Im Jahr 2008 sind 18.096 Petitionen im Bundestag eingegangen, 1.800 mehr als im Jahr zuvor. Dies teilte die Vorsitzende des Petitionsausschusses, Kersten Naumann (Die Linke), am Dienstag, 30. Juni 2009, vor der Presse mit, nachdem sie Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert (CDU) den Jahresbericht 2008 des Ausschusses übergeben hatte. 17.091 Petitionen bearbeitete der Ausschuss im vergangenen Jahr, von denen 6.558, etwa 38 Prozent, positiv beschieden werden konnten.
Lammert dankte den Ausschussmitgliedern für ihre
zeitaufwendige Tätigkeit, für die sie nicht immer im
Medienglanz stünden. Der Petitionsausschuss sei einer der
wenigen Ausschüsse mit Verfassungsrang.
Prominenteste Petition 2008 war die Eingabe von ehemaligen Heimkindern, denen in den Heimen in der Bundesrepublik zwischen 1949 und 1975 Unrecht widerfahren ist. An der öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses mit Betroffenen im November 2008 hatte auch der Bundestagspräsident teilgenommen. Inzwischen bemüht sich ein Runder Tisch unter Vorsitz der früheren Bundestagsvizepräsidentin Dr. Antje Vollmer um eine Lösung für die Betroffenen.
Lammert unterstrich, der Bundestag und der Petitionsausschuss im
Besonderen behandelten die vielen Tausende von Eingaben nicht als
Routinevorgänge, sondern untersuchten sie sorgfältig.
Kersten Naumann sagte, mit dieser "schwierigen Petition“ habe
sich der Ausschuss besonders intensiv befasst. Insgesamt habe
es 2008 fünf öffentliche Sitzungen gegeben. Die
übrigen vier befassten sich mit dem Verkehrswesen, der
Gesundheitspolitik der Umweltpolitik und dem Wirtschafts- und
Steuerrecht.
Die Vorsitzende hob zwei weitere Ereignisse des vergangenen Jahres hervor: Zum einen die Freischaltung des neuen Systems "ePetitionen“ im Oktober 2008, das es ermöglicht, Petitionen online einzureichen, öffentliche Petitionen mitzuzeichnen und Diskussionsbeiträge dazu abzugeben. Und zum anderen die Verleihung des Politik-Awards für Innovation für den neuen Internetauftritt des Ausschusses.
Die Petition gegen Internetsperren habe in diesem Jahr mit mehr als
134.000 Mitzeichnungen und die Petition für ein
bedingungsloses Grundeinkommen mit etwa 52.000 Mitzeichnungen im
Internet dazu geführt, dass der Petitionsausschuss in der
Öffentlichkeit verstärkt wahrgenommen worden sei.
Insgesamt hätten sich bis zum 26. Juni 2009 330.018 Nutzer registrieren lassen. Zu den ins Netz gestellten Petitionen habe es 541.633 Mitzeichnungen und 37.858 Diskussionsbeiträge gegeben.
Der stellvertretende Vorsitzende Gero Storjohann (CDU/CSU) sagte,
durch die elektronischen Petitionen habe der Ausschuss seinen
"Kundenkreis“ erweitert. Personen, die sich bislang nicht mit
dem Bundestag beschäftigt hätten, befänden sich
jetzt im persönlichen Gespräch.
Kersten Naumann nannte die wesentlichen Ergebnisse einer Umfrage zum Petitionswesen, die das Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) in einer Studie vorgelegt hat. Rund 40 Prozent der Befragte hätten angegeben, das Petitionsrecht zu kennen. Gut 20 Prozent hätten schon einmal eine Petition eingereicht oder mitgezeichnet, was hochgerechnet auf die Bevölkerung immerhin 15 Millionen Menschen wären.
Frauen, so Naumann, neigten eher dazu, Petitionen mitzuzeichnen,
während Männer lieber selbst welche einreichten. Der
typische Petent sei männlich, etwa 60 Jahre alt, mit
höherem Bildungsgrad und höherem beruflichen Status.
Den Schwerpunkt bilden laut Jahresbericht 2008 ( 16/13200) Petitionen, die den Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales betreffen (4.096 Eingaben). Allein die Zahl der Eingaben zur gesetzlichen Rentenversicherung stieg um zehn Prozent auf 1.940. Die Petitionen, die das Bundesfinanzministerium betreffen, nahmen von 1.770 im Jahr 2007 auf 2.462 im vergangenen Jahr zu. Schwerpunkte waren die Entfernungspauschale und die Entwicklungen auf dem Bankensektor.
Gegenüber dem Vorjahr leicht auf 1.863 abgesunken ist die Zahl
der Eingaben zum Geschäftsbereich des Justizministeriums. Nach
wie vor beschwerten sich viele Petenten über Probleme im
Privatinsolvenzverfahren. Eine große Zahl von Eingaben
befasste sich mit Problemen beim Abschluss von Verträgen im
Internet und deren Folgen.
Der Obmann der Unionfraktion, Günter Baumann, wies darauf hin, dass bezogen auf die Bevölkerungszahl die meisten Petitionen aus Berlin und den ostdeutschen Bundesländern kämen, ein Zeichen, dass es dort Probleme gebe, die im Westen nicht vorhanden seien, etwa zur Rentengleichheit oder zur DDR-Vergangenheit. Etwa die Hälfte der Petenten plädiere für Gesetzesänderungen, die andere Hälfte habe Probleme, ihr Recht bei Behörden durchzusetzen.
Gabriele Lösekrug-Möller wies darauf hin, dass das
Petitionsrecht nicht an die deutsche Staatsbürgerschaft
geknüpft sei, sondern von jedermann wahrgenommen werden
könne. "Ich bin zuversichtlich, dass Menschen, die sich an den
Petitionsausschuss wenden, eine Antwort erhalten, die sie
verstehen, und in den meisten Fällen eine Lösung ihres
Problems“, sagte die SPD-Obfrau.
Jens Ackermann sagte, der Petitionsausschuss sei für die Bürger oft der letzte Ausweg. Häufig seien die Menschen der politischen Zeit voraus: "Wir sind eine Art Frühwarnsystem.“ Der FDP-Obmann sieht im deutschen Petitionswesen einen "Exportschlager“ mit der Chance, es auf andere Staaten zu übertragen.
Josef Winkler (Bündnis 90/Die Grünen) betonte, man Wolle
die Akzeptanz bei den Bürgern auf hohem Niveau halten oder
sogar noch verbessern. Frei nach Wilhelm Busch ("Ein Onkel, der
Gutes mitbringt, ist besser als eine Tante, die bloß Klavier
spielt“) sei der Petitionsausschuss ein Onkel. Er
überlasse anderen das Scheinwerferlicht, handele stattdessen
und löse Probleme.