutralität zu wahren, ich hoffe, es ist mir gelungen. Unter dem Eindruck eines Wahltermins lässt sich politischer Streit nicht vermeiden. Ob sich die Öffentlichkeit indes noch lange für die Arbeit des Ausschusses interessieren wird, muss sich zeigen. Im Laufe der Zeit ließ jedenfalls das Interesse an diesem Gremium immer mehr nach.
Auch wenn Sie als Vorsitzender "neutral" sein müssen: Wie
beurteilen Sie die Ergebnisse, wer hat "gewonnen", wer
"verloren"?
Es gehört zum politischen Geschäft, dass die gegnerischen Lager darüber streiten, wer Sieger und wer Verlierer ist. An dieser Debatte möchte ich mich nicht beteiligen. Man muss auch bedenken, dass sich der Ausschuss mit einer ehemaligen Regierung befasst hat, das ist weniger aufregend als die Auseinandersetzung mit einem amtierenden Kabinett. Ein Gewinner ist auf jeden Fall der Bundestag als Ganzes: Als Folge unserer Recherchen hat die Volksvertretung eine intensivere parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste beschlossen.
Unabhängig von der Bewertung einzelner Themen wie etwa der
CIA-Flüge oder der Schicksale von Murat Kurnaz und Khaled
El-Masri führt auch die Opposition solche "Nebenwirkungen" als
Erfolge des Ausschusses ins Feld: Die Sicherheitsbehörden
wurden stärker für rechtstaatliche Maßstäbe
sensibilisiert, es gibt inzwischen strengere Auflagen bei der
Rechtshilfe für andere Staaten oder für den BND
gegenüber Journalisten, die Einreise von Ausländern wird
nicht mehr so schnell bei bloß vagen Verdachtsmomenten
verweigert.
Diese Punkte treffen zu. Mich treibt aufgrund der Untersuchungen des Ausschusses noch ein weiterer Aspekt um: Wie steht es um die die Nutzung von Zeugenaussagen, die im Ausland unter Misshandlung oder Folter gemacht wurden? In hiesigen Strafverfahren können solche Erkenntnisse nicht verwandt werden, das ist klipp und klar geregelt. Der BND darf im Ausland auch keine Gefangenen mehr anhören, die unter irregulären Bedingungen inhaftiert sind. Bei der Gefahrenabwehr, bei der Prävention haben wir jedoch eine Grauzone. Was soll man etwa machen, wenn ein US-Dienst Hinweise auf ein möglicherweise gegen einen deutschen Bahnhof gerichtetes Attentat übermittelt und der Verdacht existiert, dass diese Erkenntnis unter Folter gewonnen wurde? Soll man eine solche Mitteilung ignorieren oder nicht? Das ist ein spannendes juristisches Feld, das noch aufgearbeitet werden muss.
Hat die langwierige und mühselige Arbeit dieses
Gremiums offenbart, dass das Konzept von
Untersuchungsausschüssen reformiert werden muss?
Diese Frage stellt sich natürlich. Was sich bewährt hat, war die Bestellung eines Ermittlungsbeauftragten zu einem ausgewählten komplizierten Thema, in unserem Fall zu den CIA-Flügen. Vielleicht sollte man künftig jemanden beauftragen, die vielen Regierungsakten vor deren Übermittlung an einen Ausschuss zwar nicht politisch zu selektieren, aber inhaltlich zu sortieren. Eine nicht nur sinngemäße, sondern auch formelle Anwendung der Strafprozessordnung könnte die Beweisaufnahme straffen. Ein gewisser Hemmschuh ist die "Berliner Stunde", die den Fraktionen bei Zeugenanhörungen Redezeit nach ihrer Stärke zuteilt. Da können die kleinen Parteien einen Themenkomplex oft nicht in wenigen Minuten inhaltlich abarbeiten. Man sollte dem Vorsitzenden die Möglichkeit einräumen, einer Fraktion bei einer Runde ein größeres Zeitkontingent zuzuerkennen, das dann bei der folgenden "Berliner Stunde" wieder abgezogen wird.
Besteht Änderungsbedarf bei der Geheimhaltung? In Akten war
vieles geschwärzt, zahlreiche Zeugenvernehmungen fanden
nichtöffentlich statt.
Das ist eine sehr schwierige Sache. Was geheim gehalten werden muss, ist nun mal geheim zu halten, da lässt sich nicht viel machen. Im Laufe der Zeit haben wir beim Umgang mit diesem Problem eine gewisse Routine entwickelt.
Hat die Öffentlichkeit bei internen Zeugenbefragungen viel
verpasst?
Da war nicht alles spannend.
Braucht die Opposition mehr Rechte, etwa bei der Herausgabe von
Regierungsakten oder bei Beschlüssen über
Beweisanträge?
Verfassungsrechtlich geboten ist das sicher nicht. Aber ein Untersuchungsausschuss ist in erster Linie ein Kampfinstrument der Opposition, die dann auch viel Spielraum braucht. Da eine Grenze zu ziehen ist nicht einfach. Ich denke, dass ich mich gegenüber der Opposition kulant verhalten habe.
In Karlsruhe steht noch ein Urteil zur Klage von FDP, Linkspartei
und Grünen aus, die mehr Rechte einfordern.
Diese Entscheidung wird erst ergehen, wenn unser Gremium seine Tätigkeit beendet hat. Das wirft die Frage auf, ob man mit der Ausgestaltung von Rechtsmitteln anders umgehen sollte. Eine Möglichkeit wäre, solche Beschwerden in mehr Fällen als bisher einem Ermittlungsrichter zu überantworten, der schneller urteilen kann als das Verfassungsgericht, das in Streitfällen natürlich die letzte Instanz bleiben muss. Im Übrigen ist festzustellen, dass zu Untersuchungsausschüssen bislang erst wenige Gerichtsentscheidungen gefällt wurden.
Wie stehen denn inhaltlich die Chancen der Opposition in
Karlsruhe?
Ich will nicht im Kaffeesatz lesen.
Über 120 Sitzungen, über 140 Zeugenvernehmungen, mehr als
drei Jahre hat die Arbeit gedauert, so lange hat ein
Untersuchungsausschuss noch nie getagt. Gab es in all dieser Zeit
auch mal was zu lachen?
Klar, es war gelegentlich amüsant. Mir fällt etwa Hans-Christian Ströbele von den Grünen ein, dessen Dauerkampf mit der Mikrofonanlage groteske Züge annahm. Einmal erteilte ich Ströbele nicht das Wort, weil eine Zeugenanhörung wegen der auch von ihm beschlossenen Zeitbegrenzung beendet war. Da packte er wütend seine Sache und setzte sich aus Protest auf die Zuschauertribüne. Wie ein Schulbub. Da schmunzelt man dann.