"Ich setze meine Arbeit der letzten zehn Jahre im Grunde an anderer Stelle fort", sagt der Herr, der eben noch zügig an mir vorbei in sein Büro geeilt ist und nun noch mal eben die Terminliste auf dem Schreibtisch checkt. Von einer Absicht, in den Ruhestand zu gehen, gibt es bei Dr. Michael Bürsch (SPD) keine Spur: "Das ist eine falsche Vorstellung: Ich komme nicht nach Hause und sitze auf dem Balkon."
Und Sorge, mit seiner Frau künftig enger zusammenzusitzen, hat
der frühere Vorsitzende der Enquete-Kommission "Zukunft des
Bürgerschaftlichen Engagements" und derzeitige Vorsitzende des
Unterausschusses "Bürgerschaftliches Engagement" offenbar auch nicht: "Das tu ich sowieso
mit meiner Frau."
Mit dem freiwilligen Abschied vom Abgeordnetendasein hört Bürsch also nicht auf, sich für bürgerschaftliches Engagement zu engagieren, im Gegenteil: "Das ist mein Herz- und Leidenschaftsthema der letzten zehn Jahre. Jetzt gehe ich auf die andere Seite, jetzt will ich 'bitte schön' den Beweis erbringen, dass ich nicht nur darüber reden kann und die rechtlichen Rahmenbedingungen verbessere." Nun will der gerade 67-Jährige 'Pragmaticus', wie der 'Rechtskundige' auf lateinisch heißt, "mit allem, was ich jetzt gelernt habe", dieses Ziel nachhaltig umsetzen.
"Das heißt im Klartext, dass ich nicht nur bei drei in den
letzten Jahren gegründeten gemeinnützigen Organisationen
für jeweils drei Jahre eine Projektförderung erhalte,
sondern beweise, dass es möglich ist, bürgerschaftliches
Engagement auf zehn, zwanzig
Jahre wirklich nachhaltig zu betreiben." Das alles finde auch seine
Frau "prächtig". An einem der Projekte sei "sie sogar selber
beteiligt". "Insofern werden wir uns also häufiger sehen",
schmunzelt der Mann, der vor seiner Abgeordnetenzeit Mitarbeiter
des Bundeskanzlers Helmut Schmidt war.
Befürchtungen, das Ehrenamt könne zunehmend missbraucht werden, um bisher reguläre Arbeitsplätze zu besetzen, sieht auch Bürsch. "Das ist eine Gefahr, die es durchaus gibt. Nach unserem Verständnis ist bürgerschaftliches Engagement aber kein Ersatz für irgendwelche staatlichen Leistungen im Bereich von Bildung, im Bereich Soziales oder im Bereich Gesundheit."
Bürgerschaftliches Engagement sei "eine freiwillige Ergänzung dessen,
was der Staat verspricht, gewährleistet, sicherstellt". Es
gebe aber eine Art automatisches Korrektiv, denn – als
Lückenbüßer missbraucht, "werde es mit dem
Engagement vermutlich relativ
schnell weniger werden". Dagegen eigne es sich als freiwillige
Ergänzung "hervorragend, um betroffene Jugendliche oder
Schwache, Kranke und Alte nicht zu Adressaten von Hilfsleistungen
zu machen, sondern ihre Selbstheilungskräfte, ihre
Selbstorganisation und ihr Selbstbewusstsein zu
stärken".
Überraschend (oder eben doch nicht) ist dann die Antwort auf die Frage nach den Höhepunkten im persönlichen und politisch-parlamentarischen Leben: "Das war - und danach kommt erst mal gar nichts - die Enquete-Kommission." Er habe sehr, sehr viel gelernt durch diese Arbeit, durch die Zusammenführung externen Sachverstandes wissenschaftlicher Experten und umsetzungsorientierter Politiker. Er habe erfahren, was es bedeute, sich mal drei Jahre für ein wichtiges Thema hinzusetzen, reinzuknien, nachzudenken und inhaltlich auszuloten, um daraus Handlungsempfehlungen herzuleiten.
Als weitere Highlights sieht der Jurist aus Plön die
Verabschiedung der Gesetze zur Zuwanderung und Integration, zum
Staatsangehörigkeitsrecht und die Entscheidungen zum
Datenschutz –- alles Vorhaben, an denen er mitgewirkt
hat.
Die Entscheidung, nicht noch einmal zu kandidieren, war für Bürsch lange vorher gefallen. Er habe in seinem Wahlkreis Plön-Neumünster in Schleswig-Holstein immer gesagt, er werde gern acht Jahre MdB sein. "Vier Jahre lernt man wie das geht, das muss jeder – selbst wenn er politische Vorbildung hat wie ich. In der zweiten Legislatur heißt es dann richtig loslegen und verwirklichen, was man sich vorgestellt hat."
Und wenn es noch eine dritte Amtszeit gebe, habe man Zeit, einiges
anzustoßen oder auf den Weg bringen. "Dann kann der
Nachfolger ran." Das werde nun in seinem Wahlkreis
Plön-Neumünster eine politisch sehr engagierte junge Frau
aus einer Reihe vielversprechender Kandidaten sein. Ihre Themen:
Energie, Umwelt, Klima. "Sie ist von Beruf Vulkanologin", sagt
Bürsch und lacht: "Die hat Erfahrung mit Ausbrüchen und
schwierigen Gemengelagen, damit ist sie im Parlament bestimmt
richtig."